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KURIER

„Neuer Gedenkort für die Vergessenen“, Seite 17
17.10.2024

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ZEITTINNAENN AAAA/ANY

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Das Siegerprojekt des Gestaltungswettbewerbs für den Gedenkort liklnnau sieht unter anderem einen Pavillon in Größe der ehemaligen Lager-Baracken vor

Neuer Gedenkort für die Vergessenen

Innsbruck. Mindestens 114 Menschen starben im NS-Lager Reichenau. Nach jahrelangen
Debatten wurde nun das Siegerprojekt für einen würdigen Gedenkort präsentiert

VON CHRISTIAN WILLIM

Faschismus. Manch einer verdreht mittlerweile die Augen,
wenn er das Wort nur hört.
Das ist doch alles lange her.
Können wir es nicht einmal
gut sein lassen? Was hat das
alles mit uns zu tun?

Die Mechanismen, die ein
Terror-Regime wie den Nationalsozialismus hervorbringen
konnten, sind freilich heute so
brandgefährlich, wie sie es damals waren: Eine menschenverachtende Rhetorik, die
letztlich zu einer Entmenschlichung von jenen führte, die
von den Brandrednern als
Sündenböcke _ ausgemacht
wurden. Das schrittweise Aushöhlen von Demokratie und
Rechtsstaat, das in die Ausschaltung von Medien und
Parlamenten sowie letztlich in
Diktaturen mündete.

2025 wird sich das Ende
des Zweiten Weltkrieges und
damit der NS-Herrschaft
zum 80. Mal jähren. Innsbrucks Vizebürgermeister
und Kulturstadtrat Georg
Willi (Grüne) hofft, dass

„Wir schulden dieses
Erinnern den Opfern. Sie
haben es sich verdient.
Ihre Geschichte wurde
viel zu lange verdrängt“
Georg Willi (Grüne)
Vizebürgermeister

dann „ein wesentlicher Teil“
eines neuen Gedenkortes
umgesetzt ist, um den in der
Tiroler _Landeshauptstadt
seit Jahren gerungen wurde.

„Arbeitsbummelanten“

1941 errichtete die Gestapo
im Osten Innsbrucks im
Stadtteil Reichenau - damals
noch auf der grünen Wiese,
heute direkt an die zwei
größten Wohnbezirke angrenzend - ein Lager, in dem
einheimische und ausländische „Arbeitsbummelanten“
interniert und im Sinne der
NS-Arbeitsmoral „umerzo-

gen“ werden sollten.

Später wurde das
„fl"b?il"trn:‘ . g 1 g k
auch zur _Inhaftierung

politisch Verdächtiger oder als
Durchgangsstation für Juden,
die in Konzentrationslager gebracht wurden, genutzt. Mindestens 114 Menschen haben
die unmenschlichen Bedingungen im Lager Reichenau
mit ihrem Leben bezahlt.

Eine Geschichte, „die viel
zu lange verdrängt wurde“,
wie Willi Dienstagabend bei
der Präsentation der Wettbewerbsergebnisse für einen
neuen „Gedenkort Reichenau“ im Innsbrucker „Weisraum“ bekannte. Dort wo ursprünglich das Lager stand,
befindet sich heute das größte Gewerbegebiet der Stadt.

Nur ein Gedenkstein aus
dem Jahr 1972, dessen Inhalt noch dazu nicht korrekt
ist, erinnerte bisher an die
Leiden der rund 8.500 Menschen, die in den 1940er-Jahren in dem Gestapo-Lager
festgehalten wurden. Der
Standort könnte unwürdiger
nicht sein: direkt neben dem
städtischen Recyclinghof.

Zur Neugestaltung des
Gedenkens an die Opfer des
Lagers Reichenau wurde von

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der Stadt ein internationaler
Gestaltungswettbewerb ausgerufen, der vom Designforum „Weisraum“ begleitet
wurde. Dort werden nun die
sechs Einreichungen inklusive Siegerprojekt präsentiert.
„Wir schulden dieses Erinnern den Opfern und jenen, die Widerstand geleistet
haben“, hielt Kulturstadtrat
Willi fest. Aus Sicht des Jury-
Vorsitzenden Roland Gnaiger muss man aber auch die
Frage stellen: „Warum musste es 80 Jahre dauern?“
Gnaiger macht kein Hehl
daraus, dass er für ein anderes der eingereichten Projekte gestimmt hatte, als jenes,
das mit 10:2 Stimmen zum
Sieger gekürt wurde. Er sieht
nun aber „ein Ergebnis, das
endlich diesen Ort würdigt.“
Die neue Gedenkstätte ist
am Inn nahe dem Lager-
Standort in einem Grünstreifen geplant. Die Arbeitsgemeinschaft Bablick-Denzer-
Machat-Schlorhaufer-
Zschiegner hat unter anderem einen Pavillon entworfen,
in dem eine Ausstellung die

Geschichte des Lagers aufbereiten soll, die Historiker im
Zuge des Projekts aufgearbeitet haben. Die Grundmaße
des Pavillons entsprechen jener einer Normbaracke aus
der NS-Zeit - ein Verweis auf
die engen Raumverhältnisse,
in denen die im Lager Internierten leben mussten.

Namenssteine
Die Namen jener 114 Personen, von denen man inzwischen weiß, dass sie den Terror nicht überlebt haben, sollen auf entlang dem Ufer aufgestellten Stelen zu sehen
sein. Diese Namenssteine werden wie auf einer Zeitachse
entsprechend der Todesdaten
der Opfer angeordnet. Auch
einen Audioweg zur weiteren
didaktischen _ Vermittlung
sieht der Siegerentwurf vor.
Der Gemeinderat hat diesen bereits im heurigen Juni
diskutiert. Dabei gab es auch
Debatten über die Höhe der
Kosten. Ursprünglich wurden 700.000 Euro beschlossen, nun sei man bei 1,3 Millionen Euro, hieß es damals.

ARGE BABLICK-DENZER-NACHAT-SCHLORMAUF ER-Z SC HIE GNER