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Jahr: 2024
/ Ausgabe: 2024_08_18_Presse_OCR
- S.6
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Kurier
KURIER
„Städte rüsten sich gegen die Hitze“, Seite 13
18.8.2024
Städte rüsten sich gegen die Hitze
Wetterextreme. Eine Studie zeigt, dass Klimawandel-Anpassungen hitzebedingte Sterblichkeit massiv
verringern können. In Österreichs Hitze-Hotspots Wien und Innsbruck findet darum ein Umdenken statt
VON CHRISTIAN WILLIM
UND AGNES PREUSSER
Eine ältere Dame lädt auf
einer Asphaltwüste, wie es sie
in Österreich vor Supermärkten hundertfach gibt, die Wochenendeinkäufe in den Kofferraum ihres Autos und
ächzt: „Diese Hitze. Aber daran werden wir uns wohl gewöhnen müssen.“ Gewöhnen
wird schwierig. Denn die im
Zuge der Erderwärmung stetig steigenden Temperaturen
können tödlich sein, wenn sie
die Belastungsgrenzen des
Körpers überschreiten.
Das hat gerade eine vergangene Woche vom Barcelona Institute for Global Health
veröffentliche Studie gezeigt.
Demnach gab es im Vorjahr in
Europa über 47.000 Hitzetote
(siehe Grafik). Das war nach
2022 der höchste Wert, seit
solche Berechnungen 2015
gestartet wurden.
Das Expertenteam hat
aber auch modelliert, wie die
Entwicklung ohne bereits erfolgte Klimawandel-Anpas-
„Im Vordergrund stehen
Maßnahmen, die einen
langfristigen
Abkühlungseffekt
auf die Stadt haben“
Jürgen Czernohorszky
Wiens Klimastadtrat
sungsmaßnahmen wäre. Die
hitzebedingte Sterblichkeit
wäre demnach um 80 Prozent höher ausgefallen, so die
Schätzung. Und in der besonders gefährdeten Altersgruppe der über 80-Jährigen hätten doppelt so viele Menschen den Tod gefunden.
Umdenken findet statt
Sich einfach an die Hitze zu
gewöhnen wird schwer. Aber
sich so gut als möglich mit
verschiedenen Maßnahmen —
und das ist, die gute Nachricht — anzupassen, rettet Leben und macht es auch für
weniger gefährdete Menschen erträglicher. In Städten, die sich besonders stark
aufheizen und gleichzeitig
eine große Zahl an Menschen
beheimaten, ist die Notwendigkeit des Umdenkens inzwischen ins politische Verständnis eingesickert. Über
die Parteigrenzen hinweg.
So standen heuer im Frühjahr etwa in Innsbruck im
Vorfeld der Gemeindewahl
Vertreter des gesamten Parteie — von Grün,
über Rot, Schwarz bis Blau
und weitere Farben — parat,
um den Spatenstich zum Umbau eines Hitzepflasters im
Stadtteil Olympisches Dorf zu
setze:
n.
Auf einer bisher betonierten Fläche von 8.800 Quadratmetern sollen neue Grünflächen entstehen, Wasser
und neue Bäume für Kühlung
sorgen. Kurzum: Eine klimafitte Grün-Oase soll dort ent-
HITZETOTE IN EUROPA 2023
Pro Million Einwohner, geschätzt
Top 10
A 175
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Quelle: APA/nature medicine
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stehen, wo jetzt noch die Hitze kocht.
