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Jahr: 2022

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6020 Stadtmagazin

„Über das Ende der Innenstadt“, Seite 5

Über das Ende
der Innenstadt

© Michael Steinlechner

ije Reiselust dürfte diesen Sommer ungeahnte Ausmaße annehmen.
Zwei Jahre Pandemie und die Sorge vor neuen Wellen, Lockdowns
und Impfdebatten im Herbst treffen auf den Krieg in der Ukraine. All
das gibt auch vorsichtigen Menschen das Gefühl, dass das Leben vielleicht doch hier und jetzt stattfindet und nicht irgendwann in einer ungewissen Zukunft. Kurzum: Die Angst vor dem, was kommt, führt zu
einem Fokus auf das Jetzt.

Wie sich bereits abzeichnet, wird die Ferienhotellerie in Tirol von diesem Carpediem-Trend profitieren. In Innsbruck jedoch wartet man weiterhin vergebens auf den
touristischen Aufschwung. Die Gründe dafür werden lapidar mit einer generell schweren Situation im Städtetourismus und fehlenden Kongressen und Messen abgetan.

Wenn wir uns ehrlich sind, sind die wahren Ursachen allerdings hausgemacht und
nicht auf irgendwelche Krisen zu schieben. Oder anders formuliert: Warum sollte jemand diesen Sommer nach Innsbruck reisen wollen? Während sich andere Städte mit
Konzepten nur so überschlagen, will Innsbruck vor allem mit einem Motto punkten: „Wir
haben wieder offen!“ Kaum Festivals und Events, wenig Kunst und Kultur und schon gar
keine neuen Ideen. Neben den beiden Nischenevents Heart of Noise und den Festwochen der Alten Musik setzt Innsbruck auch heuer wieder vorwiegend auf die Promenadenkonzerte. Echt jetzt? Ist das schon alles? Natürlich nicht! Auf der Website des Innsbruck Tourismus werden auch die „ganzjährigen Highlights“ angeführt. Die da wären:
Tiroler Abende, Konzerte der Wiltener Sängerknaben und „Specials“ im Casino Innsbruck. Oder anders formuliert: Innsbruck hat keine Idee, die Stadt für Gäste attraktiver
zu machen. Das Landestheater macht drei Monate Sommerpause, an Formate wie den
Tanzsommer kann man sich nicht mal mehr in Schwarz-Weiß erinnern und auch für das
Bonanza-Festival standen die Zeichen schon besser.

Aber wer soll sich auch darum kümmern? Das Stadtmarketing (seit Anfang März)
ist derzeit ebenso führungslos wie der Innsbruck Tourismus (GF wechselt zur Tirol Werbung) und der Bürgermeister darf sich bekanntermaßen keine großen Hoffnungen auf
große Mehrheiten für große Ideen machen. Ob er Letztere überhaupt hätte, ist eine
andere Frage. Derweilen siedeln fröhlich irgendwelche internationalen Ketten, die ihre
besten Tage anderswo schon längst gesehen haben, in die Innenstadt. Wie in jeder
x-beliebigen Stadt der Welt kann man jetzt auch in Innsbruck Kalorienbomben von
Dunkin’ Donuts oder Starbucks kaufen. Anstatt individuelle Konzepte zu fördern, die
der Stadt Seele und Herz geben, schaut Innsbruck träge zu, wie internationale Ketten,
Ramschläden und Wettbüros das innerstädtische Bild prägen. Innsbruck wird billig,
langweilig, nichtssagend und austauschbar — optisch wie inhaltlich. Corona und der
Krieg müssen für viele Dinge als Ausrede herhalten, dass aber Innsbruck sein touristisches Potenzial versenkt, hat andere Gründe.

m.steinlechner@6020stadtmagazin.at

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