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Jahr: 2022

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Der Standard

„Lohnverhandler auf Konfrontationskurs“, Seite 14
24.11.2022

Lohnverhandler auf
Konfrontationskurs

In der ÖBB werden die Weichen auf Streik gestellt. Noch hoffen die Bahnbetreiber,
den 24-stündigen Warnstreik am Montag abwenden zu können. Aber die Gewerkschaft
Vida unter ÖBB-Konzernbetriebsratschef Roman Hebenstreit will die Beamten- und
Metallerabschlüsse übertrumpfen. Auch die Handelsangestellten drehen auf.

ije hohe Inflation macht
D Streiks im _ arbeitskampf-

scheuen Österreich en vogue.
In der ÖBB hofft man auf eine Verhandlungslösung, die Weichen werden aber vorsorglich auf Streik gestellt. Denn die Dienstleistungs- und
Eisenbahnergewerkschaft Vida will
hoch hinaus. Höher hinaus als
Beamte und Metaller, deren Bezüge,
Löhne und Gehälter im Schnitt um
7,32 beziehungsweise 7,44 Prozent
angehoben werden.

Für die unteren Beschäftigungsgruppen bedeuten diese beiden Abschlüsse die Erhöhung der Bezüge
um 9,14 Prozent bei den Beamten
und zwischen 8,9 und 8,0 Prozent
bei den Metallern.

Nun laufen Bemühungen, die Gewerkschaft rund um ÖBB-Konzernbetriebsratschef Roman Hebenstreit, der zugleich Vida-Vorsitzender ist, „runter vom Baum zu holen“,
wie es in hochrangigen ÖBB-Kreisen
heißt. Ein Abschluss über die von
der Gewerkschaft Vida geforderten
400 Euro sei im Lichte der hohen
Strompreise schlicht nicht leistbar.

Zwischen zwölf und 24

Eine Erhöhung der Bezüge um
400 Euro bedeute für die untersten
Lohngruppen ein Plus von 24 Prozent. Das sei selbst in einem massiv
öffentlich finanzierten Sektor nicht
zu rechtfertigen, zumal die Eisenbahner krisensichere Jobs hätten,
heißt es unter Verweis auf die Industrie, in der aufgrund der Energiekrise tausende Jobs von Kurzarbeit oder Kündigung wegen Produktionsstillständen bedroht sind.
Geboten wurden von den Eisenbahnverkehrsunternehmen 7,5 Pro-

Luise Ungerboeck

zent oder 200 Euro — das wären für
Niedrigverdiener plus zwölf Prozent. Die Reaktion in der Vida fällt
lapidar aus: „Wir haben viel aufzuholen gegenüber der Industrie. Es
muss ein höherer Fixbetrag her“,
sagt ein Vida-Sprecher. Die vom
Fachverband der Schienenbahnen
gebotenen 200 Euro reichten nicht
als „vertretbares Ergebnis“. Man
habe die Ziele ohnehin heruntergeschraubt, heißt es mit Verweis auf
die ursprüngliche Forderung von
500 Euro zu Beginn der Lohnrunde.

Fronten verhärtet

Die von ÖBB-Generaldirektor
Andreas Matthä am Montag angekündigte Anhebung der Bezüge der
letzten 400 ÖBB-Bediensteten auf
2000 Euro beeindruckte in der Vida
nicht. Ohne Gesichtsverlust aus dieser verfahrenen Situation wieder
herauszukommen dürfte für Vida-
Chef Hebenstreit vor diesem Hintergrund nicht einfach werden. Die
vorsorgliche Streikfreigabe erteilte
der ÖGB am Mittwochnachmittag,
der Druck bleibt also aufrecht.

Grün dürften einander die Genossen bezüglich eines Arbeitskampfs übrigens nicht sein. Denn
am 24. Oktober seien die Eisenbahner einer Einigung nahe gewesen.
Dann wurde das Verhandlungsteam
der Gewerkschaft handstreichartig
umbesetzt, wie es in wohlinformierten Kreisen heißt. Die offizielle Version: Arbeitnehmer-Verhandlungsführer Günter Blumthaler, im Brotberuf Betriebsratschef des Teilkonzerns ÖBB-Infrastruktur, erkrankte.
Als Leiter des Vida-KV-Verhandlungsteams wurde Gerhard Tauchner installiert.

Seite 13 von 20

Seither ging es nicht nur mit der
Stimmung bergab. Die von den
Arbeitgebern angebotene steuerfreie Einmalzahlung von tausend
Euro pro Bahnbeschäftigten wurde
ebenso vom Tisch gewischt wie die
200 Euro Mindesterhöhung. Aufgetischt wurde ein Warnstreik am
Montag von null bis 24 Uhr. Über
Unterhändler wird nun versucht,
die Verhandlungen wieder in Gang
zu bringen. Ein Termin noch diese
Woche wird gesucht.

So heiß wird in den anderen
Lohnrunden noch nicht gekocht.

m Handel Warnstreiks am 2. und 3.
Dezember stehen im Raum, die fünfte Verhandlungsrunde ist am 29. 11.
M Ordensspitäler In den sechs Wiener Ordensspitälern wurden Warnstreiks abgehalten. Die Gewerkschaft verlangt ein Plus von 500
Euro brutto pro Monat und 2000
Euro Mindestlohn. Die Spitäler bieten sozial gestaffelt bis zu 1000 Euro
Einmalzahlung (netto) und das Vorziehen der nächsten Kollektivvertragsperiode um zwei Monate.

M Flughäfen Das Sicherheitspersonal an den Flughäfen Wien, Graz
und Innsbruck hielt Betriebsversammlungen ab. Die Gewerkschaft
fordert eine Annäherung an das
deutsche Niveau, das 2023 — inklusive Zulagen und Sonderzahlungen
— um etwa 50 Prozent über dem österreichischen liegen wird.

M Brauereien Nach drei Runden drohen auch die Brauer mit Arbeitskampf. Die Arbeitgeber boten für die
rund 3500 Beschäftigten zuletzt eine
Erhöhung um 100 Euro plus 300
Euro Einmalzahlung. Das liege weit
unter der maßgeblichen Inflation
von 6,9 Prozent.