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Jahr: 2024

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Kronenzeitung

„‚Auf dem Land sind die Leute meist offener als in der Stadt!‘“, Seite 16,

17

„Auf dem Land sind die Leute

INTERVIEW Tirol hängt dieser Tage voller Regenbogenflaggen. Bunte

Pracht vor Land- und so manchem Rat- und G

E

Innsbruck hat

plötzlich ein eigenes LGBTQIA+-Ressort. Was hat es damit auf sich? Die

„Tiroler Krone“ hat beim Zentrum für sexuelle Gesundheit nachgefragt.

er „Pride Month” Juni

kommt mit vielen Sym-

bolen und einer Parade
für die LGBTQIA+-Bewegı
(lesbisch, schwul, trans,
queer, inter-, asexuell). Was
hat es damit auf sich?

Matthäus Recheis: Es geht
darum, dass die Vielfalt, was
Liebes- und sexuelle Orientierungen in Tirol angeht,
sichtbar wird. Es ist auch
eine Bestärkung für qucer
(nicht heterosexuell, Anm.).
Eine demokratische Gesellschaft sollte zur Vielfalt stehen. Wir in Tirol sind vielfältig, wir sind nicht hinter
den letzten Bergen bei den
sieben Zwergen, sondern ein
aufgeschlossenes Volk.

aben die Menschen
bei der ersten Regenbogenparade (Pride Parade) reagiert?

Am Vorabend haben uns
ganz viele gesagt, dass sie
Angst haben und nicht hingehen werden. Am Nachmittag kamen auch sehr wenige, gegen Abend waren wir
dann um die 100, Im Vergleich, bei der letztjährigen
Parade waren es 4500 Menschen — laut Polizeiangabe.
Bei der ersten Parade ware:
es noch mehr Polizisten als
Teilnehmende,

Warum braucht es Polizei
bei den Paraden?

Es herrschte große Verunsicherung: Wird es zu Übergriffen kommen auf die
Menschen, die friedlich mit
der Parade mitgehen? Deswegen hat sich die Tiroler
Polizei schr bemüht, für Sicherheit zu sorgen und Präsenz zu zeigen. Die Zusammenarbeit mit der Pulue1
war immer

Fotn johanna Bartanumer

„ Tiroler Krone“”-Redakteurin Nadine Isser im Gespräch über
LGBYQIAQ mit Matthäus Recheis und Thomas Lechleitner
(re.) vom Zentrum Sexuelle Gesundheit Tirol in Innsbruck.

heit und Diskriminierung generell aus?

Thomas Lechleitner: 2020
hat es eine große Studie gegeben: 73 Prozent der Teilnehmenden haben gesagt,
dass sie in den letzten drei

ahren Diskriminierung erfahren haben. Es gibt zwar
Gesetze gegen Diskriminierung. Sn ist es ver!
Leute, w queer sind zu
feuern oder die Wohnung zu
verwehren. Aber das heißt
nicht, dass es nicht passiert,

Wie können Eltern mit einem

Man merkt: Es gibt das ganz
klare Ja zu Schutz und Sicherheit in Tirol.

Wie schaut es mit Sicher-

umgehen,
das/der sich z.B. als homosexuell odennns outet?

Die große Sehnsuuh( der Kinder ist, ange-

nommen zu werden. Gerade
am Anfang kann das aber
manchen Eltern schwer fallen, weil sie sich vielleicht
noch nic mit dem 7
auseinandergesetzt
Auch bei Eltern überwiegt ja
der Wunsch, dass es dem
Kind gut gehen möge.
man also Schwierigkeiten
hat, würden wir empfehlen,
dass sich auch die Eltern Beratung und Unterstützung
holen. Der wesentliche .*spekt ist aber Liebe und A:
erkennung. Kinder h.|bcn
eine furchtbare Angst davor,
die Liebe und Anerkennung
der Eltern zu verlieren.
Wenn viel Ablehnung da ist,
steigt das Risiko für

sionen bis hin zum Selbstmord enorm, das ist die
Kehrseite.

Sie bieten Workshops an
Schulen an. Was sind die Fragen der Tiroler Jugendlichen?

