Pressespiegel seit 2021

Jahr: 2024

/ Ausgabe: 2024_08_18_Presse_OCR

- S.4

Suchen und Blättern in über 500 PDFs und 44.000 Seiten.





vorhergehende ||| nächste Seite im Dokument

Zur letzten Suche
Diese Ausgabe – 2024_08_18_Presse_OCR
Ausgaben dieses Jahres – 2024
Alle Ausgaben

Dieses Bild anzeigen/herunterladen
Gesamter Text dieser Seite:
Tiroler Tageszeitung

Reportage

DER STAUB DER
JAHRHUNDERITE

Tirols einziger Camposanto, der alte Teil des Westfriedhofs,
ist umgeben von hölzernen Arkadengängen. Drei Jahre lang
werden sie restauriert. Wo die Langsamkeit Priorität hat.

Text: Michaela S. Paulmichl - Fotos: Axel Springer

elena Halder-Zingerle steht hoch oben auf
einem Gerüst, in der
Hand ein Tuch. Nur mit
Wasser und etwas Seife putzt sie den
Staub von Jahrhunderten von den hölzernen Balken - gründlich, aber vorsichtig. Meter für Meter. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen haben noch viel vor
sich: Die rund einen Kilometer langen,
viereckig angeordneten Arkadengänge,
die den alten Teil des Innsbrucker Westfriedhofs umfassen, sind an manchen
Stellen so schwer in Mitleidenschaft gezogen, dass die Farben der Ornamente
an Haftung verloren haben. „Man kann
sie fast abblasen“, sagt Restaurator Günther Bergmann. Zum ersten Mal seit seiner Errichtung 1856 wird dieser Teil des
Friedhofs in Wilten umfassend restauriert. Drei Jahre lang dauern die Arbeiten, bei denen die Gänge, die Säulen aus
Breccie und auch Dutzende der Grabdenkmäler gründlich gereinigt werden.

Von Bomben getroffen

Die bereits behandelten, schon geölten
Stellen wirken heller, freundlicher, aber
nicht „wie neu“, und das ist durchaus so
beabsichtigt. Wer nach Abschluss der
Arbeiten mit aufmerksamem Blick hier
durchgehen wird, der wird feststellen
können: Die einzelnen Teile unterschei-

Wir erzählen die
Reparaturgeschichte
weiter.“

den sich voneinander. Wo die Arkadengänge am 20. Oktober und am 25. Dezember 1944 von Bomben getroffen, zerstört
und später erneuert wurden oder wo
durch andere Beschädigungen des Dachs
Wasser eintrat - diese Unterschiede sollen weiterhin zu erkennen sein.

„Wir erzählen hier die Reparaturgeschichte weiter“, sagt Markus Pescoller
von den Pescoller Werkstätten in Bruneck, die mit den Restaurierungsarbeiten
beauftragt wurden. In unterschiedlichen
Phasen waren im Laufe der Jahrzehnte
Teile ausgetauscht worden, die Restaurierung soll diese Zeitdokumente nicht verfälschen. Die Zeichen der Zeit, sie bleiben
erhalten. Der Besucher oder die Besucherin soll nach Abschluss der Restaurierung

Seite 4 von 7

den Eindruck gewinnen, die alten Arkaden wirken gepflegt, aber sie haben nicht
ihren Charakter verloren.

Der Westfriedhof ist einer von nur
drei so genannten Camposanto-Friedhöfen in Österreich, Campo santo - heiliges
Feld - ist die italienische Bezeichnung
für Friedhöfe, vor allem für jene, die von
einem Bogengang umschlossen sind.
Für Friedhofsleiter Alexander Legniti ist
er darüber hinaus ein „Freilichtmuseum
mit Denkmälern verschiedenster Kunstrichtungen“. Bis zum Ersten Weltkrieg
sei immer, wenn neue Grabdenkmäler
errichtet wurden, „diese Neuigkeit in der
Tageszeitung verkündet worden, und die
Leute kamen, um sich das Kunstwerk anzuschauen“, schildert er den „Friedhofstourismus“ früherer Zeiten.

Friedhofstourismus

Die große kulturelle Vielfalt nennt Günther Bergmann auch als einen Grund,
„weshalb die Arbeit hier so spannend ist“.
Da finden sich moderne Grabdenkmäler
neben historischen Monumenten und
wurden berühmte Töchter und Söhne
neben einfachen Bürgern begraben. Einige der Gedenkstätten sind beschädigt, so
fehlen einer Marienstatue die Hände, und
das einzige Holzbild ist nur noch in Fragmenten erkennbar. Spannend ist aber
auch immer die Entscheidungsfindung,
welche Techniken bei der Restaurierung
angewendet werden sollen, wie die unterschiedlichen Materialien reagieren.
Nichts ist vorgegeben.

Der Restaurator freut sich über einige bereits „sehr schöne Farbergebnisse“
—- auch wenn manches dauert. Ein Vogelnest in den Balken, wo gerade Küken geschlüpft sind, kann niemanden aus der
Ruhe bringen. Dann wird eben woanders
weitergearbeitet. Es gibt genug zu tun.