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KURIER

„Von Transcherlgeld, Äpfel und Birnen“, Seite 18

15.11.2024

Von Transcherlgeld, Apfeln und Birnen

Steiermark. Sondersitzung des Grazer Gemeinderates wegen des FPÖ-Finanzskandals.
Ex-FPÖ-Vizebürgermeister Eustacchio zitiert aus dem jüngstem Finanzgutachten der Justiz

VONELISABETH HOLZER-OTTAWA

Kaum hat Bürgermeisterin
Elke Kahr (KPO) die Sondersitzung eröffnet, marschiert
Mario Eustacchio auch schon
zum Rednerpult. Was in der
Gemeinderatssitzung gesagt
wird, werde aufgenommen,
erinnert Eustacchio, bis
Herbst 2021 Vizebürgermeister und FPO-Stadtparteiobmann in Graz: „Möglicherweise gibt es in dieser
Debatte heftige Auseinandersetzungen und inkriminierende Außerungen“, warnt
Eustacchio, mittlerweile wilder Gemeinderat. „Das wäre
dann mitgeschnitten.“

Und merkt an, dass derzeit auch „illegale Mitschnitte“ die Runde machten. Das
zielt auf drei Tonbänder ab,
längst „Würstelstandgate“
genannt, wo der frühere Finanzdirektor der FPO Graz

„Braucht es neben der
üppigen Parteienund Klubförderung
noch ein zusätzliches
Spesenkonto?“

Philipp Pointner
Neos

darüber ausgehorcht wird,
wer denn so alles über die
FPÖ-Finanzaffäre gewusst
haben könnte.

Genau um diese dreht
sich der Sondergemeinderat,
im Mittelpunkt steht zwangsläufig Eustacchio: Er trat vor
drei Jahren von allen politischen Amtern zurück, nachdem mutmaßlich missbräuchliche _ Verwendung
von Fördergeldern bekannt
wurde. Um bis zu 1,8 Millionen Euro soll es insgesamt
gehen, so der Vorwurf.

Seit drei Jahren ermittelt
die Staatsanwaltschaft, das
Verfahren ist mittlerweile in
viele Stränge verästelt,
darunter auch mehrere in
die Landes-FPÖ — Stichwort:
Hausbau des FPO-Landesobmannes Mario Kunasek.
Doch zurück zum Kern und
dem Ausgangspunkt aller
Turbulenzen, den Verfü-

APA/ERWIN SCHERIAU

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V

Mario Eustacchio stand im Mittelpunkt der Sondersitzung

gungsmitteln und Klubförderungen in der Stadt.

Im Vorjahr monierte der
Stadtrechnungshof, dass es
derzeit de facto keinerlei
Kontrolle gibt, wie Stadträte
oder Klubs ihre Verfügungsmittel einsetzen. Auffallend
daran: Bis Anfang der
2000er-Jahre war diese
Kontrolle durch den Stadtrechnungshof sehr wohl vorgesehen. Konkrete Vorgaben,
wie diese Verfügungsmittel
zu verwenden sind, gibt es

bis auf eine Bürgermeister-
Richtlinie aus 1997 zudem
keine. Das macht ihren Einsatz dehnbar: So soll Eustacchio als Stadtrat Reisen oder
Faschingskostüme damit bezahlt haben, Stadtsenatskollegen anderer Fraktionen Geschäftsessen oder Sitzbänke.

Alexis Pascuttini, Klubchef der FPÖ-Abspaltung
KFG, zerpflückt vor allem die
Ausgaben, die über Eustacchios Büro abgerechnet worden sein sollen: „Aussee

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Ablauf

Rücktritte

Am 31. Oktober
2021 geben Mario
Eustacchio, damals
FPÖ-Stadtparteiobmann in Graz, sowie
Klubobmann Armin
Sippel ihren Rückzug
aus der Politik
bekannt. Zuvor
wurde bekannt, dass
es möglicherweise
missbräuchlich
verwendete Klubfördergelder und Extra-
Gagen geben soll

Selbstanzeige

Der bisherige Finanzdirektor Matthias
Eder erstattet
Anfang November
2021 Selbstanzeige
wegen nicht
ordnungsgemäß
verwendeter Steuergelder und hinterlegt
rund 700.000 Euro
an Schadenswiedergutmachung

Ermittlungen

Im Dezember 2021
dehnt die Staatsanwaltschaft die
Ermittlungen infolge
anonymer Anzeigen
auch auf Eustacchio
und Sippel aus. Mittlerweile wird gegen
acht Verdächtige
ermittelt, unter
ihnen auch FPÖ-
Landesparteiobmann
Mario Kunasek

2015 — 120 Euro, Innsbruck
— 400 Euro. Klären Sie mich
auf, ist Innsbruck der 19. Bezirk von Graz?“ Auch Fotoalben, Theaterkarten oder
ein Englischkurs tauchten
laut Pascuttini ebenso auf
wie eine Vakuumpumpe
oder Barauszahlungen an
einen Steuerberater.

Gegen Schluss der Sondersitzung geht Mario Eustacchio noch einmal ans Rednerpult, verwehrt sich gegen
„inquisitorisch operierende

Medien“ und zückt Auszüge
aus dem jüngsten Finanzgutachten der _Staatsanwaltschaft. Es liege seit Dienstag
vor: Demnach halte der Gutachter fest, dass „davon auszugehen sei“, dass Eustacchio
„die Mittel bestimmungsgemäß verwendet“ habe.

Äpfel und Birnen

„Das sagt alles“, kommentiert Eustacchio und rechnet
vor, von seinem Stadtratskonto seien 2015 bis 2021
546.282 Euro verwendet
worden, aber 572.000 Euro
an Mitteln eingegangen. „Ich
habe wie andere Stadtsenatsmitglieder die Mittel bei
der Stadthauptkasse angefordert. Der Stadtrechnungshof hätte jederzeit prüfen
können, aber in den 13 Jahren meiner Zeit hat er es
nicht getan.“ Zudem seien
auf sein Stadtratskonto auch
Gelder der FPO geflossen.
„Da werden also Apfel mit
Birnen verglichen. Birnen —
die Mittel der FPO, Apfel —
die städtischen Mittel.“

Doch brauche es wirklich
neben der „üppigen Parteienund Klubförderung noch ein
zusätzliches Spesenkonto?
Ein Spesenkonto, das alles
möglich macht, was man sich
vorstellen kann?“ fragt indes
Neos-Gemeinderat Philipp
Pointner und fordert die
ersatzlose Streichung des
„Transcherlgeldes“. Immerhin gehe es da um 1,1 Millionen Euro pro Gemeinderatsperiode.

Die anderen Parteien
sind gegen die Streichung
und wollen Regeln für die
Verwendung beschließen,
„Grazer Transparenzpaket“
genannt. So müsse festgehalten werden, wofür das Geld
verwendet wird und was es
mit der „städtischen Aufgabenstellung“ zu tun habe.
Kontrolliert werden soll dies
von der Magistratsdirektion,
was allerdings wiederum
Fragen aufwirft: Politisch ist
sie dem Bürgermeisteramt
unterstellt, doch auch der jeweilige Stadtchef oder jeweilige Stadtchefin hat Zugriff
auf Verfügungsmittel.