Als eine Kollegin und ich
heute für einen Workshop
zu Sexualität, Partnerschaft
und Diversität an einer
Schule waren — ich hatte dabei eine Burschengruppe im
Alter von 14 Jahren —, hat
die Gruppc von sich aus das
Thema LGBT! Ol + eingebrachl i

z.B.:
lcndcr ‚esbeı
leben Transmenschen? Alle
Fragen an dieser Neuen Mittelschule waren ÜüÜbrigens
sehr wertschätzend. Wenn

Jugendliche selbst Menschen el ie
LGBTQIA+ smd gehen

diese oft sehr wertschätzend
mit dem Thema um. Vor
einem Monat waren wir in
Rotholz, in der Landwirts<‘h.nflsschulc. und haben gefragt, wer in seinem Heimatdorf Transmenschen kennt,
Sechs Jugendliche aus
unterschiedlichen Dörfern
haben unfgen:ngl Am Land
draußen sitzt auch nicht die
Diskriminierung per se. Das
möchte ich schr klar sagen:
Die Menschen am Land sind
nicht rückständig. Oftmals
ist es sogar am Land offener
und ruhiger in der Diskussion und in der Stadt gibt es
oft radikalere Positionen,
Bischof Hermann Glettler

at bei seinem Besuch bei
uns gesagt, dass er das an Tirol sehr schätzt, dass die
Leute nicht so in diese Hetze
hineingehen. An einer anderen Schule, einer HTL, die
einen Trans-Jugendlichen
haben, haben die Lehrpersonen beschlossen, sich fortzubilden zu diesem Thema, Es
wurde aktiv daran gearbeitet, dass sich dieser Jugendliche wohlfühlen kann, Für
die Kollegen in Ostdeutschland ist es durch die AFD
viel schwieriger, da sind die
Jugendlichen oft schon extremistisch verhetzt.

Wie schauen Sie der nächsten Wahl entgegen, bei der

meist offener als in der Stadt!“

Ob der Trans-Zebrastreifen vor dem Innsbrucker Bahnhof oder die Regenbogenfahnen: Tirol zeigt Vielfalt und Repräsentation.

dh FPÖ aller Prognosen nach
hr gut abschneiden wird?

Man muss hier unterscheiden zwischen der FPO
im Bund und in der Gemeinde. Im Bund ist diese Hetze
von Trump-Amerika abgeschaut. Die schlägt aber
nicht so durch bis Tirol. In
Innsbruck etwa hat auch die
FPO für den Regenbogenzebrastreifen gestimmt, Wir
haben übrigens auch in
Axams einen Regenbogenzebrastreifen.
„Da kritisiere ich den ORF,
viel zu wenig Diversität”
Gibt es noch weitere Gemeinden, die sich engagieren?

In Kufstein gibt es auch
eine Pride Parade.

Lechleitner: Es ist ja auch
in _ touristischer Hinsicht

Seite 6 von 8

sehr interessant, queerfreundlich zu sein,
‚echeis: In Sölden gibt es

die Winter-Pride. Jemand
im Illleflal hat Skier desige dann durch eine
l)ragqucgn crslclgcfl wurden. Der Erlös ging an uns.
as war so ein gestandener
Zillertaler, dem es wichtig
war, uns zu unterstützen,
Das Reisebüro Rainbow
Travels hat das organisiert.
Manche sagen, man kann
sich keine Fernsehserie mehr
anschauen, ohne dass ein
queerer Mcnxh vorkommt.
Lechleitner: Man muss nur
das Wort queer durch Frau
ersetzen: ‚Man kann sich
heutzutage ja kaum mehr
eine Serie anschauen, ohne
dass eine Frau vorkommt.”
Dann wird eigentlich alles

klar, denn das würde niemand sagen.

Recheis: Da geht es um Repräsentanz, es ist wichtig,
dass sich queere Menschen
widergespiegelt sehen. Da
kritisiere ich den ORF, da ist
mir viel zu wenig Diversität
drin. Ein privater Streaming-Dienst wie Netflix bemüht sich — und das mit großem Erfolg. Und ein staatlicher Sender, der die Aufgabe
hat, uns zu repräsentieren,
kommt dieser nicht nach,
das ist doch beschämend.
Als positives Beispiel gibt es
nur Soko Linz, die einen
schwulen Pathologen hat,
Aber der Bergdoktor zum
Beispiel ist wahnsinnig rassistisch. Ich komme aus dem
Dorf, in dem der Bergdoktor
spielt. Wo sind die ganzen

Menschen, die hart im Tourismus arbeiten, aus Ex-Jugoslawien oder der Ukraine?
Alle sind weiß, Alle sind heterosexuell., Niemand ist
trans. Das ist für mich nicht
die Realität im Bezirk Kitzbühel. Man kann auch eine
gute erholsame Serie mit
positiven Ausklängen machen und trotzdem Vielfalt
drin haben, Es geht ja bei der
Pride vor allem auch um Lebensfreude, Nadine Isser

Für Beratung, Information,
Unterstützung,

Gesundheit, Kaiser-Josef-Straße
13, 6020 Innsbruck;
www.sg-tirol.at

office@sg-tirol.at
© +43 (0)512 563621