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Jahr: 2022

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Tiroler Tageszeitung

„Richtungsentscheidung bei der E-Mobilität‘“, Seite 21

Richtungsentscheidung
bei der E-Mobilität

Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern wird die Konzepte im
öffentlichen Nahverkehr verändern. Die Zeit drängt. Auch in Innsbruck.

Von Marco Witting

Innsbruck - Man muss nicht
lange im Internet suchen,
um auf Stadtregionen.at des
Österreichischen Städtebundes und des KDZ - Zentrum
für Verwaltungsforschung zu
kommen. 2018 befasste man
sich dort mit der Dekarbonisierung (also dem Ausstieg aus
allen fossilen Energieträgern)
im öffentlichen Personennahverkehr. Die Schätzungen von
damals weisen einen bundesweiten Finanzierungsbedarf von 16 Milliarden Euro
bis 2050 aus. Macht jährlich
rund 530 Millionen Euro. Man
sprach von erheblichen finanziellen und organisatorischen
Herausforderungen, die bis
Ende der 2030er-Jahre abgeschlossen sein müssten, um
nicht noch einsatzfähige Busse stilllegen zu müssen. Natürlich betrifft das auch Innsbruck und die Innsbrucker
Verkehrsbetriebe (IVB). Klingt
kompliziert. Und ist es auch.
Seit 2018 ist viel passiert.
Auf technischer Seite. Und
per Gesetz. Nur, in der Praxis
ist die Theorie schwer umzusetzen. Das zeigt sich überall.
Vor dem Hintergrund des
Pariser Klima-Abkommens
wurde vom Bund ein Dekarbonisierungspfad bis 2050
eingeschlagen. Seit vergangenem Jahr gibt es auch das
Straßenfahrzeug-Beschaffungsgesetz. Vereinfacht sagt

das: Öffentliche Auftraggeber
werden verpflichtet, bis zum
Jahr 2030 im Falle der Neuanschaffung von Fahrzeugen
eine Mindestquote an emissionsarmen, wenn nicht sogar
emissionsfreien Fahrzeugen
einzuhalten. Doch nicht nur
in Salzburg stöhnt man ob
dieser Regelungen auf.

‚ ‚ E-Mobilität begin-

nt mit der Abrissbirne. Wir müssen das
ganze Haus auf den
Kopf stellen. “

Martin Baltes
(IVB-Chef)

Der Streit um die Ausschreibung von 120 neuen Dieselbussen in Innsbruck begann
vor eineinhalb Jahren. Bei der
Abänderung des Doppelbudgets für 2022 und 2023 haben
ÖVP, FPÖ und Für Innsbruck
nicht nur die Budgetzeile „Anschaffung von Dieselbussen“
auf null gestellt. Die Geldmittel für das Projekt „Dekarbonisierung“ - zwei Millionen
Euro pro Jahr und damit um
500.000 Euro weniger — wurden lediglich im Budget reserviert. Für die Auszahlung
braucht es einen Beschluss
des Gemeinderats. Einen Teil
der Dieselbusse (38 Stück) gibt
es trotzdem und man braucht
diese Fahrzeuge auch, um den
Betrieb aufrecht zu halten.

Gleichzeitig testen die IVB

seit einigen Monaten im Alltagsbetrieb die Antriebsalternativen. Im Stadtgebiet war
bereits ein Wasserstoffbus zu
sehen. „E-Mobilität beginnt
mit der Abrissbirne“, sagte
IVB-Direktor Martin Baltes
vor wenigen Wochen auf das
Thema angesprochen. Man
müsse das „ganze Haus auf
den Kopf stellen“. Das beginne mit den Abstell- und Ladeflächen, führe zu einer kompletten Umschulung für das
Werkstätten-Personal und ende mit der Entscheidung, welches System überhaupt auf
welcher Route funktioniere.
Ein kleiner Einblick in die
Notwendigkeiten: Es gibt E-
Busse „Depotlader“ mit tonnenschweren Batterien am
Dach (werden über Nacht
aufgeladen) oder „Streckenlader“, deren Batterien im
laufenden Betrieb, z.B. an Ladestationen an Endhaltestellen, geladen werden. Je nach
System sind Ladestationen
oder zusätzliche Abstellflächen nötig. Beim Einsatz von
Wasserstoffbussen braucht es
entsprechende Tankstellen
mit Sicherheitskorridor rundherum. All das wird Platz und
Geld kosten. So wie eine mögliche Rückkehr von O-Bussen,
die jetzt Trolleys heißen und
auf einigen Streckenteilen
aufgeladen werden und nicht
mehr ständig an der Oberleitung hängen. Die muss aber
erst wieder gebaut werden.

Und das geht nicht überall.

Ein Blick nach Berlin zeigt:
Dort waren im Vorjahr 23 E-
Busse an einem Montagmorgen nicht einsatzfähig. Es war
zu kalt. Die Batterie leer.

Auch bei den ersten Tests
in Innsbruck hat sich gezeigt,
dass unterschiedliche Beladung (sprich Fahrgäste), unterschiedliche Temperaturen
(die Heizung fraß wohl sehr
viel Energie) und unterschiedliche Strecken (Hungerburg)
eine enorme Auswirkung auf
die Busse haben. Erste interne
Erkenntnis der IVB: Nicht jedes System dürfte überall einsetzbar sein.

Baltes sprach im Juli 2021
im Gemeinderat bei einer
Präsentation der Strategie
von Umstellungskosten von
55 Millionen Euro - natürlich
schrittweise. Angesichts von
überall steigenden Kosten
dürfte diese Zahl wohl nicht
mehr zu halten sein.

Unabhängig von den Kosten sagte Baltes: „Das wird sicher ein so großes Projekt wie
die Regionalbahn.“

In dieser schwierigen Gemengelage muss die Innsbrucker Stadtpolitik eine weitreichende Entscheidung treffen.
Und das wohl möglichst bald
und mit unsicheren Vorzeichen. Sonst drohen Strafzahlungen. Die Dekarbonisierung
wird eines der wichtigsten
Themen der Zukunft für die
Mandatare.

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