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Jahr: 2022

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Tiroler Tageszeitung

„‚Berni, ich hab’s geschafft!‘“, Seite 20

„Berni, ich hab’s geschafft!
Bilal Jazairly ist der erste Flüchtling in Österreich, der ein Masters Degree an einer
Fachhochschule erworben hat —- mit viel Fleiß und der Hilfe von Tiroler Schutzengeln.

Von Michaela S. Paulmicht

Innsbruck — „Man hört jeden Tag so viel Negatives,
das hier ist eine schöne
Geschichte.” Erzählt wird
sie von Bernhard Juchum
aus Brixlegg, ehemaliger
Touristiker und danach
Lehrer in der Tourismusschule im Zillertal. Begonnen hat sie nach seiner
Pensionierung mit dem
Anruf eines Bekannten,
eines chrenamtlichen
Helfers beim Freundeskreis Flüchtlingsheim Sı.
Gertraudi: „Berni, du hast

‚ Ich wünsche
jedem, der die

Bereitschaft hat,

etwas aus sich zu

machen, Menschen

wie sie.“

Bilal Jazairly

ja jetzt Zeit“, meinte er. Es
ging darum, sich um eine
Gruppe von Flüchtlingen
— 15 Syrer und Iraker — in
einem leerstehenden, abgelegenen Bauerngehöft
zwischen Radfeld und
Kufstein — einer Unterbringung, zu der Einheimische fragten, wie man
dort überhaupt leben
könne - zu kümmern.
Dort begann Juchum
mithilfe eines ausgeliehenen Flipcharts und mit viel
Improvisationstalent mit
dem Deutschunterricht
und wurde so bald zum
„Kindergartenbetreuer
für erv Burschen”
für alle möglichen Anliegen, wie er meint. „Aber i
hab ja an Daweil g’habt.“
Und dort fiel ihm bald ein
besonders aufgeweckter
junger Mann auf, Bilal
Jazairly, ein Informatiker
aus Damaskus mit abgeschlossenem IT-Studium.
„Eines Tages sagte er zu

mir: ‚Berni, wenn ich einen positiven Bescheid
bekomm", würd’ ich so
unheimlich gern hier
studieren.‘“ Und Berni
Juchum, der frühere Bereichsleiter für Destinationsentwicklung bei der
Tirol Werbung mit dem
nötigen Weitblick, fand eine Möglichkeit: „Am MCI
gibt es einen IT-Masterkurs in Englisch, das Bilal
natürlich beherrscht.”
Zwischen der mit Bravour bestandenen Aufnahmeprüfung und dem
Anruf — „Berni, ich hab’s
geschafft“ — vergingen nur
zwei Jahre. „Voller Stolz
hat er mich angerufen!“,
erzählt Juchum.

Noch mehr freute er sich
darüber, dass sein Schützling „der erste Flüchtling
in Österreich mit einem
Masters Degree an einer
Fachhochschule ist“. Das
„Tüpfchen auf dem i“ sei
dann ein weiterer Anruf gewesen: „Berni, was
machst du morgen? Ich
bekomm’" die österreichische Staatsbürgerschaft
und möchte, dass du da-

bei bist.” „Als ich den Bescheid bekommen hab’,
war das für mich der bisher schönste, berührendste Moment im Leben“,
sagt Bilal Jazairly. „Ich bin
überzeugt, dass ich das
nicht verdient habe, er
wurde mir verliehen. Es ist
eine große Ehre für mich.
Ich habe meinen Teil dazu beigetragen und die
deutsche Sprache gelernt,
ich respektiere die Kultur, es ist wie eine Wertschätzung für die Mühe,
ein Teil dieser freien und
friedlichen Gesellschaft
zu werden.“ Niemand habeeinen Anspruch darauf,
„umso wertvoller ist es“.
Der junge Syrer kam
2015 nach Österreich. Er
war geflüchtet, nachdem
die Situation in seiner Heimal für ihn zu bedrohlich
geworden war. Er hatte
bei der NGO Roter Halbmond mitgearbeitet, doch
dann kam der syrische Geheimdienst auf ihn zu und
wollte die Namen aller,
denen die Organisation
geholfen hatte. „In Kriegszeiten gilt nur: Wenn du

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nicht für mich bist, bist du
gegen mich. Es existiert
keine neutrale Meinung.
Ich konnte nicht dort bleiben, auch um meiner Familie keinen Schaden zuzufügen.“ Die Situation
war immer bedrohlicher
geworden, bis sein Vater
sagte: „Bilal, hau ab.“

‚ Integration
kann funktionieren. Es tut mir in
der Seele gut, dass i
da a bissl hab mithelfen können.“
Bernhard Juchum

„Hier in Tirol sagt man,
Unkraut vergeht nicht“,
meint er. „Ich bin ein starker Mensch, aber ich habe
auch schwache Momente,
in denen ich geme meine
Mama umarmen möchte,
mit meinem Papa Witze
machen oder ihnen mitteilen, was ich geschafft
habe.“” Inzwischen arbeitet er als IT-Spezialist bei
der US-amerikanischen
Softwarefirma Barracuda
Networks in Innsbruck.

Bilal Jazairly mit Professoren bei seiner Sponsion (links) und mit Bemi Juchum bei Bürgermeister Georg Willi. u kan Stuc inmbruch/D. Yger

Bernhard Juchum und eine weitere Helferin, Andrea Kuen — „Sie hat mich
auch immer unterstützt“ —,
sind seine „guardian angels“, seine Schutzengel.
„Ich werde keine Chance
verpassen, ihnen meinen
Dank dafür zu zeigen. Ich
wünsche jedem, der die
Bereitschaft hat, etwas
aus sich zu machen, Menschen wie sie.”

Juchum, der in seiner
Pension zum Flüchtlingshelfer wurde, freut sich,
„dass Integration tatsächlich funktionieren kann.
Und es tut mir in der Seele gut, dass i da a biss! hab
mithelfen können.“ Er
könne nur den Hut ziehen
vor dem jungen Syrer, der
stolz darauf ist, nie soziale
Unterstützung angenommen zu haben, sondern
immer gearbeitet zu haben. „Mit seiner positiven
Gesinnung, unheimlichem Fleiß und Disziplin
hat er das alles geschafft.
Seine Heimat ist jetzt hier,
oder wie er einmal zu mir
gesagt hat: ‚I bin jetzt a
Innsbrucker.‘“