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Jahr: 2025

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Tiroler Tageszeitung

„‚Erinnern muss man ständig neu lernen“, (Kommentar) Seite 2

Von Michael Domanig

ranzniederlegungen, militärisches
B Gepränge, staatstragende Reden:

Rund um 80 Jahre Kriegsende (und
andere historische Wegmarken) finden in
Österreich heuer zahllose klassische Gedenkveranstaltungen statt - so auch gestern
in Innsbruck. Als Symbol sind diese natürlich absolut wichtig und richtig. Aber: Es
handelt sich doch um recht starre, schwerfällige, quasi ritualisierte Gedenkformen.
Gerade diejenigen, bei denen es am wichtigsten wäre - nämlich jüngere Menschen —,
kann man so kaum „abholen“.

Kommentar

Erinnern muss man ständig neu lernen

Um künftige Generationen für die Gefahren von Krieg und Diktatur zu sensibilisieren, müssen in der Gedenkkultur
neue Wege beschritten werden. Engagierte Initiativen in Tirol und Österreich zeigen vor, wie das funktionieren kann.

In wenigen Jahren werden auch die letzten Zeitzeugen, die Krieg und Nazidiktatur
miterlebten, verschwunden sein - und mit
ihnen der direkte Bezug zum Geschehen.
Zugleich steigt der Anteil der Menschen mit
Migrationsgeschichte, die in ihren Familien
naturgemäß kaum mit der NS-Historie konfrontiert werden. Umso wichtiger sind neue,
zeitgemäße Gedenkformen.

Erfreulicherweise ist hier gerade in Tirol
viel in Bewegung geraten: Der neue Gedenkort für den NS-Lagerkomplex Reichenau
— Baubeginn war diese Woche - bietet große
Chancen, würdiges Gedenken mit kritischer
Reflexion und aktuellen demokratiepoli-

tischen Fragen zu verbinden. Auf multimediale Vermittlung, an greifbaren lokalen
Beispielen festgemacht, setzen auch innovative Plattformen wie erinnern.at. Genauso
braucht es für eine lebendige Erinnerungskultur unkonventionelle, im positiven Sinne
irritierende Aktionen wie jene vom Montag,
als ein Felsbrocken aus einem Steinbruch,
der einst Hinrichtungsstätte für Deserteure
war, symbolisch vom Rand in die Mitte
Innsbrucks getragen wurde.

Weltweit ist autoritäres Gedankengut auf
dem Vormarsch, in echten Demokratien
lebt ohnehin nur eine kleine Minderheit —
wir haben das Glück, dazuzugehören. Dass

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dies keine Selbstverständlichkeit ist, sondern täglich neu erstritten, verteidigt und
mit Leben gefüllt werden muss, sollten wir
uns als Gesellschaft ständig klarmachen.
Das dafür unerlässliche Erinnern an
finstere, aber keineswegs ferne Zeiten muss
man immer wieder neu lernen
— vor allem, wenn man selbst
nicht mit dabei war.

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auf Seite 21

michael.domanig@tt.com