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Jahr: 2024
/ Ausgabe: 2024_05_28_Presse_OCR
- S.10
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Kurier
„Der Mann hinter dem Bürgermeister-Coup“, Seite 16
Der Mann hinter dem Bürgermeister-Coup
Innsbruck. Wie der neue Stadtchef ist auch sein Wahlkampfmanager Jürgen Birlmair in der ÖVP sozialisiert.
Die großen Parteien verortet er „in einer Blase“ und ist überzeugt: „FPÖ-Wähler kann man zurückholen.“
VON CHRISTIAN WILLIM
Am 19. Oktober 2023 ist der
endgültige Bruch vollzogen.
Johannes Anzengruber, damals noch OVP-Vizebürgermeister, tritt mit seiner Klubkollegin Mariella Lutz vor die
Medien. Das Duo kündigt an,
dass man bei den Gemeinderatswahlen „als eigene, breite, bürgerliche Bewegung antreten“ werde. Also mit eigener Liste gegen die OVP.
An der Seitenlinie ist
schon damals ein Mann dabei, der fortan bei jedem relevanten Termin im Wahlkampf dicht an oder hinter
Anzengruber zu sehen sein
wird — bis hin zum finalen
Triumph des OVP-Rebellen in
der Bürgermeister-Stichwahl
gegen Amtsinhaber Georg
Willi (Grüne) am 28. April.
Progr äsentation
Der Mann im Hintergrund ist
Jürgen Birlmair, Chef einer
Innsbrucker PR-Agentur. Und
als solcher maßgeblich mitverantwortlich dafür, dass
„JA — Jetzt Innsbruck“ und
seinem Zugpferd Anzengruber, der kommenden Montag
das Arbeitsprogramm seiner
Koalition mit Grünen und
SPO präsentieren will, die
Sensation gelungen ist.
„Ich habe Hannes fast jeden Tag getroffen“, erzählt
der 48-Jährige über die Monate des Wahlkampfs. Dass
dieser derart erfolgreich war,
hat für ihn mehrere Gründe.
Die Startvoraussetzungen
waren bescheiden: „Wir hatten keine Struktur, kein Budget und es war klar, dass keiner von uns das ohne Risiko
machen kann“, so Birlmair.
Mit weniger Geld
Im Falle von Anzengruber
hieß das: Den Großteil des
Wahlkampfbudgets von
290.000 Euro aus eigener Tasche und mithilfe eines Kredits finanzieren. Das OVP-
selbst Autos mit Werbung
S Bündnis „Das neue Inns-
83 bruck“ mit Florian Tursky an
5 der Spitze hat laut eigenen
Angaben hingegen rund
700.000 Euro in die Schlacht
geworfen.
Um die geringere Finanzkraft zu kompensieren, mussten Anzengrubers Unterstützer und er selbst viel laufen
und selbst Hand anlegen.
Autos wurden mit Listen-Werbung in Eigenregie beklebt,
Tausende Kaspressknödel, Kuchenstücke und Eiskugeln
unters Volk gebracht. Der direkte Kontakt mit den Wählern wurde auch im Häuserwahlkampf aktiv gesucht.
„Man kann noch so viel
Werbung an Türen hängen,
die redet mit keinem“, so
Birlmair. Die Devise habe deshalb gelautet, beim Klinkenputzen mit möglichst vielen
Menschen direkt ins Gespräch
zu kommen. Diese Erfahrung
führt den PR-Mann auch zur
Überzeugung: „Wenn man auf
sie eingeht, kann man auch
FPO-Wähler zurückholen.“
Die könnten zwar zum Beispiel wenig mit dem Begriff
der „klimafitten“ Stadt anfangen. „Aber auch ein FPO-Wähler will es kühl im Sommer,
Bäume und Schatten haben.“
Die Strategie hat offenbar
gefruchtet. Anzengruber dürfte in der Stichwahl jede Menge
blaue Stimmen ergattert _ haben. Seine Truppe hat die OVP,
die in der Gemeinderatswahl
nur auf rund 10 Prozent
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gekommen ist, alt aussehen
lassen. JA landete mit 16,8
Prozent auf Platz zwei. Dabei
ist die Tursky-Allianz mit einer
Agentur ins Feld gezogen, die
für die Tiroler aber auch die
nö. Volkspartei Landtagswahlkämpfe orchestriert hat. „Die
OVP macht Wahlkampf nach
Bedienungsanleitung“, befindet Birlmair, der bereits andere schwarze Politiker in Tirol
und darüber hinaus in Wahlkämpfen beraten hat.
Mit echten Unterstützern
Anzengruber konnte in seinem Wahlkampf auf die Unterstützung zahlreicher Vereinsfunktionäre, die auch als Multiplikatoren dienten, zählen.
„Das sind alles Leute, die sich
Fakten
Abnabelung
Am 19. Oktober
2023 kündigte
Johannes Anzengruber an, mit
eigener Liste (JA
Jetzt Innsbruck) bei
den Gemeinderatswahlen anzutreten.
Er und seine Klubkollegin Mariella
Lutz werden aus der
ÖVP ausgeschlossen
APA/EXPA/JOHANN GRODER
Wahlerfolg
Am 14.4. erobert die
Liste Platz zwei bei
den Gemeinderatswahlen, zwei
Wochen später
Anzengruber das
Bürgermeisteramt
Koalition
Der neue Stadtchef
hat eine Koalition
mit Grünen und SPÖ
gebildet. Das
Programm soll
kommenden Montag
präsentiert werden
für die Gesellschaft engagieren“, so Birlmair. „Angestellte
von Parteien sind hingegen oft
eine Art Söldnertruppe.“
Überhaupt würden die
großen Parteien „in einer Blase leben“, glaubt der 48-Jährige. Dabei hat der seine Wurzeln selbst in der OVP, war etwa JVP-Bezirksobmann und
betreut mit seiner Agentur
unter anderem den Bauernbund. Wie Anzengruber hat
aber auch Birlmair schon mal
eine Revolte gestartet. Als 22-
Jähriger gründete er in seiner
Heimatgemeinde eine Liste
gegen den OÖVP-Bürgermeister.
„Der wollte keinen Jungen
kandidieren lassen. Ich habe
dann ein Mandat gemacht“, erzählt er. Und schmunzelt.