100 Millionen Euro
Am Wort „klimafit“ kommt
man in Wien auch nicht vorbei. Im Frühjahr verging keine
Woche, in der kein umgestalteter, klimafitter Platz eröffnet
wurde, „Wir bekämpfen die
immer stärker werdende Hitzeentwicklung mit einer Entsiegelungs- und Begrünungsoffensive historischen Ausma-
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Fakten
Heiße Tage
Die Zahl jener Tage,
an denen die 30-
Gradmarke geknackt
wird, hat sich in
Österreichs Landeshauptstädten im
Vergleich von 196 1-
1990 zu den Jahren
1991-2020 deutlich
erhöht. Innsbruck
liegt beim Jahresschnitt der Hitzetage
mit 23 (früher 16)
auf Platz eins, es
8),
Graz (17), Linz (16),
Salzburg (13),
Bregenz
Hitzetagen in einem
Jahr hält Innsbruck
Heiße Nächte
Folgen Hitzetagen
auch noch Tropennächte, in denen die
Temperaturen nicht
unter 20 Grad fallen
und somit die Erholung schwer fällt, ist
das für den Körper
besonders belastend. Sind heiße
Nächte im Tages-
Hotspot Innsbruck
aufgrund der kühlen
Bergwinde selten,
steckt Wien sehr
oft in dieser Doppelmühle. In der
Bundeshauptstadt
wurden heuer (bis
15.8.) bereits 27
Hitzetage gezählt.
Dazu wurden aber
ßes“, erklärte Planı -
rätin Ulli Sima (SPO) dazu bereits im Juni. Insgesamt sind in
dieser Legislaturperiode 100
Millionen Euro für klimafitte
und kühlende Maßnahmen
veranschlagt — darunter Begrünung, Wasserquellen,
Baumpflanzungen und eben
Umgestaltungen von Beton-
Hotspots wie dem Praterstern.
„Wir sehen nicht tatenlos
zu, wir tun etwas dagegen“,
sagt auch Innsbrucks Klima-
stadrätin Janine Bex (Grüne)
zur zunehmenden Belastung
der Bevölkerung durch die
steigenden Temperaturen,
Durch eine Stadtklima-Analyse sind die Hitzeinseln in Innsbruck bereits bekannt. „Darauf basierend wird durch
Maßnahmen wie zum Beispiel
Begrünung, Beschattung, Versorgung mit Trinkbrunnen
und Bodenentsiegelung
gegengesteuert“, so Bex.
Kochende Bergstadt
Was möglich ist, zeigt der Park
vor der Innsbrucker Messe im
Zwickel zwischen zwei in der
prallen Sonne liegenden Straßen. Hier wurden begrünte
Hügel geschaffen, auf denen
sich Hitzegeplagte im Schatten von alten und neuen Bäumen ausruhen. Die installierten Wasserelemente werden
von Kleinkindern wie Pensionisten zur Abkühlung genutzt.
Und das ist in der Bergstadt
Innsbruck dringlicher, als man
vielleicht meinen könnte.
Unter den Landeshauptstädten gibt es keine andere,
„Die Stadtklima-Analyse
zeigt erwartbare
Hitzeinseln. Darauf
basierend wird
gegengesteuert“
Janine Bex (Grüne)
Klimastadträtin Innsbruck
die im Schnitt mehr Hitzetage
pro Jahr verzeichnet. Der vom
Inn durchschnittene Talkessel
ist wie ein Kochtopf. Dafür
können die Innsbrucker zumindest in den Nächten aufatmen, wenn kühle Luft von den
Bergen in die Stadt strömt und
nur selten Tropennächte - also
mit 20 Grad und mehr — zulässt. Wien steckt hier hingegen in einer besonders belastenden Doppelmühle. 27
Hitzetagen folgten heuer bereits 20 Tropennächte.
Infos vorab
Neben langfristigen Maßnahmen, wie dem Ausbau der
Grünflächen, sorge man auch
für kurzfristige Lösungen, erklärt Bex’ Wiener Pendant Jürgen Czernohorszky (SPÖ). Gemeint sind etwa Nebelduschen
oder „Coole Zonen“, also kühle
Räume mit Temperaturen zwischen 20 und 24 Grad, die für
alle Menschen kostenfrei zugänglich sind, ohne etwas konsumieren zu müssen.
Essenzielles Puzzleteil, um
die Bevölkerung zu schützen,
sei aber auch der Wiener Hitzeaktionsplan. Dieser sieht
eine Informationskette vor,
damit die Bewohnerinnen und
Bewohner bereits vor dem
Auftreten von Hitzewellen
entsprechende Vorkehrungen
treffen können. So wird unter
anderem in Kooperation mit
der GeoSphere Austria (vormals ZAMG) auf bevorstehende gesundheitsbelastende Hitzewellen über stadteigene Me-
dien hingewiesen.