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Jahr: 2024
/ Ausgabe: 2024_06_4_Presse_OCR
- S.6
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Tiroler Tageszeitung
„Einstimmig gegen Misstöne“, Seite 7
Einstimmig gegen Misstöne
Die neue Innsbrucker Dreierkoalition will strikte Widmungsregeln und - bis 2030 - Gratis-Öffis für alle.
Der „Bozner Platz neu“ kommt. In allen Gremien verpflichten sich die Koalitionäre zur Einstimmigkeit.
Von Michael Domanig
Innsbruck — „Es ist kein klassisches Arbeitsübereinkommen“, betonte Bürgermeister
Johannes Anzengruber („JA
— Jetzt Innsbruck“) bei der
gestrigen Vorstellung jenes
Programms, das sich die neue
Dreierkoalition aus JA, Grünen
und SPÖ für diese Gemeinderatsperiode vorgenommen
hat. „Zukunftsvertrag Innsbruck 2024 bis 2030“ nennt
sich das 96 Seiten dicke Werk,
das Hunderte geplante Maßnahmen umfasst — und der
Koalition zugleich ein enges
Arbeitskorsett verpasst.
Das Bündnis ist bemüht,
Aufbruchsstimmung zu versprühen, alle Beteiligten lobten gestern den „reibungslosen Start“ und die „sachliche
Zusammenarbeit“. Im Haus
der Musik wählte Anzengruber
dafür eine naheliegende Metapher: „Misstöne gehören der
Vergangenheit an, jetzt geht es
um eine Symphonie, ein Miteinander.“
Freilich sind im koalitionären Zusammenspiel, um im
Bild zu bleiben, viele hochkomplexe Partituren zu bewältigen. Hier ein erster Überblick
über wichtige Punkte auf der
To-do-Liste:
P Raumordnung
—— | und Wohnen:
—_- Noch heuer will
— die neue Stadt-
führung das Instrument der
Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau — als Mittel der Baulandmobilisierung —
beschließen und dann sowohl
im Bau- als auch im Freiland
anwenden. In der Widmungspolitik kündigt man strenge
Regelungen an: Wird künftig
Freiland in Bauland umgewidmet, müssen 75 Prozent der
Stadt zu Wohnbauförderungs-
Konditionen zum Kauf angeboten werden.
Auch bei Bebauungsplanänderungen muss der Eigentümer in Zukunft drei Viertel des
Mehrwerts, der durch zusätzliche Dichte erzielt wird, zu
WBF-Konditionen realisieren.
Die eigene Vormerk- und
Vergaberichtlinie für den Innsbrucker Mittelstand — heiß
umstritten und bisher alles andere als wirkungsvoll — ist bald
wieder Geschichte: Spätestens
im Oktober-Gemeinderat soll
eine neue, einheitliche Vergaberichtlinie beschlossen werden (inklusive eines „Wohntickets“ nach Wiener Vorbild).
Verhandlungsbasis sei dabei
der in der Vorperiode auf breiter Basis erarbeitete, damals
aber politisch nicht mehrheitsfähige Richtlinienentwurf, sagt Vize-BM Georg Willi
(Grüne).
Qa Platzgestaltun-
— | gen und andere
ma Stadtplanungs-
— schwerpunkte:
Mehrere Vorhaben, die in der
Vorperiode bereits weit gediehen waren, dann aber abgeblasen wurden, will die Koalition nun realisieren: allen
voran den Bozner Platz neu.
Gleich nach Abschluss der
laufenden Leitungsbaustelle
wolle man die Umsetzung des
Wettbewerbsprojekts, „das
auf dem Tisch liegt“, angehen,
unter Einbindung von Zentrumsverein und Anrainern, erklärten Anzengruber und Tiefbau-Stadträtin Mariella Lutz
(JA). Wenn das neue „Raiga“-
Quartier ca. Ende 2025 fertig
ist, soll der Platz ebenfalls neu
gestaltet sein.
In der Folge sollen auch der
Vorplatz beim Haus der Musik und angrenzende Bereiche
„klimafit“ und verkehrsberuhigt umgestaltet werden — wobei das Ganze in Verbindung
mit der geplanten Sanierung
und Erweiterung des Congresszentrums gedacht werden soll. Auch ein neues Hotel
samt Catering für Veranstaltungen soll dabei entstehen.
