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Tiroler Tageszeitung

„Ein fast vergessener Aufstand“, Seite 17

Ein fast vergessener Aufstand

Vor 500 Jahren rebellierten die Bauern in Tirol.

Historiker Robert Rebitsch hat die Geschichte

der Aufstände umfassend aufgearbeitet - und

zeichnet ein differenziertes Bild von Michael
Gaismair und seiner Zeit.

Von Michael Domanig

Innsbruck —- Der Tiroler Bauernaufstand von 1525 jährt

Er war zwar das Gesicht der Bauemaufstände - ein zeitgenössisches Bild von

Michael Gaismair existiert allerdings nicht. Dieses Historiengemälde von Rafael Thaler

1982 vom Restaurator

im Rathaus Brixen wurde

zu nehmen. Über 50% der
von den Bauern formulierten
Beschwerdeartikel (s. unten)
fanden ins Gesetzeswerk der
Tiroler Landesordnung Eingang. So kehrte langsam Ruhe
ein - nicht aber bei Gaismair,

sich heuer zum 500. Mal — Johann Peskoller neu _ der den Kampf fortführte.

doch vom beginnenden Ge- gemalt. u

denkjahr ist noch wenig zu - B Fobo: Manuela de Betin/ „Staatsfeind Nummer eins
Stactgemende San

spüren. Wie überhaupt im öffentlichen Tiroler Raum kaum
etwas an die damaligen Ereignisse erinnert - abgesehen
von einigen nach Bauernführer Michael Gaismair benannten Straßen.

Dabei lohnt eine nähere Beschäftigung mit der facettenreichen, komplexen Geschichte allemal — wie der Tiroler
Historiker Robert Rebitsch in
seinem neuen, faktenreichen,

w

‚ Gaismair war nie

strikt an den
historischen
Quellen orientierten Buch aufzeigt: Fünf Jahre hat
er intensiv an „Rebellion 1525. Michael Gaismair und der Aufstand der
Tiroler Bauern“ gearbeitet.
Eingebettet in den größeren historischen Kontext,
beschreibt Rebitsch die brisante Ausgangslage in der
Grafschaft Tirol, die zu den
Aufständen führte: die katastrophale Finanzlage (ein Erbe Maximilians I. und seiner
vielen teuren Kriege), heftige
Konflikte rund ums Thema

Aus der Haft in Innsbruck
flüchtete Gaismair zu Reformator Ulrich Zwingli in
die Schweiz, wo
er 1526 seine
berühmte, oft
als revolutionär bezeichnete
Landesordnung
entwarf — Stichwort: Abbau der
Privilegien von Adel
und Klerus. Wobei
Rebitsch auch hier einschränkt: Viele von Gaismairs Forderungen finde man
so ähnlich schon bei früheren
Bauernaufständen.
Gaismairs weiteres Leben
verlief äußerst bewegt: Er unterstützte die aufständischen
Bauern im salzburgischen
Radstadt, verdingte sich später
als Söldner in venezianischen
Diensten und hegte auch als
Privatier in Padua weiter An-

Anführer eines Jagd, Naturkatastrophen und griffspläne gegen Tirol.
Gesamttiroler Bauern- eklatanter Getreidemangel, Landesfürst Ferdinand ließ
E dazu eine desaströse Sicher- N N richtung eines gewissen Pe- Und dem Tiroler Landes- ihn, quasi als „Staatsfeind
g;"z‘;"f e‘s" . h£?{‘"” heitslage. Zugleich geriet un- Plötzlich Bauernführer ter Pässler in Brixen (heutiges fürsten und späteren Kai- Nr. 1“, hartnäckig verfolgen.
ieb lokal begrenzt. ter dem Einfluss der Lehre Konkreter Auslöser des Bau- Südtirol), dessen Familie der ser Ferdinand, der anderswo Nach mehreren Attentatsver-

Robert Rebitsch
(Historiker, Uni Innsbruck)

Luthers der alte katholische
Glaube unter Druck.

ernaufstandes war dann am
9. Mai 1525 die geplante Hin-

Bauernaufstand 1525/26 - Hintergründe und Forderungen

Fürstbischof die Fischereirechte entzogen hatte. Pässler
wurde von empörten Bauern
befreit, die dann zu Tausenden Brixen und das nahe Kloster Neustift plünderten.

