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Jahr: 2025
/ Ausgabe: 2025_07_20_Presse_OCR
- S.8
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Tiroler Tageszeitung
„Der Wohnungsmarkt ist ein Haifischbecken“
Laurin Z. wohnt in einer 128 m? großen Innsbrucker Stadtwohnung. „Ich bin 24 Jahre alt, arbeite Vollzeit und studiere
nebenher Jus. Derzeit lebe ich in der Stadtwohnung meiner
Familie, in der ich aufgewachsen bin - sie ist zu groß, zu teuer. Laut Wohnungsvergabe muss ich für eine kleine mindestens drei Jahre warten. Jetzt kostet die Wohnung monatlich
1250 Euro Miete ohne Betriebskosten. Für dieses Geld könnte
man sich eine Rate für Eigentum leisten, aber dazu braucht
man mindestens 20 Prozent Eigenmittel. Mein Ziel wäre
Eigentum, aber aufgrund absurder Quadratmeterpreise und
eng gefasster Kriterien fallen die meisten Objekte ohnehin
durchs Raster, und mehr als eine Zweizimmerwohnung ist
fast nicht drin. Als junger Tiroler frustriert mich das. Tirol ist
dabei, für die eigene Bevölkerung unbewohnbar zu werden.“
ngebot: „500 kg Kohlen demjenigen, der
einer stabilen, kinderlosen Partei zu einer
Wohnung, 1-2 Zimmer und Küche, ab
sofort oder später verhelfen kann“. Diese Annonce aus dem Jahre 1920, die an
eine Partnerschaftsanzeige erinnert,
findet sich in der Ausstellung „Suche
Wohnung! Von der Baracke zum Leerstand“ im Innsbrucker Stadtarchiv. Der
Ton der Inserate hat sich in der Dringlichkeit selbst über ein Jahrhundert
Gesellschaft
nicht wesentlich geändert. 2020 liest
sich das so: „Seriöse ältere Dame mit
Der Anteil
ruhigem Hund sucht günstige Woh-
nung mit Garten, auch abgelegen, Auto dCS Eil‘lvorhanden“.
kommens,
Innsbruck wirkt wie Brennglas
Das Wohnen und vor allem das Fehlen d€n man
von günstigem Wohnraum beherrschen
schon lange die Debatte. Das zeigen die
fürs Woh-
gesammelten Wahlplakate der unter-
schiedlichsten politischen Parteien, die
nen ausge-
Ideologie mag sie trennen, doch diese
Forderung eint sie. ben MUuUSS,
Obwohl das Anliegen schon lange auf %+
der Agenda steht, hat es nichts an Brisanz lSt Stark
verloren - ganz im Gegenteil: 1951, also :
sechs Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, ge Stlegen ®
betrug das Bruttoeinkommen von ArbeiterInnen durchschnittlich 1200 Schilling,
der Anteil der Wohnkosten für eine Dreizimmerwohnung lag bei 11,2 Prozent.
Im Jahr 2025 beträgt das Bruttoeinkommen von ArbeiterInnen durchschnittlich
2940 Euro, doch mittlerweile muss man
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„In Gemeinschaft alt werden“
Andrea B. lebt mit ihrem Partner in einem
500 Jahre alten Haus mit sechs Parteien
in Sistrans. Die Wohnung und die darunterliegende Werkstatt sind gemietet. Vor 20
Jahren hat sich die Künstlerin und Keramikerin hier niedergelassen. Die Kinder sind
erwachsen und ausgeflogen. 0b sie mit
ihrer Wohnsituation zufrieden ist? „Ich bin
einfach unheimlich glücklich hier. Es ist ein
guter Platz.“ Für den akzeptablen Mietpreis
im Innsbrucker Speckgürtel heißt es, Substandard in Kauf zu nehmen. Im Winter wird
früh morgens der Kachelofen eingeheizt.
Im Fensterkasten zwischen den zwei Glasscheiben sorgt Wolle für Dämmung. Aus
ihrem Umfeld weiß sie, dass jJunge Menschen über die Hälfte ihres Einkommens
fürs Wohnen ausgeben. In Miete zu wohnen,
bringt auch den Nachteil von möglichen
Kündigungen mit sich. Baumann denkt oft
über Generationenprojekte und Alters-WGs
nach. Ihr Wunsch ist es, „in Gemeinschaft
alt zu werden“.
© AXEL SPRINGER (2)