Stadträtin Janine Bex (Grü-
m
f
Bürgermeister Johannes Anzengruber (M.), hier mit seinen „Vizes“ Georg Willi und Elli Mayr, verspürt in der neuen Koalition viel „Feuer“. Damit daraus
kein Feuer am Dach wird, haben sich die Koalitionäre darauf geeinigt, dass es keinerlei koalitionsfreien Raum, keine „Dissenslisten“, gibt. _ roto: Springer
ne) hob beispielhaft weitere
Stadtplanungsprojekte hervor, darunter die Neugestaltung des „Marktviertels“ samt
Fuß- und Radbrücke über den
Inn. Eine solche ist auch beim
Sillzwickel geplant. Gemeinsam mit den ÖBB soll die Neugestaltung des Hauptbahnhof-
Areals vorangetrieben werden,
auch hier will man neue Querverbindungen schaffen.
Mobilität: Als gro-
Q
z | ßes Ziel — das für
Da .I hitzige Debatten
—_ sorgen dürfte —
@ gibt Anzengruber
die schrittweise
Schaf- fung eines kostenlosen Öffi-Tickets für alle InnsbruckerInnen bis 2030 aus,
„mithilfe von Bund, Land und
EU“. Zunächst will man allen
Innsbrucker Kindern und Jugendlichen für einen Selbstbehalt von 19,60 Euro ein tirolweites, ganzjährig gültiges
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Klimaticket anbieten, die Stadt
übernimmt dabei die Aufzahlung aufs bestehende Schulbzw. Lehrticket. Kostenlos
nützbare Nightliner sollen folgen.
Beim Reizthema Tempo 30
wollen sich die Koalitionäre
nicht auf Wörter wie „generell“
oder „flächendeckend“ festlegen. Jedenfalls soll es, beginnend mit den Wohngebieten,
deutlich mehr Tempo-30-Zonen geben. Dazu ist zeitnah
ein Experten-Workshop geplant — auch zur Frage, welche
Durchzugsstraßen jedenfalls
davon ausgenommen werden.
Soziales und Bil-
i dung: Geplant ist
r die Einführung
=: einer „Innsbruck-
Aktiv-Karte“: Orientiert an dn
Kriterien für den
„Tirol-Zuschuss“ des Landes,
soll sie Menschen mit geringe-
ren Einkommen Teilhabe am
sozialen, kulturellen, sportlichen Leben sichern. Auch
Gebührenbefreiungen im Bildungsbereich sollen an die
Karte geknüpft werden.
Apropos (Kinder-)Bildung:
Klares Ziel sei, den Rechtsanspruch auf Vermittlung eines
Kinderbildungsplatzes umzusetzen, stellt Vize-BM Elli Mayr
(SPÖ) klar. Die nötige Personaloffensive sei eine „Mammutaufgabe“, der sie sich aber
gerne stellen wolle.
Stadtteile: Die
Q
— | neue Stadtfühya rung will „dezent-
— @ rale Infrastruktur“
stärken — etwa mit
der Neugestaltung
von Stadtteilplätzen oder leistbarem Wohnen und Seniorenwohnen in allen Teilen Innsbrucks. Nach der Abschaffung
der Stadtteilausschüsse
kommt eine „Stabsstelle Stadtteilkümmerer“,
Wie all diese und viele andere Vorhaben finanziert werden
sollen, führten die Koalitionäre gestern nicht im Detail aus.
Für Anzengruber ist aber klar,
dass es eine „maximal sorgfältige Finanzgebarung“ braucht.
Er bringe hier seine Expertise
als Unternehmer ein.
Koalitionäre Zu-
Qa
— | _ sammenarbeit:
—— 1 Diese ist dafür
— umso klarer gere-
® gelt: Es gibt kei-
nen koalitionsfreien Raum, bei etwaigen
Anträgen auf Ressortentzug
oder Abberufung sagen sich
die Koalitionäre gegenseitige
Unterstützung zu. Für die Arbeit in Gemeinderat, Stadtsenat und Ausschüssen haben
sie das Einstimmigkeitsprinzip vertraglich verankert - ein
absolutes Novum.
Umso mehr wird daher im
Vorfeld der Sitzungen kommuniziert werden müssen;
das sollen neue Gremien und
Formate sicherstellen, konkret ein Koalitionsausschuss,
ein Ressortkollegium und eine
S d Jl b(.b}‚llc.hulls e=>
letztere auch für die nicht ressortführenden Stadträte von
FPÖ und Neuem Innsbruck.