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Jahr: 2025
/ Ausgabe: 2025_02_3_Presse_OCR
- S.8
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Tiroler Tageszeitung
„Ein Rechtekatalog für Obdachlose“, Seite 16
Ein Rechtekatalog
für Obdachlose
Stadt Innsbruck bekennt sich zur „Homeless Bill of
Rights“ - und verspricht mehr als nur Symbolpolitik.
Von Michael Domanig
Innsbruck - Rund 50 Menschen leben in Innsbruck
Schätzungen zufolge aktuell
auf der Straße. In den weitgehend ausgelasteten Notunterkünften wohnen bzw. nächtigen teils auch Menschen,
die berufstätig sind, aber kein
leistbares Dach über dem Kopf
finden. Kurz gesagt: Es besteht
Handlungsbedarf.
Als Signal hat der Innsbrucker Gemeinderat in seiner
jüngsten Sitzung nun durch
den Beschluss der so genannten „Homeless Bill of Rights“
ein Bekenntnis zu grundlegenden Rechten obdachloser
Menschen abgelegt. Der Katalog mit elf Rechten, formuliert
von einer europäischen Dachorganisation von Obdachloseneinrichtungen, umfasst
etwa das Recht auf Wohnen,
den Zugang zu angemessenen Notunterkünften, das
Recht auf grundlegende sanitäre Einrichtungen, eine Postanschrift oder Notfalldienste.
Auftakt am 14. Februar
Die Unterzeichnung der „Bill
of Rights“ ist der Startschuss
für einen breit angelegten Beteiligungsprozess mit Stadtpolitik und -verwaltung, Vertretern der „AG Wohnen“
(Zusammenschluss von Einrichtungen der Wohnungslosenarbeit), Land, Gemeindeverband, Bauträgern und
anderen. Start ist am 14. Februar. Im Fokus stehen drei
Bereiche: Obdachloseneinrichtungen (Qualität, Bedarf,
Infrastruktur), „Sicher wohnen“ (Prävention, Beratung,
Versorgung) sowie eine langfristige Strategie im Umgang
mit obdachlosen Menschen.
In allen drei Bereichen sollen am Ende konkrete Maßnahmenpakete samt Zeit- und
Finanzierungsplan stehen, betont Sozialstadtrat Georg Willi
(Grüne) - bei der Zukunft der
Obdachloseneinrichtungen
bereits bis Sommer.
Tenor im Gemeinderat: Es
dürfe hier nicht bei „Lippenbekenntnissen“ und Symbo-
lik bleiben, vielmehr gelte es,
raschestmöglich in die Umsetzung zu gehen. Konkrete
Schritte brauche es vor allem
beim Ausbau des „Housing
First“-Prinzips: Wohnungslose, „wohnfähige“ Menschen
sollen aus Notunterkünften
bzw. Notschlafstellen in eigenständige, leistbare Wohnformen gebracht werden.
‚ ‚ Es geht vor allem
auch darum, wie
Menschen aus Notunterkünften in sichere
Wohnformen kommen.“
Georg Willi
(Sozialstadtrat)
Von Teilen der Opposition
kam dabei erneut die Forderung, auch - vorübergehenden —- Leerstand im Bereich
der öffentlichen Hand für
Übergangswohnungen zu
nützen. Willi kündigte u.a. an,
dass dem Verein „lilawohnt“,
der Frauen und Kindern bei
Wohnungsnot hilft, zeitnah
eine weitere Tranche an Wohnungen zur Verfügung gestellt
werden soll.
Wohnungslosigkeit ist auch und gerade in der Hochpreis-Stadt Innsbruck
In der Debatte gab es auch
Kritik: Die FPÖ stimmte zwar
dem Großteil der in der „Bill
of Right“ fixierten Punkte zu,
nicht aber der Erklärung insgesamt. Stadtrat Markus Lassenberger sieht einige Aspekte im
Widerspruch zu landes- und
bundesgesetzlichen Regelungen, etwa wenn es heißt, dass
Betteln oder das Suchen nach
weggeworfenen Lebensmitteln nicht „kriminalisiert“ oder
„willkürlich auf bestimmte
Bereiche beschränkt werden“
dürfe.
Aggressives Betteln sei mit
gutem Grund verboten, meint
Lassenberger dazu. Und auch
wenn weggeworfene Lebensmittel besser verwertet werden müssten, sei es polizeilich
zu ahndender Diebstahl, wenn
etwa bei einem Supermarkt
Waren aus Mülleimern entnommen werden.
Andere Oppositionparteien wie ALi und KPÖ sprachen
sich hingegen für die Aufhebung bestehender (Alkoholund Nächtigungs-)Verbote
aus, mit denen obdachlose
Menschen aus dem öffentlichen Raum verdrängt würden.
ein brennendes Thema - nun startet dazu ein breiter ProzessS. _ Foto: Springer/TT
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