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Jahr: 2025

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Tiroler Tageszeitung

„Als Hass und Verfolgung den Ton angaben“, Seite 21

Als Hass und Verfolgung
den Ton angaben

Zum Holocaust-Gedenktag am 27. Jänner erinnert ein Abend im
Treibhaus Innsbruck an den jüdischen Jazzpianisten Alfred Hochhaus.

Innsbruck, Telfs — Anlässlich
des Internationalen Holocaust-Gedenktages findet am
Montag, den 27. Jänner, ab
19 Uhr ein besonderer Abend
im Innsbrucker Treibhaus
statt - in Erinnerung an den
aus Tirol vertriebenen, von
den Nazis ermordeten Alfred
Hochhaus (1909-1941). Ein
breites Spektrum von Institutionen, darunter die Israelitische Kultusgemeinde, das
Ferdinandeum und das Gemeindemuseum Absam, lädt
bei freiem Eintritt dazu ein.

‚ Die Idee wäre,
jährlich am 27. Jänner ein Jazzkonzert mit
internationaler Beteiligung zu etablieren.“

Matthias Breit
(Gemeindemuseum Absam)

Alfred Hochhaus, der aus
einer jüdischen Familie in
Wien stammte, lebte seit 1931
in Telfs - er arbeitete in einer
Textilfabrik, brillierte als Jazzpianist und Amateurfußballer,
war bestens integriert.

Doch 1939, nach der NS-
Machtergreifung und den Novemberpogromen von 1938,
musste Hochhaus im Zuge der
forcierten antijüdischen Verfolgung und Entrechtung Tirol
verlassen und nach Wien zurückkehren.

Ab Herbst 1939 verstärkte SS-Obersturmbannführer
Adolf Eichmann, Leiter der
„Zentralstelle für jüdische
Auswanderung in Wien“, den
Druck auf die jüdische Gemeinschaft. Monatelang wartete Hochhaus - wie Tausende
andere - auf eine Chance zur
Auswanderung. Schließlich
gelang es ihm, einen Platz in
einer von zionistischen Hilfsorganisationen zusammengestellten Zwangsauswande-

Alfred Hochhaus, hier als Pianist einer Jazzband, musste Tirol 1939 verlas-

sen. 1941 wurde er von Wehrmachtssoldaten ermordet. Foto: Privatarchiv Stefan Dietrich

Über 800 Jüdinnen und Juden des „Kladovo-Tränsports“ strandeten in Serbien - und wurden dort von der Wehrmacht eingeholt. Foto: USHMM Washington

rergruppe zu bekommen. Ihr
Ziel: Palästina.

Doch in drei Schiffen schafften es die Flüchtlinge, die über
die Donau zum Schwarzen
Meer gelangen wollten, nur
bis zur jugoslawisch-rumänischen Grenze beim Eisernen
Tor. Dort wurde ihnen der
Übertritt untersagt. Monate-

lang steckten sie unter furchtbaren Bedingungen und voll
Ungewissheit im Winterhafen
Kladovo fest.

1941 wurden die Jüdinnen
und Juden dann von den Truppen der Wehrmacht eingeholt,
die den Balkan besetzten. Die
Männer des „Kladovo-Transports“, darunter Hochhaus,

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wurden ins KZ Sabac überstellt
und am 12. und 13. Oktober
1941 von Einheiten der Wehrmacht unter dem Befehl des
Österreichers Franz Böhme erschossen. Die Frauen wurden
1942 im KZ SajmiSte vergast.
Von 822 Flüchtlingen überlebten nur rund 200 Jugendliche
und wenige Erwachsene.

Jazz — verfemt und verpönt

Die Geschichte von Alfred
Hochhaus sei beispielgebend
dafür, wie Jüdinnen und Juden „biologisch konstruiert
zum Feindbild gemacht wurden“, sagt Matthias Breit vom
Gemeindemuseum Absam.

Aber auch die Tatsache, dass
Hochhaus Jazzmusiker war,
spielt am 27. Jänner im Treibhaus eine große Rolle. Neben
einem Hörbild über Hochhaus
und Statements der Veranstalter gibt es auch eine Videobotschaft des israelischen
Jazzpianisten Omer Klein, die
Tiroler Formation Triol featuring Florian Bramböck spielt
zum Livekonzert auf.

Auch wenn er von der offiziellen Musikgeschichtsschreibung nicht berücksichtigt
wurde, habe Jazz in Tirol eine
„nicht unbeträchtliche Rolle in Cafes und Gasthäusern
gespielt“, betont Franz Gratl,
Kustos der Musiksammlung
des Ferdinandeums. Mit der
Machtergreifung der Nazis erfolgte auch hier ein Bruch: Jazz
wurde „verfemt und verpönt“
— wobei sich in Tirol Gauleiter
Franz Hofer persönlich für die
Förderung der „Tiroler Volkskultur“ einsetzte.

Vor diesem kulturhistorischen Hintergrund wäre die
Idee, in Tirol jährlich am 27.
Jänner ein international besetztes Jazzkonzert zu etablieren, sagt Breit - „um so auch
von erstarrten Gedenkformeln
wegzukommen“. (md)