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Jahr: 2022
/ Ausgabe: 2022_04_26_Presse_OCR
- S.3
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Tiroler Tageszeitung
TirolerseTageszeitung
„Der Schlüssel gegen den Leerstand?“, Seite 3
26.4.2022
Von Manfred Mitterwachauer
Innsbruck - Es ist ein Versuch.
Einer, den das Land aber (als
einen von vielen eines Maßnahmenbündels) nicht nur
wagen wolle, sondern auch
müsse, wenn „leistbares
Wohnen“ nicht ein bloßer
Satz im Regierungsprogramm
bleiben solle. Darin ist sich
die schwarz-grüne Landesregierung einig. Mit einer Abgabe auf (spekulativen) Wohnungsleerstand will das Land
bestehenden, aber eben nicht
genutzten Wohnraum aktivieren. Davon gebe es genug, ist
man nicht nur im Landhaus
der Meinung. Die Landeshauptstadt Innsbruck geht eigenen Berechnungen zufolge
sogar davon aus, dass aktuell fast jede zehnte Wohnung
ohne Nutzer ist. Zahlen, die
derzeit nicht belastbar sind.
In keiner Gemeinde - hierzu
fehlt die nötige Datengrundlage, sprich Leerstandserhebung. Den rechtlichen Rahmen hierfür hat das Land aber
bereits im Dezember 2021 mit
zwei Gesetzesnovellen (Statistikgesetz; Gesetz über die
Bezeichnung von Verkehrsflächen und Nummerierung von
Gebäuden) geschaffen. Nun
folgt der zweite Schritt: die
Einführung einer Leerstandsabgabe. R dnungsl
desrat Johannes Tratter (VP)
hat Mitte März eine diesbezügliche Gesetzesnovelle vorlegen lassen. Gestern lief die
Begutachtungsfrist ab. Die TT
hat sich durch die eingelangten Stellungnahmen gelesen.
Ungeteilten Applaus findet
die Abgabe keinen.
rbeiterkammer (AK):
Generell begrüßt die
AK „jegliche Bemühungen des Landes, Wohnen
Der Schlüssel gegen
den Leerstand?
Das Land Tirol will dem Wohnungsleerstand
den Kampf ansagen. Ein neues Gesetz soll den
Gemeinden ein Werkzeug in die Hand geben
die Leerstandsabgabe. Die Begutachtungsfrist
endete gestern. Ein Überblick.
wieder leistbarer zu machen“.
Gleich wie der Gemeindeverband fordert die AK das Land
aber auf, für eine „landesweit
einheitliche Regelung“ Sorge zu tragen. Den Gemeinden solle die Einführung also
nicht freigestellt werden. Viel
zu weit gehen der AK die geplanten Ausnahmen von der
Leerstandsabgabe. Würden
teils doch „ideale Möglichkeiten der Umgehung“ damit erst geschaffen. Ausnahmen für gewerbliche Zwecke
will die AK gänzlich gestrichen wissen, ebenso jene
der Nicht-Vermietung zum
ortsüblichen Mietzins. Denn
Letzterer wäre in Teilen Tirol so hoch, dass sich auch
durchschnittliche Einkommensbezieher eine angemessen Wohnungsgröße nicht
mehr leisten könnten. Die AK
schlägt hier vor, Vermieter
anzuhalten, auch zu günstigeren Preisen zu vermieten.
Beim A h tatbestand
„Eigenbedarf“ verlangt die AK
eine Herabsetzung des abgabefreien Zeitraums von 12 auf
6 Monate.
Was die „sehr moderaten“
Abgabenhöhen betrifft, so
befürchtet die AK, dass damit
„jener Personenkreis, der sich
eine Zweit- bzw. Drittwohnung leisten und auf Mieteinnahmen verzichten kann,
voraussichtlich nicht empfindsam genug“ getroffen
werde, um einen Lenkungseffekt zu erzielen. Eine Evaluierung hinsichtlich Höhe und
Wirkung nach zwei Jahren
wird deshalb empfohlen.
irtschaftskammer (WK): Dass
das Land mit ei-
ner Leerstandsabgabe das
Ziel, „leistbaren Wohnraum“
zu schaffen, erreichen kann,
wird von der WK bezweifelt.
Ein Lenkungseffekt werde,
wenn überhaupt, nur indirekt erzielt. Primär sei die
Abgabe „eine Kompensation der mit dem Leerstand
verbundenen kommunalen
Aufwendungen“. Um Lenkung zu erzielen, müsste sie
höher sein, was aber aus verfassungsrechtlichen Gründen
nicht gehe, wie die WK auch
die Rechtsarg ion des
Landes stützt. Auch die WK
lehnt dauerhaften Leerstand
ab - jedoch sei dieser nicht in
einem „Marktversagen“, sondern in einem zu restriktiven
Mietrechtsgesetz begründet.
