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Jahr: 2025
/ Ausgabe: 2025_03_6_Presse_OCR
- S.14
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Frankfurter Allgemeine Zeitung
Franffurter Allgemeine
ZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND
„Leokadia und die Gerechten“, (Ausgabe vom 19.1.2025) Seite 9
6.3.2025
Juumn-W:mchf)banhre Erlebnisse
mrhe ‚sie xhon in dm ersten Vacb-
Y dc sie lpllu weiter bearbeitete.
F ihrem Tod wurde 2003 eine englische Fassung dieses Textes in den USA
pnblnkn In Europa find er, mt
Doch vor wenigen Jahren erinnerte sich
ein Mann in Innsbruck an Leokadia. Als
er ein kleiner Junge war, hatte sie unter
falschem Namen bei seiner Mutter gewohnt. Der Mann wandte sich an einen
Lokalhistoriker. So kam ihre Geschichte
wieder nach Innsbruck — und mit ihr die
E:hmlns.d:usdnn schlimme Täter,
aber auch einige Gerechte gab, sogar in
den Reihen des Polizeiapparats.
1939 lebte die Familie Justman in Löd£
md-:hnedn Pline, nach Australien
Ü . Man lebte in einigermaßen "dmu:nVednlmbtn Vater Jalnob)uunmeuuwfiu&hob-
Iadenhersteller. Er nahm auch in der polnbdnnGudlxl"nfiau:n
m un ım der
aniaenogndunfil.md
Bomben, die Großnnutter starb im eigenen Haus,
Man floh zurück nach Löd£ und, als die
dcmd1cnßenzudonmfiqm.dxe]uden in ein Ghetto zu sperren, weiter zu
Verwandten in Lowicz. Auch in dieser
einer Gemengelage aus Leichtsinn, Ei-
polischen an 106-
sen, die eine aufbauten. Angeblich wollten sie sich örtlichen
ö j ‚ern anschlie-
. Zuharıe er mit besagıer Helena angeelt‚ die auf ihren früheren Freund
dürfte. Im März 1944 wurden nacheinander alle zus ihrer Fluchtgruppe verhaftet.
Den pte man in das Ge-
Reichenau, wo er kurz darauf
dia
träglich wahrgenommen,
Vergleich zu dem, was dann
Warschauer Ghetio, in das die Juden von
lanai‘ndanggngudu:hvm:den,:pi
ter ein Arbeitslager im Kindlichen Garckowice, von dem aus die Mutter Soßa
Juseman nach Treblinka deportiert wurde.
Beim Abschied sagt sie: „Ich habe dir das
guchmh.mmeliluue.mdu:li
will, dass dieses Leben weitergeht.“
nächsten
mbgl1then Kontrollen bis nach Seefeld
in Tirol. ln0!lenudlmßlaun: auf ei-
und geringen Kost und erlitt einen Zusammenbruch. Leokıdia
ter konnte Leokadias Varer seine
“Tochrer in der Tertilfabrik unmerbringen,
in der er selbst Arbeit gefunden harte.
Sein Deckname war „Jan“, und er gab
sich als älterer Bruder von „Lotte“ aus.
Auch in der Fabrik war die Arbeit hart,
und es war schwierig, Unterkunft zu finden. „Lortte“ musste mehrmals die Woh-
nung wechseln, am Ende lebte sie bei einer “"itv:. Anna Lechner, und ihrem
unchelichen Sohn Martin. Ob sie ahnte,
dul ,Lnnz"]udmw. ist ungewiss, aber
usd: eingestelk. Ihr
er Polizeibeam-
ter, war nach dem Amr.hlm: im KZ Dachau erschlagen worden.
Inzwischen waren all die Juden, mit
denen zusammen die Justmans aus Polen
gefloben waren, in Innsbruck gelandet.
l:luu ein Jahr lang ging es für die acht
gur Dass sie dann doch aufflogen, lag an
ph Übet ra«ms«u:„ berichtet
Leokadia dabei nicht, aber über Drohun-
mdn.ml.cohdnnnhnnlufukbmungen schildert.
