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Jahr: 2022
/ Ausgabe: 2022_02_19_Presse_OCR
- S.4
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Tiroler Tageszeitung
„Mit letzter Kraft ein Mammut erjagt“, Seite 17
Mit letzter Kraft ein Mammut erjagt
Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck arbeitet sich spektakulär an Bruckners Fünfter ab.
Dirigent Lukas Beikircher weist den Weg durch ein hochkomplexes Werk in Überlänge.
Von Markus Schramek
Innsbruck —- Dirigent Lukas Beikircher hat einen
Lauf. Und es ist gerade kein
schlechter Zeitpunkt, um
unter Beweis zu stellen, was
man als Orchesterleiter so
alles draufhat. An der Spitze
des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck (TSOI) kündigt
sich nämlich eine personelle Veränderung an. Diese ist
eine Begleiterscheinung des
Intendantenwechsels im Tiroler Landestheater, dem das
TSOI angegliedert ist (davon
mehr im Kasten rechts). Da
trifft es sich gut, dass Beikircher am Pult binnen weniger
Tage zweimal groß aufzeigt.
Bei der „Salome“-Premiere im Großen Haus vor einer
Woche führt der Südtiroler,
aktuell einer von zwei TSOI-
Chefs, das musizierende und
singende Personal mit Übersicht, Gespür und als patenter Teamplayer durch die
schwierge Partitur der besagten Richard-Strauss-Oper.
Vorgestern Donnerstag hat
Beikircher beim turnusmäßigen 4. Symphoniekonzert
im Congress schon wieder
ein höllisches Notenkompendium vor sich liegen: Anton Bruckners 5. Symphonie,
ein sich über 80 Minuten erstreckendes, jeden kreativen
Winkel seines Verfassers auslotendes Mammutwerk.
Es ist nicht zuletzt dem Dirigenten zuzuschreiben, dass
diese zwar hochwertige, aber
auch physisch wie psychisch
fordernde Kost zum raumfüllenden sinfonischen Spektakel wird (übrigens vor den
Starke Dirigate. Bei der Strauss-Oper „Salome“ leistete Lukas Beikircher überzeugende Arbeit im Orchestergraben. Auf dem Foto oben leitet er das TSOI beim aktuellen Symphoniekonzert im Congress.
Augen und Ohren der designierten Theaterchefin Irene
Girkinger als Gast im Saal).
Bruckners Fünfte, von ihm
selbst „Die Phantastische“,
genannt, wird diesem Beinamen wohl gerecht. Der
Komponist scheint alles hineingepackt zu haben, was
ihn umtrieb: ein Potpourri an
Ideen, mit einem Grundmotiv, aber ohne roten Faden,
mit gefinkelten Solopartien
vor allem bei den Bläsern.
Das TSOI arbeitet sich an
dieser Vorlage unter Aufbietung letzter Reserven ab.
Nach den ersten beiden langen Sätzen, manch eine Sinfonie ist da schon zu Ende,
müssen die Instrumente für
die Sätze 3 und 4 neu gestimmt werden, so groß ist die
Beanspruchung von Mensch
und Material. Easy Listening
im Konzertsaal klingt anders,
dafür ist das hier ein kollektiver Kraftakt auf konzertant
hohem Niveau.
Den Auftakt des Abends be-
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Foto: www.wefsei.art
streitet zuvor die erst 20-jährige Violinistin Noa Wildschut. Die Niederländerin
springt ein, weil ihrem deutschen Berufskollegen Tobias
Feldmann ein positiver PCR-
Test in die Quere kommt.
Wildschut meistert feinfühlig und fragil ihren Solopart in
Mozarts Violinkonzert in G-
Dur (KV 216). Die junge Frau
ist ein „rising star“ im wörtlichen Sinne, erst am Beginn
ihrer Karriere, noch lange
nicht an deren Zenit.