Die Abgabe sei deshalb ein
„untaugliches Mittel“, Immobilien für den Wohnungsmarkt zu mobilisieren.
Was die Abgaben-Ausnahmen betrifft, werde sich laut
WK die Beweisführung sowohl für Gemeinden als auch
Eigentümer als „schwierig
und konfliktträchtig“ erweisen. Den Eigenbedarfs-Zeitraum von einem Jahr hält die
WK für „unverhältnismäßig
kurz“ gefasst - sie fordert eine
Erweiterung auf 36 Monate.
Zudem stellt die WK die
Auskunftspflicht von Versorgungs- und Entsorgungsfirmen zur Leerstandsfeststellung mit Verweis auf das
Datenschutzrecht in Frage.
andwirtschaftskam-
mer (LK): Kein kla-
res Ja, aber auch kein
klares Nein kommt von der
Landwirtschaftskammer.
In ihrer Stellungnahme bekennt sich zwar auch die
LK zur Schaffung leistbaren Wohnraums als „höchst
dringliche Aufgabe der Landespolitik“, gibt aber doch
zu bedenken, dass in vielen
Gemeinden zu erwarten sei,
dass „ein erheblicher Verwaltungsaufwand einem
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geringen Abgabenaufkommen gegenübersteht“. Ergo rät die LK dem Land, vor
der Abgabeneinführung eine
Art Kosten-Nutzen-Rechnung anzustellen. Den Gemeinden fehle es zudem an
fachkundigem Personal, um
„ortsübliche Mieten“ festzustellen. Jedenfalls regt die LK
an, die beruflichen Abgabenausnahmen um den Zusatz
„land- und forstwirtschaftliche Zwecke“ zu ergänzen.
I dustriell gung
(IV): Die wohl härteste Kritik an der Gesetzesnovelle kommt von der
IV. Für sie verfolge die Leerstandsabgabe „kein sozialpolitisches Ziel“, sondern sei
lediglich eine „Maßnahme
der Wohnraumbewirtschaftung“ und aus Sicht der Kommunen daher als „Geldbeschaffungsmaßnahme ohne
Wirkung“ zu werten. Die IV
betont — allein schon aufgrund ihres Statuts —, für die
Bildung von Eigentum und
dessen freie Verfügbarkeit zu
sein. Dies schließe eben auch
die „Nicht-Nutzung“ ein. Sie
ist sich sicher, dass „der größere Teil der Wohnungseigentümer die Abgabe zahlen
(werden) [...] und sich nicht
unter Druck setzen lassen“.
Schwächer situierte Eigentümer würden aber „aus ihrem
Eigentum verdrängt“. Schon
knapp 1000 €/Jahr könnten „Normalverdiener“ dazu
zwingen, zu verkaufen oder
zu vermieten. Die IV sieht
hier einen „Erdrosselungs-
Charakter“ als evident. Insbesondere Familien, die Wohnraum für Kinder schaffen,
würden benachteiligt. Abhilfe könne vielmehr durch eine
Novelle des Mietrechtsgesetzes (Bund) und die Schaffung
neuen leistbaren Wohnraums
gelingen. Die IV lehnt die Novelle als Eingriff ins Eigentum
„mit Nachdruck ab“.
emeindeverband
G (GV): Wie bereits berichtet, fordert der
Tiroler Gemeindeverband
das Land auf, von der im Gesetzesentwurf festgehaltenen
Freiwilligkeit, was die Einführung der Abgabe auf Gemeinde-Ebene betrifft, Abstand zu
nehmen. Vielmehr sei nach
Rücksprache mit den Gemeinden der Wunsch offenkundig, im Landesgesetz eine
verpflichtende Umsetzung
der Leerstandsabgabe in allen Tiroler Kommunen zu
verankern. Die Gemeinden
fordern dies mit Blick auf ungenutzte Freizeitwohnsitze
Tratter (VP) hat eine dementsprechende Änderung der
Gesetzesvorlage bereits in
Aussicht gestellt und via TT
angekündigt.
I nnsbruck (Stadt): Eine
der vom Leerstands-Pro-
blem hauptbetroffenen
Gemeinden in Tirol dürfte
die Landeshauptstadt sein.
Die Stadt benötigt eine Abgabe, die einen Lenkungseffekt ausübt, um wirksam zu
sein. Die im Gesetzesentwurf
festgehaltenen Abgabensätze hält die Stadt deshalb für
nicht zielführend, weil zu
niedrig. Der Vorschlag Innsbrucks: Die Höhe solle sich
entweder „prozentual am
Mietpreis orientieren und mit
jedenfalls 10 Prozent des Verkehrswertes bemessen“ oder
auf Basis der Entwurfshöhe
„auf das Doppelte angehoben“ werden. Verfassungsrechtliche Bedenken kann
das Stadtmagistrat keine erkennen. Zudem fordert die
Stadt anstatt Fixbeträgen die
Möglichkeit zur regionalen
Abstufung der Abgabe ein.