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Jahr: 2024

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Tiroler Tageszeitung

TirolerseTageszeitung

„Studium ohne Arbeit für viele nicht mehr leistbar“, (Leserbrief) Seite 14

Studium ohne Arbeit für
viele nicht ehr leistbar

3.8.2024

Thema: Artikel „Studenten droht
sogar Sperre“, TT, 29.7.

enn ich die Klage Studierender über die
Belastung durch eine zumeist materiell erzwungene
Arbeit neben dem Studium
höre, packt mich als alten
Uni-Fuchs der Zorn über die
Versäumnisse der Universitätspolitik der letzten Jahrzehnte. Abgesehen von den
Entdemokratisierungstendenzen unter der Regierung
Schüssel Anfang des Jahrtausends, durch die Studierende
zu „Kunden“ der Uni wurden
und ihnen letztlich auch ihre Rolle als aktive Mitglieder
der „universitas“ erschwert
wurde (man beachte die ÖH-
Wahlbeteiligung von rund
einem jämmerlichen Viertel
der Studierenden), zeichnete
sich immer mehr ab, dass ein
Studium für viele ohne Arbeit
nicht mehr finanzierbar ist.
So arbeiten in Österreich
aktuell annähernd zwei Drittel (!) aller Studierenden neben dem Studium — Frauen
im Schnitt 20 Stunden pro
Woche, Männer 23 Stunden.
Dass das den Studienerfolg
beeinträchtigt, liegt auf der
Hand. Noch dazu, wo man
doch bei Einführung der un-

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seligen ECTS-Punkte davon
ausging, dass die erforderliche Punktezahl etwa einem
Vollzeitjob entspräche.

In meiner Studienzeit (in
den 1970ern) waren berufstätige Studierende (so genannte
„Werkstudenten“ — ungegendert) eine kleine Minderheit,
heute sind sie fast die Normalität. Mir selbst reichte damals neben einer Halbwaisenpension eine gut bezahlte
Ferialarbeit. Das heißt, dass
die Möglichkeit zu studieren
auch ökonomisch sehr erschwert worden ist, sodass
ein Studium für viele nicht
mehr leistbar ist. Jetzt höre
ich wieder Einwände, dass
die jungen Leute sich halt alles Mögliche leisten müssen.

Fast zwei Drittel der Studierenden arbeiten neben dem Studium.

Foto: Böhm

Fehlurteil: Wenn schon ein
Studierendenheim-Zimmer
in Innsbruck 500 Euro oder
mehr monatlich kostet, dann
kann man auch mit Nebenjob
nicht weit hüpfen. All das aber
scheint die Verantwortlichen
in der Bildungspolitik bislang
nicht gekümmert zu haben.
Und dies weder von der Förderlandschaft her noch von
politischen Regulierungen des
studentischen Wohnungsmarktes und auch nicht von
der jetzt wieder zu Recht von
der ÖH erhobenen Forderung
nach einem Teilzeitstudium,
das Studierenden den unsinnigen Stress, neben der Arbeit
halbwegs in der Regelstudienzeit abschließen zu müssen,
erspart (und damit die Quali-

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tät eines Studiums ohne Hudelei heben würde).

Ich war 34 Jahre im Universitätsdienst tätig, davon die
ersten zehn Jahre an einem Institut, das die österreichischen
großteils nebenberuflich Studierenden an der (einzigen)
deutschen Fernuniversität
Hagen in Nordrhein-Westfalen betreute. An dieser Fernuniversität gab es von ihrer
Gründung durch den späteren
deutschen Bundespräsidenten Johannes Rau an (1975)
ein Teilzeitstudium, das diese
Mehrheit nützte.

Ich habe dieses Modell, das
leicht einzuführen wäre, nicht
nur den in meiner aktiven Zeit
tätigen VizerektorInnen für
Lehre und Studierende vorgelegt, sondern auch mehreren
zuständigen MinisterInnen.
Einzig Claudia Schmied (SPÖ)
hatte sich damals interessiert
gezeigt, wurde aber kurz darauf abgewählt. Was ist das für
eine Haltung gegenüber Studierenden und gegenüber der
erwartbaren Studienqualität
unter solch misslichen Bedingungen? Ich meine: eine der
bildungspolitischen Verantwortungslosigkeit.

Univ.-Prof. Dr. Josef Christian
Aigner, 6020 Innsbruck