Lage in Tirol vor den Bauern- Damit betrat Michael Gaisaufständen: hohe Verschuldung mair die große Bühne: 1490 in
der Grafschaft, Machtvakuum Tschöfs bei Sterzing geboren,
nach dem Tod von Kaiser Maxi- Bergbauexperte und Verwalmilian |., prekäre tungsbeamter mit profunden
mit Mord und Raub, Streit um Rechtskenntnissen, wurde er
Jagdrechte, Naturkatastrophen — eine erstaunliche Entwick-

(Hochwasser, Erdbeben), Einzug
der Reformation in Tirol. Schon

lung - binnen vier Tagen vom
Schreiber des Fürstbischofs

durchaus auf brutale Härte
setzte, gelang es in Tirol durch
geschickte Direktverhandlungen mit Bauern und Bürgern
(Bauernlandtag), dem Aufstand viel Wind aus den Segeln

suchen wurde Gaismair am
15. April 1532 in Padua von
Auftragskillern mit 42 Messerstichen ermordet. Für Ferdinand war das Kapitel Bauernaufstand damit beendet.

vor dem Aufstand gibt es eine zum Anführer („Obristen Feld-
Vielzahl an Beschwerden der hauptmann“) der Bauern.
HNLEL Verhandeln und kämpfen
Anlassfall: Am 9. Mai 1525 Die Unruhen erfassten auch
soll Peter Pässler aus Antholz in das nördliche Tirol, wie Re-
Brixen hingerichtet werden, nach- bitsch am Beispiel von Hall
dem ein Konflikt über den Entzug oder der Besetzung von Stift
von Fischereirechten durch den Stams aufzeigt. Zugleich stell-
Brixner Fürstbischof Sprenz te der Historiker anlässlich der
immer weiter eskaliert war. Buchpräsentation im Landes-
Hunderte Bauem und Bürger be- archiv klar: „Gaismair war nie
freien Pässler - der Auftakt zum Anführer eines Gesamttiroler ü
Aufstand. Am 13. Mai, nach der Bauernaufstandes“ — sein Ein- In Innsbruck (Bild), Telfs und Wörgl gibt es Michael-Gaismair-Straßen -
Plünderung des Klosters Neustift, fluss blieb lokal begrenzt. ansonsten mangelt es an öffentlichen Erinnerungszeichen. Foto: Domanig
wählen die versammelten Bauern Auch beim Salzburger Bauernkrieg (1526) mischte Gaismair mit - hier
Michael Gaismair (1490-1532 eine Illustration aus einem spöttischen Flugblatt. — foto: Wikimedia Commens
zum „Obristen Feldhauptmann“.
Schadwild), die Nutzung des Ge- im Forschungsmanagement

Was forderten die Bauern? meindeguts (Wald und Wiesen) der Uni Innsbruck und ist
Historiker Robert Rebitsch hat 31 oder die Öffnung von Gewässem Lehrbeauftragter am Institut für
Beschwerdeartikel von Bauem für die Fischerei. Thema waren Geschichtswisaus ganz Tirol im Jahr 1525 aus- aber auch Frondienste für den senschaften REÜH-UO
gewertet: Ein zentrales Problem Grundherm oder religionspoliti- _ und Europäi- w « ‚_"
war demnach die Last durch zu sche Forderungen wie jene nach sche Ethnolo- ‚) )
hohe Abgaben an Grundherren _ Predigten auf Deutsch oder der S i
und Kirche, Zölle und Gerichts- freien Pfarrerwahl. 1525“ ist im n

. Wesentliche Forde- Tyrolia-Verlag
rungen betrafen auch die Jagd Zum Autor: Robert Rebitsch, erschienen.

(z.B. besseres Vorgehen gegen

geb. 1968 in Brixiegg, arbeitet

Fotn: Tyrotia

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