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Jahr: 2025
/ Ausgabe: 2025_02_6_Presse_OCR
- S.4
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Tiroler Tageszeitung
„Nach Baum-Tragödie soll Invalide auch noch zahlen“, Seite 5
Nach Baum-Tragödie soll
Invalide auch noch zahlen
Ein Baum, der auf den Schulweg stürzte, zerstörte das Leben einer 49-Jährigen.
Jetzt wird die Schwerversehrte auch noch exekutiert und klagt erneut.
Von Reinhard Fellner
Innsbruck —- Wie jeden Tag
begleitete die einst in der
Innsbrucker Ing.-Etzel-Straße
wohnhafte Semira Camdzic
am 22. März 2021 ihren damals siebenjährigen Sohn in
Richtung Siebererschule. Ein
Tag, der das Leben der heute
49-Jährigen für immer veränderte. Denn auf dem Weg hörte die Frau plötzlich von links
ein Knacken. Mit einem Blick
zur Seite sah sie dann schon
eine 17 Meter hohe Rubinie
auf sich zustürzen. Geistesgegenwärtig gelang es der Mutter noch, den Siebenjährigen
zur Seite zu schubsen. Ihre
Erinnerung setzt dann erst
wieder in der Klinik ein. Der
Treffer durch den Baum endete für die lebensbedrohlich
Verletzte fatal: 47 Tage lag sie
im Koma und musste später
Monate zur Rehabilitation
ins Krankenhaus nach Hochzirl. Ein Schädelbruch konnte
nur mehr mit zwölf Metallplatten im Kopf saniert werden. Sechs Kopf-Operationen
musste Frau Camdzic seither
über sich ergehen lassen. Vieles musste sie komplett neu
erlernen. Bis heute fühlt sich
ihre rechte Körperhälfte aber
taub an, bis hin zum Auge,
welches ständig austrocknet,
Anwalt Armin Exner sieht ein Fehlgutachten als Grund für die Entlastung
der Stadt Innsbruck und klagt nun vorerst 104.627 Euro ein.
und einer insgesamt eingeschränkten Sehleistung, die
nun immer wieder für Stürze
mit Knochenbrüchen sorgt.
Lange an den Rollstuhl gefesselt, bot die Stadt Innsbruck
ihrer Bürgerin für die Tragödie
einst vergleichsweise 15 Euro
Unterstützung am Tag und
die Aussicht auf eine Stadtwohnung im Parterre an.
Zu wenig und zu spät: So
konnte das Angebot hinsichtlich der unabsehbaren Spätfolgen nicht angenommen
werden und der Zuschlag für
die Stadtwohnung erfolgte
knapp drei Jahre nach dem
Unglück. Ein Zeitpunkt, an
dem das Unglücksopfer schon
lange gezwungen war, in die
unmittelbare Nähe ihrer er-
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Foto: Fellner
wachsenen Tochter zu ziehen.
Inzwischen klagte Rechtsanwalt Armin Exner die Stadt auf
Schadenersatz und bot dafür
auch das Gutachten eines renommierten Wiener Baum-
Gutachters auf, wonach die
Schadhaftigkeit des Baums
(Pilzbefall) bei Kontrollen
schon wegen dessen Schräglage von 15 Grad jedenfalls erkennbar gewesen wäre.
Baum 1964 falsch gepflanzt
Das Problem: Die Rubinie war
1964 unsachgemäß in einem
unterirdischen Topf eingepflanzt worden - die Wurzeln
konnten also nie greifen. Der
Gerichtsgutachter sah dies
anders, stellte mangelnde
Erkennbarkeit fest und attes-
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tierte der Stadt rechtskräftig
Sorgfalt bei den Kontrollen.
Für das Unglück am frequentierten Schulweg will
nun niemand mehr haften.
Im Gegenteil: Die Stadt exekutiert die 49-jährige Reha-
Bezieherin nun auf 15.342,65
Euro Anwaltskosten. Seitens
der Tirol Kliniken trudeln hingegen immer wieder Rechungen oder bewilligte Fahrnisexekutionen ein, die aus den
Krankenhausaufenthalten der
einst nur Pflichtversicherten
rühren. Eine doppelte Tragödie für Semira Camdzic: „Oft
frage ich mich schon, warum
mich Gott so hart bestraft!“
Anwalt Exner gibt sich mit
dem Iststand jedenfalls nicht
zufrieden. So ortet er gravierende Fehleinschätzungen
durch den Gerichtssachverständigen, welche erst zur
Entlastung der Stadt von jeglicher Haftung gegenüber der
Mandantin führten. Exner
bringt deshalb nun eine Klage
am Landesgericht gegen den
Gerichtsgutachter auf 104.627
Euro und alle Spätfolgen ein.
Ein Drittgutachter soll nun
aufgrund der völlig divergierenden Baum-Gutachten klären, ob die Schäden bei dem
in den Gehsteig geneigten
Baum wirklich nicht erkennbar gewesen wären.