‚EIISS-MAIIIIKWUIfINI
einem Hdnbrvzn{lnuinwl
plötzlich aus der Dunkelbeit des langen
bbnl:uädndcnl"inrnmi
ttel. Er rief meinen Namen, daenn
Janaynl Ich drebte mich um. Sie
mnlndauw,n-um‚-unu
Geist, der aus dem Boden erstanden wı
„Ibr beide, mir nach. DnGndrduß-
Gn
uns zu erschießen.‘ Auf
das in Polen, Schnel) und effizient. Exckution obne Aufschub, Ich schrumpfte zusammeen, Es gab nichts mehr zu sagen. Ich
schless ia‘uA-p1 Ich versuchte, nicht zu
denken. Minuten, lang wie eine Emglnl
+ und das wilde von zwei verängrigten Mädchenberzen. ‚Ob!“
n1fm erleichtert. Ich #me
Augen und sab den Gefängnis Wrr mren zurück, zurück im thhuplu
den undurzbschaubaren Gesetzen des Lebens
frob, bier zu sein.“
Leokadia schildert das Gefingnisleben,
die "rauen, die in ihre
Z=Nemh|
uden MaduveHnm.uh
den} alssie
afuhr d:n«ie-ndaeune]edmvarmal
zur De-
genossen; mal eine elegante Dame,
von anfinnn‚ die lb]ütlin Hd nlfchm
Truuponm in ein KZ geschickt wurd|
AJesschwert über Lenfidu und Marp:
Doch wurden sie vom Personal teilweise
behandelt. Sie erreichten es,
als Hilfskräfie in der Küche zu
. Zum einen bedtum2fi et-
was reichhaltigere Ernährung, zum anderuu wurden sie als tüchtige Gehilfinnen
unabkömmulich, von den Trans-
m:u wtüdr;aelh Die Gefängnis-
Anna, „eine gmuuneh;e alte Jung-
fer“, plapperte einerseits Naziphrasen,
Leokadia und
die Gerechten
Eine polnische Jüdin
entkommt den Nazis und
überlebt in Innsbruck
den Holocaust — auch dank
österreichischer Helfer.
Nur weiß bis heute kaum
einer von deren Taten.
Von Stephan Löwenstein
Leokadia im Jahr 1943
muchnbennkr:neusfinü:be:dm
werden als
ere Beamte
mdillthguchldm. Bis hinzuf zu Gefängnisdirektor Wolfgang Neuschmid,
der sich den Anweisungen der Gestapo
zwar nicht offen widersetzte, aber seinen
Spoelnua ausreizte, um den Gefangenen
das Leben erwäglich zu machen.
Ein SS-Offizer, der für die Lebensmittelversorgung zuständig war, Erwin Lutz,
sammelte bei den Bauern der Umgebung
Kartoffeln und Gemüse ein, um die wässaufzubessern — und warf auf
en auch mal ein paar Stücke
E Dndnmdzulrumgldchdn
in der Vernicl
der Nazis, musste nach Anweisung der
d:el.t!enfmdt:""rm-porum-
und Z
Trraper arla Rar
ransport 7, wurde
nbluhbl,n-budn:u
mit ibme zu sprechen. Vielleicht am nächsten
Tag ... Doch er kamı eine genze Woche nicht
ridn;ullmlammdcrnal:fi
dacht, dass wir am folgenden Freita,
Kiefert würden. Dodnfcktultlénn:g
wurden wır bimunter zur Arbeit gebracht,
E Seufzer der Erleichterung!“
Zwei Polizisten, Rudolf Moser und Anon Dietz, suchten das Gespräch mit
Leokadia und boten mehr oder weniger
Mausuliert Hilfe bei einer Flucht an. Die
beiden jungen Frauen blicben misstrauisch. Aber als sich im Januar 1945 die La-
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Hochzeit von Leokadia
Juseman und Jözef Wisnicki
im Jahr 1946. Das Foto
stammt wic die anderen aus
Leokadia als junges Mädchen
(oben) und das von Bomben
getroffene Polizeigefingnis in
hnshn-ci. sus dem die Polin
g tzte, die Berichte vom Vorrücken
der sich mehrten und zugleich
ein p-d:r m|=bhch finaler „Transport“
„:l d: bud:n. ezu muduux Sie nmzdnßuigim
die durch einen l.ufun|n
d des Gefängnisses ent-
in der
sunden war, zur Flucht.
Durch die halbe Stadt schlichen sie
sich zu Moser, cinem Tiroler Lokalpatrioten, der von einem Aufstand 3 Ia Andreas Hofer phantasierte. Er nahm die
beiden Frauen auf und versteckte sie
mithilfe einer Freundin, Marianne Stocker. Die beiden aktivierten zwei weitere
Freundinnen, Wanda und ihre Mutter
Maria jewicz. Die waren - aus rellpöm ch.neugm; :[= Katholikinnen
eine weirere Flucht. Es sollte ins Salzburger Land gehen, wo die entkommenen Hllling- nicht so bekannt waren.
