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Jahr: 2022

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Tiroler Tageszeitung

„Der lange Schatten eines Krieges“, Seite 16

Der lange Schatten

eines Krieges

Musik aus der Ukraine und aus Finnland beim
Symphoniekonzert mit Solistin Ksenija Sidorova.

Innsbruck —- Sich im Konzertsaal entspannt zurücklehnen,
unbeschwert, den Kopf frei —
das war einmal. Die Bilder des
Kriegs in Europa sind nicht
auszublenden, das sollen sie
auch nicht sein. Der gnadenlose Angriff Russlands auf die
Ukraine greift auch in unser
Leben ein - und in jenes kommender Generationen.

Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck (TSON
unter Gastdirigent Patrick
Lange eröffnete sein Konzert am Donnerstag mit Werner Pirchners berührendem
Choral „Abschied“ als Verbeugung vor den Opfern des
menschenverachtenden Treibens russischer Streitkräfte.

Es folgt, wie für unsere Zeit
geschrieben, Jean Sibelius’
widerständiges Ton-Epos
„Finlandia“ von 1899. Damals
und in vielen weiteren Jahren
rang Finnland, von Russland
fremdbeherrscht, um Unabhängigkeit, begleitet von
Krieg, Tod und Vertreibung.

Das TSOI lässt „Finlandia“
stolz erstrahlen — mit seinem
durch Mark und Bein gehenden kämpferischen Unterton,
den vorwärtstreibenden Bläsern und Schlagwerkern, melancholischen Streichern. Ein
Auf und Ab zwischen Hoffen
und Bangen, spektakulär und
aufrüttelnd dargeboten.

Es folgt eine Uraufführung,
und auch diese gemahnt an
den Krieg. „Maktoub“, ein
Stück für Akkordeon und
Orchester, stammt von Artem Nyzhnyk, einem aus Donezk gebürtigen Ukrainer. Er
hat das viersätzige Werk für
die Akkordeon-Solistin des
Abends, die Lettin Ksenija Sidorova, komponiert. „Artem
befindet sich in Sicherheit“,
lässt Sidorova das Innsbru-

cker Publikum wissen. Bis zuletzt haben beide noch letzte
Details geklärt, erschwert dadurch, dass Russland etliche
soziale Medien blockiert.
Akkordeon und Orchester
sind ein ungewohntes Doppel, das aber schnell ins Ohr
geht. Das Orchester erweist
sich als galanter Begleiter,
lässt der Solistin, etwas verstärkt durch ein Mikrofon,
den Raum zur Entfaltung. Sidorovas Spiel ist hingebungsvoll, energiegeladen, dabei

sensibel, phasenweise tangoesk. Es ist nicht die große Solo-Show, eher ein Einander-
Ergänzen, ein Verschmelzen.

Nach der Pause scheint die
Luft etwas draußen. Wieder
liegt Sibelius auf den Notenständern, seine 5. Symphonie
kann die Spannung des vorher Gehörten nicht halten.
Das TSOI, mit vielen Ersatzleuten infolge von Erkrankungen angetreten, müht
sich, doch der Funke springt
nicht mehr recht über. (mark)

Akkordeonistin Ksenija Sidorova interpretierte mit größter Hingabe ein
Werk des ukrainischen Komponisten Artem Nyzhnyk.

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Foso: www.weieel.art