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Jahr: 2024
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- S.3
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Tiroler Tageszeitung
TirolerseTageszeitung
„Rettung in letzter Sekunde“, Seite 5
9.7.2024
Rettung in letzter Sekunde
Ein Vierjähriger trieb regungslos im Becken eines Hallenbades in Innsbruck. Gäste zogen ihn aus dem Wasser,
eine zufällig anwesende Ärztin begann sofort mit der Reanimation. Der Bub ist auf dem Weg der Besserung.
„Viele haben
nie schwimmen
gelernt“
Von Benedikt Mair
Innsbruck - Es geht ihm den
Umständen entsprechend
gut. Jener Bub, der am Sonntag in einem Hallenbad im
Osten Innsbrucks fast ertrunken wäre, lag gestern noch
auf der Intensivstation. „Zur
Beobachtung“, wie Johannes Schwamberger, Sprecher
der Klinik, sagt. Heute soll er
auf die Normalstation verlegt
werden. Dass der Vierjährige
so rasch wieder auf die Beine kommen wird, ist dem beherzten Eingreifen mehrerer
Menschen zu verdanken, die
Sonntagabend gegen 18.40
Uhr Zeugen des Badeunfalls
im Olympischen Dorf wurden.
Und zu Lebensrettern.
‚ In dem Moment,
als das Kind wie-
der geatmet hat, war ich
unglaublich glücklich.“
Ärztin, die den Vierjährigen
reanimierte
„Zu dieser Zeit war einiges
los“, erzählt Roland Maurer,
stellvertretender Leiter des
Bäderbetriebs der IKB. „Einigen fiel auf, wie das Kind
regungslos im Wasser trieb“,
sagt er. Eine Ärztin, die in der
Privatklinik Kettenbrücke arbeitet und anonym bleiben
möchte, erinnert sich an die
bangen Momente: „Ich habe
einem meiner Kinder gerade
beim Springen ins Wasser geholfen“, sagt die Mutter von einem fünf- und einem siebenjährigen Kind. „Dann hörte ich
hinter mir verzweifelte Schreie
und sah, wie der schlappe Körper eines Kleinkindes aus dem
Wasser gezogen wurde.“
Sie erkannte die blauen Lippen und begann mit der Reanimation - Herzdruckmassage und Beatmung. „Es hat
drei, vier Zyklen gebraucht,
dann ist das Kind — Gott sei
Dank — wieder zu Bewusstsein gekommen.“ Sie brachte den Vierjährigen in stabile
Seitenlage und blieb bis zum
Eintreffen der Sanitäter bei
ihm. „Im dem Moment, als
das Kind wieder geatmet hat,
war ich unglaublich glücklich.
Roland Maurer von den !|
Der nächste Gedanke war
aber schon: Wo sind meine
eigenen Kinder?“ Dann habe
sie gesehen, dass die beiden
direkt neben ihr saßen.
Als Mutter von zwei Kindern kann sie die schrecklichen Momente für die Eltern
nachvollziehen. „Für mich,
vor allem wenn ich mit zwei
Kindern alleine unterwegs
bin, ist schwimmen gehen
richtig anstrengend. Ich versuche, sie ununterbrochen
im Blick zu haben. Einmal beobachtet man das eine Kind,
dann das andere. Und wenn
KB i die Stelle im Hallenbad O0-Dorf, an der das Kind regungslos im Wasser trieb. _ Foto: Liebi
‚ Das Kind hatte
enormes Glück,
dass fachkundige Leute
da waren. Professionelle
Schutzengel sozusagen.“
Roland Maurer
(stv. Leiter Bäderbetrieb IKB)
man eines kurz aus den Augen verliert, bekommt man
schon Panik.“
Roland Maurer von den
IKB lobt die Frau und einen
weiteren Arzt, der zufällig
als Gast vor Ort war, für ihren Einsatz. „Das Kind hatte
enormes Glück, dass fachkundige Leute da waren. Professionelle Schutzengel sozusagen. Etwas Besseres hätte
ihm nicht passieren können.“
Wie es überhaupt zu dem
Unfall kommen konnte, ist
Gegenstand von Ermittlungen. Die Mutter des Buben,
eine in Deutschland lebende syrische Staatsbürgerin,
erklärte laut Polizei, dass ihr
Sohn nicht schwimmen könne. Ob er eine Schwimmhilfe trug oder ohne ins Wasser
gegangen war, konnte bisher
nicht festgestellt werden.
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Innsbruck —- 134.000 Kinder und Jugendliche in Österreich können laut einer
Studie des Kuratoriums für
Verkehrssicherheit (KFV)
nicht schwimmen. 93.000
weitere sind schlechte Schwimmer. Konrad
Kirchebner von der Einsatzstelle Innsbruck der
Österreichischen Wasserrettung kennt diese Problematik. Er merkt vor
allem bei den Zehn- bis
Vierzehnjährigen Defizite.
„Da sind viele dabei, die
nie wirklich schwimmen
gelernt haben.“
Das bestätigt auch der
Schwimmlehrer Christoph Krug von Connected Sports. Er beobachtet
Volksschüler, die bis in die
dritten und vierten Klassen Nichtschwimmer sind.
„Beim Schwimmsport hat
man nur einen Versuch“,
sagt Krug. „Wenn die Kinder nicht schwimmen können, dann ertrinken sie.“
Dass junge Menschen lange nicht schwimmen, hat
unterschiedliche Gründe.
Das soziale und familiäre Umfeld spielt laut
KFV eine wesentliche Rolle. In der Pandemie hatten ganze Jahrgänge von
Schülern eingeschränkten
Zugang zu öffentlichen Bädern.
Heute Zzeigen
sich bei Krug zusätzlich die Auswirkungen der
Teuerung: „Die
Eltern müssen
aufs Geld schauen und können
Schwimmkurse
nicht unbedingt
in Anspruch nehmen.“ Kurse für
www.tt.com
Kinder in ganz Tirol bietet
auch die Wasserrettung
an. Die 120 Plätze sind laut
Kirchebner allerdings ausgebucht, an die 180 Kinder
befänden sich auf einer
Warteliste.
Tipps von den Experten
Für das sichere Schwimmen mit Kindern gibt es
ein paar wichtige Regeln.
„Das Wichtigste ist, dass
die Eltern nicht an der Kassa ihre Verantwortung abgeben“, sagt Kirchebner.
Am besten gehen Eltern
gleich mit ihnen ins Wasser, denn „Kinder ertrinken
oft lautlos und relativ unbemerkt“. Kommt es zum
Notfall und ein ertrunkenes Kind muss reanimiert
werden, dann empfiehlt
Kirchebner fünf Beatmungen vor einer regulären
Reanimation nach dem
Muster 30-mal drücken,
zweimal beatmen. Gerade
bei Anfängern kommt es
auf die richtige Ausrüstung
an. Krug arbeitet bei seinen
Novizen mit Schwimmnudeln. Für Kleinkinder
empfiehlt er Schwimmringe und Schwimmwesten
als bessere Alternativen
zu den Schwimmflügeln.
Kirchebner warnt außerdem explizit vor
Erwachsenenschnorcheln bei
Kindern. Die
könnten durch
ihr geringeres
Lungenvolumen
schnell bewusstlos werden. Nur
mit Schwimmhilfen zu arbeiten, ist
für Krug auf Dauer sowieso nicht
zielführend. (ben)