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Jahr: 2022
/ Ausgabe: 2022_11_25_Presse_OCR
- S.5
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Tiroler Tageszeitung
„Die Grüne Kernschmelze“, Seite 4
Von Marco Witting
ach der Spaltung droht den Grünen
N in Innsbruck jetzt die Kernschmel-
ze. Eine Kettenreaktion, die den
Anfang vom Ende für Georg Willi als Bürgermeister bedeuten könnte. Der Stadtchef, vor
viereinhalb Jahren mit großen Ambitionen
und Hoffnungen gestartet, steht vor einem
politischen Scherbenhaufen. Den Willi und
sein engstes Umfeld zu weiten Teilen selbst
verursacht haben. Der einzige Ausweg aus
dieser Misere im Gemeinderat wäre eine
Neuwahl. Doch die ist gestern nicht wahrscheinlicher geworden —- daran werden die
Gegner kein Interesse haben. Die Halbwertszeit im Amt wird für den Frontmann
der Rest-Grünen damit nicht länger.
Leitartikel
Die Grüne Kernschmelze
Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi steht vor einem politischen Scherbenhaufen. Die Spaltung der eigenen Fraktion
zeigt, dass dem Stadtchef das Amt vollends entglitten ist. Einziger Ausweg: Neuwahlen. Doch die wird es nicht geben.
Die anderen Fraktionen können und werden sich in den nächsten Monaten nämlich
genüsslich zurücklehnen und aus der ersten
Reihe beobachten, wie Willis Chancen auf
die Wiederwahl mitsamt seinem Mantra
den Inn hinunterrinnen. Bisher hatte sich
der Bürgermeister stets in einer Mischung
aus Trotz und Selbstmitleid auf die Position
zurückgezogen, dass die anderen alle gegen
ihn sind. Ihn blockieren. Nun: Jetzt ist auch
ein Teil der eigenen Leute gegen ihn. Ganz
offen. Ganz unverhohlen. Und vor allem mit
denselben Argumenten, die auch schon die
anderen Parteien gegen den Stadtchef ins
Rennen geführt haben. Fehlende Transparenz, fehlende Kommunikation, ständige
Alleingänge und Überschriften statt Inhalte.
Die Kernreaktion im Inneren der Inns-
brucker Grünen hat Willis Gebarung rund
um das Personalamt ausgelöst. Gebrodelt
hatte es schon vorher. Dann kam der Knall.
Die Nibelungentreue zur Personalchefin
ist auch für viele Grüne (sofern sie nicht
dem engsten Kreis im Bürgermeisterbüro
angehören) nicht verständlich. Die Einsicht,
Fehler gemacht zu haben, ist im Team rund
um Willi schlichtweg nicht vorhanden. Das
zeigte sich auch gestern wieder. Selbstkritik?
Selbstreflexion? Fehlanzeige. Auch nicht,
nachdem ein Drittel der eigenen Fraktion
sich verabschiedet hatte.
Bisher konnte sich Willi auf gute Umfragewerte stützen. Er schien sie als Legitimation
seines Kurses zu verstehen. Doch spätestens
der 9,5-Wochen-Urlaub der Personalchefin
und fette Zulagen für engste Mitarbeiter
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haben die Stimmung in der Bevölkerung
gedreht. Auch der jüngste Versuch Willis, die
völlig entglittene Situation in der Stadtpolitik
mit einer Klausur und Themen, die außer
Streit gestellt werden, zu retten, ist zum
Scheitern verurteilt. Statt die anderen Fraktionen im Stadtsenat einzubinden, schloss er
die FPÖ gleich vorweg aus. Wieder: Spaltung
statt Einigung. Jetzt muss
der Bürgermeister mit
der unkontrollierbaren
Kettenreaktion leben.
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marco.witting@tt.com