Das Problem: Wie sollten sie sich ausweisen? Da kan Leokadia auf den Polizisten Dietz zurück. Der hiek Wort. Er
stelle mit Polizeistempel eine B:u"hel-
Klnflenl»&nwnd$w.Muunvummll.
Dulbcnlmu:n die letzten Monate,
i Leokadia ganz am
noch einmal ihre Stellung verlor und vom
Gemeindepfarrer in St. Martin, dem sie
sich als Jüdin offenbarte, für einige Tage
aufgenommen wur,
Innsbruck, im Herbst z024. Wir treffen
Martin Thaler, Jahrgang 1941. Ein bunter Vogel mit weißem Bart, Handwerker
und Allesmacher, der in den Hippiejahren such mal nach Israel gezogen ist, um
im Kibbuz zu arbeiten, Er ist der uneheliche Sohn von Anna Lehner, Leokadias
zeitweiliger meergebenn in Inns-
sie aus Amerika zurück, gestylt als junge, elegante Dame. Da war sie mir komrlzn fremd. Das ist nicht meine ‚Lotte‘.
Ich habe sie kurz begrüßt und bin dann
verschwunden.“ Allerdings sei sie in seiner Familie ständig im gewesen. Die Mutter habe mit ihr nvch noch
einige Zeit Bric(knmzh gepflegt.
2016 kam eine
dass es Na
L.ohdm5nlm]cffi Wisnicki
tete umgehend und schickte das Buch.ln
Quest for Life”, in dem auch „little Marün“ vorkommt: Dı alnbebdduVuhafrung vehernent Jesuitenpater Dominik Markl, Lehrstuhlinhaber am Instivut für Bibelwissenschaften
Bei der Arbeit hilft, dass zuletzt auch
dll?obunrduvder$udldwd"nbns:
talisierung zu
Sohnbemn,ng!Mul:l.zu:llnvnn
und
tet worden seien. Fin Beispiel für die vieluuDel.uh dundnmmdaul()uellen
jödische
Dabei mfde]6uf“’&idi. der ebenfalls als e mit falschen Pa-
in Österreich gearbeitet hatte. Im
£::nha 1946 heirareten die beiden
und gingen nach Amerika, Als Lorraine
Wisnicki hielt Justman m( Bncf:n und
Besuchen mit einigen ihrer Helfer. Mlndhn stellte sie mch Bescheinigungen für En rfahren
aus. Doch darüber reden mochte
keiner. „Weil in der Nachkriegszeit der
Antisemitismus noch so jert hat“,
wie Markl sagt. Erst in den Siebzigerjahsah Lorraine Wisnicki die Möglichb:‚ ihre Helfer zu ehren. Acht Personen
wurden in Vashem als „Gerechte
unter den Völkern“ geehrt: Anton Dietz,
Karl Dickbauer, E.rmeuu_ Rudolf Moser, Wolfgang Neuschmmid, Maria eu-y
bcvk1 und Wanda Petrykiewicz-Botresi, Marianne Stocker. Nanmd:wds
noch am Leben. Bis zum Jusuman-Projekt wusste in ihrer Tiroler Heimat niemand von diesen „Gerechten“,
Nun soll diese Geschichte dort und
darüber hinaus publik gemacht und für
den Gebrauch in Schulen aufbereitet
werden. Ein junger Künstler, Ahnn Hecher, arbeitet zn einer „ ic Novel“.,
Als Erstes soll eine deutsc Ühen:tzung der bisher nur auf Englisch ersch|enu.l Aufmd"mungen Leokadias
rerden. Zum KZ-Be-
nigung für zwei „poln, “ aus,
die ihre Ausweise bei einem Luftangriff
verloren hätten.
am See, „Arıt für Fremdarbeiter“, und
Dienstmädchen in den Ort-
freiungstag am :1 Januar ist die Präsenmiun im Tiroler Landhaus vou}euhetl
d eine
|l.md:wmd:mlhum‚hdun
damals der nationalsozialistische Gaulu
Franz Hofer saß. Dass gerade die-
Ort gewählt wurde, sagı Markl, das
hhc Leokadias Sohn }d" Wisnicki so
bezeichnet: „Poetic Justice“,