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Jahr: 2022
/ Ausgabe: 2022_02_21_Presse_OCR
- S.6
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Tiroler Tageszeitung
„Tiefster Ausdruck innerer Erregung“, Seite 12
Tiefster Ausdruck innerer Erregung
„InnStrumenti“ brachten Werke von Ossanna, Leitner, Kerer und Demetz zur Uraufführung.
Innsbruck — Gälte es die 22.
Auflage der Konzertreihe
KomponistInnen unserer Zeit
mit dem Kammerorchester
InnStrumenti am Samstagabend im Haus der Musik an
ein paar Worten festzumachen, so könnten sie lauten:
„Tiefster Ausdruck innerer Erregung“.
Den Konzertabend unter
das Motto „füchtig“ gestellt,
ließen die KomponistInnen
Philipp Ossanna, Michael A.
Leitner, Manuela Kerer und
Eduard Demetz ihren Gedanken freien Lauf. Dass diese über den assoziativen Ansatz der Musik als Nüchtiges
Medium hinaus auch zwangsläufig in die umfassende
Flüchtlings-Thematik führten,
ist selbstredend.
Werner Pirchners „Emigranten-Symphonie“ PWV 23
mit Satzbezeichnungen wie
etwa „...Sie haben nichts gewusst...“, „...Sie wollen auch
jetzt nicht wissen...“, oder „Ein
Emigrant — hat sich verrannt
— in diese Symphoney“ zum
Auftakt führte ganz unmittelbar eine Tagespolitik vor
Augen, in der es den moralischen Ansprüchen der selbst-
ernannten „Vernünftigen“ in
Europa keinen Abbruch tut,
wenn Flüchtlinge an unseren
Grenzen erfrieren, im Mittelmeer ertrinken, in Flüchtlingslagern versklavt werden.
Diese Form der Vernunft
konnte man, nicht nur wenn
man wollte, als erschütternden moralischen Befund,
als verstörende Tonlage aus
einigen der genannten Uraufführungen heraushören.
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Hozan Temburwan als Solist an der Baglama beim „Komponistinnen unserer Zeit“-Konzert im Innsbrucker Haus der Musik.
Die Frage Philipp Ossannas
„WOiSTwEsteN“ birgt die
Antwort in sich und geradezu zwangsläufig vereint er
(volks-)musikalische Stile zu
einem Konglomerat in melodramatischer Filmmusik-
Manier mit dem Flüchtling
Hozan Temburwan als Solist
an der Baglama.
Manuela Kerer gedenkt
2026 im vergangenen Jahr
im Mittelmeer ertrunkener
A 7a
Foto: Markus Hauser
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Menschen in aller Stille. Subtil technische Klangmöglichkeiten austarierend, brodelt
es unter der Oberfläche, wo
das letzte Atmen erstickt, aber
zugleich die Hoffnung auf ein
Aufatmen immanent präsent
bleibt.
Michael A. Leitner wiederum begibt sich nach der Lektüre von Wolfgang Hildesheimer auf die Suche nach
sich selbst und tut es impulsiv
in Sturm-und-Drang-Manier
mit Mitteln der Moderne.
Eduard Demetz leiht sein
Ohr der Mutter Erde, wenn er
mit pua! (Pflüge!) den vor Leben nur so strotzenden Mikrokosmos der Erde studiert. Ein
vitales, lebensbejahendes, vor
perkussiver Klangvielfalt nur
so strotzendes Klangereignis.
Realisiert von den bestens
auf diese so komplexe Materie einstudierten InnStrumenti unter der Leitung von
Gerhard Sammer, unterstützt
vom Südtiroler Schlagzeugensemble conTakt, war es
nicht einer jener Konzertabende, aus denen man, glückselig
nach Hause entlassen, innerlich lächelnd dem neuen Tag
entgegenschläft. (hau)