Pressespiegel seit 2021
Jahr: 2022
/ Ausgabe: 2022_10_15_Presse_OCR
- S.7
Suchen und Blättern in über 500 PDFs und 44.000 Seiten.
Gesamter Text dieser Seite:
Kronenzeitung
„Zu Besuch im Sozialmarkt“, Seite 28
Zu Besuch im Sozialmarkt
Die meisten Tiroler waren noch nie dort, doch Kunden hat der Sozialmarkt in Innsbruck
genug. Die Teuerung dürfte bald für neues Klientel sorgen. Wir haben uns dort umgesehen.
as Geschäft in der
D Innsbrucker Adamgas-
se ist klein: Es hat eigentlich nur zwei Gänge,
einmal nach hinten und auf
der anderen Seite wieder
nach vorne zur Kassa. „Es
ist hier nun mal alles sehr
beengt, wir sind schon lange
auf der Suche nach etwas
Größerem“, sagt Geschäftsführerin Michaela Landauer. Hier ist alles extrem
günstig, man bekommt die
Lebensmittel mindestens
um die Hälfte der üblichen
Preise, Brot wird nie teurer
als um 80 Cent verkauft.
Wer im Tiroler Sozialmarkt,
kurz TISO, einkaufen will,
darf nicht mehr als 1100
Euro verdienen — als Paar
1400 Euro. Dann bekommt
man eine Kundenkarte. Anfangs, vor mittlerweile 17
Jahren, waren es noch 300
Kunden, heute sind es allein
aus Innsbruck 4000.
Lebensmittel einwandfrei,
gut für Börser! und Umwelt
Am Freitagvormittag ist der
Laden gut gefüllt: Da ist etwa eine Frau, die die Geduld
auch dann nicht verliert, als
ihr Kind bereits zum zweiten
Mal sein Spielzeug-Auto aus
dem Kinderwagen auf Reisen schickt und aus großen
braunen Augen neugierig in
die Welt schaut, eine ältere
Dame vor dem Kühlregal sowie ein junger Papa, dessen
Tochter mit ihrem kleinen
Kinder-Einkaufswagen vor
dem Süßigkeitenregal steht.
Für Chefin Michaela, die
einzige Vollzeitkraft, allesamt bekannte Gesichter.
Die Beziehung zu ihren
Kunden ist anders als in anderen Geschäften, sie erfährt
zahlreiche Geschichten:
„Gute und schlechte, manche auch sehr bedrückend.“
Der Kundenkreis sind sowohl Einheimische, vor allem Pensionisten, Flüchtlin-
ge (vorher waren es rund ein
Drittel, seit dem Ukraine-
Krieg sind es etwa die Hälfte) und Studenten. Diese
kommen vor allem auch wegen dem Nachhaltigkeitsgedanken: Hier werden Lebensmittel verkauft, die kurz
vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum stehen und woanders weggeschmissen werden würden. Das bedeutet
nicht, dass die Lebensmittel
hier schlecht sind, ganz im
Gegenteil. Bauern aus der
Umgebung, aber auch Firmen, wie etwa Hörtnagl,
spenden Lebensmittel, deren Haltbarkeitsdatum noch
lange nicht abgelaufen ist.
„Das freut uns besonders,
denn Fleisch vom Hörtnagl
könnten sich unsere Kunden
sonst nicht leisten.“ Oftmals
aber kommt es sehr auf das
Engagement einzelner Filialleiter oder Mitarbeiter
an, wie viel ein Geschäft abgibt. Der Sozialmarkt ist also nicht nur für das Geldbörserl derjenigen, die im Leben
nicht auf die Butterseite gefallen sind, sehr gut, sondern
auch für die Umwelt.
Teuerung bringt noch
keine Kunden, aber Fragen
Die Teuerung ist beim TISO
noch nicht angekommen.
„Es rufen aber immer mehr
an und fragen, wie das bei
uns so läuft. Es wird also
nicht mehr lange dauern“,
erklärt Michaela. Und es
läuft so: Mitbringen muss
man einen Einkommensnachweis und einen Ausweis
mit Foto. Dann füllt man,
Seite 7 von 13
5
6
£
8
3
z
S
S
Hier machen alle
Beschäftigen alles:
So auch
Geschäftsführerin
Michaela Landauer
(links), am Foto
gerade an der
Kassa, oder Karin
(oben rechts)
beim Gemüse
einsortieren. Mit
den Kunden
kommen sie oft
ins Gespräch:
Man kennt sich.
gerne auch gemeinsam mit
den Mitarbeitern vor Ort,
ein Formular aus. Das war’s.
Neben den CGrundnahrungsmitteln gibt es auch ein
wenig Kleidung und Hygieneprodukte — Alkohol nicht,
dafür aber Süßigkeiten. Und
ob die Kleine vor eben jenem
Regal ihren Papa bezirzen
konnte, ist nicht dokumentiert, doch als sie gehen, verabschiedet sie sich — mit
kleiner Hilfe vom Herrn Vater — sehr höflich von Michaela. Sie werden sich
wahrscheinlich wiedersehen,
denn, dass einer dann doch
noch irgendwann so viel verdient, dass er keinen Anspruch mehr auf den Sozialmarkt hat, „das hat bisher
nur eine Handvoll geschafft.“ Nadine Isser