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Jahr: 2024
/ Ausgabe: 2024_05_21_Presse_OCR
- S.5
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Tiroler Tageszeitung
„‚Wortdenkmäler‘ vorzeitig abgebaut“, Seite 21
Trotz kurzer Existenz im öffentlichen Raum war das Interesse am Kunstprojekt, das an Aspekte der lokalen NS-Geschichte erinnerte, groß. Foto: Senfservice
„Wortdenkmäler“ vorzeitig abgebaut
Innsbruck — Eigentlich hätten
sie bis Anfang Juni im öffentlichen Raum stehen und eine
etwas andere Form des Erinnerns an die NS-Zeit in Innsbruck ermöglichen sollen: vier
monumentale aus Karton gefertigte Wortdenkmäler — das
Siegerprojekt 2024 in der erinnerungspolitischen Reihe „gedenk_potenziale“.
Anhand der Wörter „Kultur“, „Forschung“, „Marme-
lade“ und „Provokation“ wollten die aus Tirol stammenden
und heute in Oberösterreich
bzw. Wien tätigen Geschwister Christine und Andreas
Pavlic verschiedene Aspekte
der lokalen NS-Vergangenheit
aufzeigen. So bezog sich das
Wortdenkmal „Kultur“ vor
dem Haus der Musik auf die
problematische Funktion der
„Volkskultur“ für das NS-Regime. Alle Kunstwerke wurden
mit Hinweistafeln und Erstinfos vor Ort versehen, samt
QR-Code zu weiterführenden Auskünften auf einer
Website (wortdenkmal.at).
Aber: Nachdem das Wort-
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denkmal „Provokation“, das
an die Geschichte der Höttinger Saalschlacht 1932 erinnerte, wie berichtet, schon vor
der Eröffnung zerstört wurde, erlitten auch die anderen
Kunstwerke schwere Beschädigungen. Vergangene Woche
mussten sie daher vollständig
abgebaut werden.
„Übereilte Rückschlüsse“,
was das Ganze im Hinblick auf
Erinnerungspolitik bedeuten
könnte, wollen die KünstlerInnen nicht ziehen. Vielleicht
seien die Beschädigungen
auch Ausdruck einer Gegenwart, die so stark unter Druck
steht, „dass Gegenstände im
öffentlichen Raum dankend
als gesellschaftlicher Boxsack
angenommen werden“.
Verbittert sind die KünstlerıInnen nicht: „Es gab extrem
viele Reaktionen, tolle Gespräche und Rückmeldungen“, bilanziert Andreas Pavlic: „Die
Geschichten hinter den Wörtern wurden gehört, eventuell ist es uns gelungen, Nachdenkprozesse anzuregen.“
Im öffentlichen Raum ist
vorerst nichts mehr geplant —
wichtig sei aber, dass das Projekt per Website, über Texte
und Audio-Files weiterexistiert. Online sind auch Nachfolgeprojekte geplant. (md)