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Jahr: 2025
/ Ausgabe: 2025_03_11_Presse_OCR
- S.11
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Tiroler Tageszeitung
„Pionierin in der Zahnarztpraxis‘“, Seite 20
Trotz Abschlüssen in Paris und Zürich durfte Emilie Hru
K
schka in ihrer Heimat zunächst nicht selbstständig als Zahnärztin arbeiten. Im Haus in der Innsbrucker Maria-Theresien-Straße 39
(Palais Troyer-Spaur) befand sich neben Sporthaus und Uhrmacher auch einer der Praxisstandorte von Emilies Vater Josef Hruschka, Begründer der Zahnarztdynastie. _ Fotos: Privatarchiv (3), Stadtarchiv
Pionierin in der Zahnarztpraxis
Mit 13 erste Zähne gezogen, später trotz zweier Diplome mit hohen Hürden konfrontiert:
Die Geschichte von Tirols erster Zahnärztin Emilie Hruschka (1870-1953) ist erstaunlich.
Von Michael Domanig
Innsbruck — Es ist eine erstaunliche, dennoch kaum bekannte Geschichte: In seinem
Buch „Die erste Zahnärztin
in Tirol und Österreich. Erinnerungen der Innsbruckerin
Emilie Hruschka, 1870-1953“
(Ibera Verlag) erzählt der deutsche Autor Klaus Riehle von einer außergewöhnlichen Frau
und einer nicht minder schillernden Familie.
Emilie Hruschka wurde
1870, also vor 155 Jahren, als
zweites von acht Kindern in
Oetz geboren. Ihr Vater Josef,
der einer typisch altösterreichischen, multinationalen Familie entstammte, war dort als
Gemeindearzt tätig - wie zuvor schon in Bichlbach, wo er
seine Frau Aloisia kennen gelernt hatte.
Nach einer weiteren Station
als Sprengelarzt in Thaur traf
er jedoch eine weitreichende Entscheidung: Er nahm
ein Studium der Zahnmedizin auf, weil die Nachfrage so
hoch war —- und legte so die
Grundlage für die prominente
„Zahnarztdynastie“ Hruschka
(später italianisiert: Hruska).
Zunächst ordinierte er in Trient, ehe er eine Praxis in Innsbruck übernahm.
Mit 16 zum Studium in Paris
Tochter Emilie, die schon als
Kind den Wunsch bekundet
hatte, Zahnärztin werden zu
wollen, war bereits während
ihrer letzten Schuljahre als
Lehrmädchen im „Atelier“ ihres Vaters tätig. „Er erkannte
ihre Fähigkeiten, förderte sie
aktiv, während die Söhne eher
sich selbst überlassen wurden“, erklärt Riehle. Ihrem
Erinnerungstagebuch zufolge
zog Emilie mit 13 erstmals einem Bauern einen Zahn, mit
15 habe sie ihren Vater schon
(mit Unterstützung) in Abwesenheit vertreten.
Mit 16 erhielt Emilie eine
Zulassung zum Studium in Paris, wo an der zahnärztlichen
Klinik und Schule auch Frauen
aufgenommen wurden. Sie erwarb ein gutes Abgangszeugnis - und nach theoretischer
und praktischer Prüfung am
Polytechnikum in Zürich hatte sie, mit knapp 18, ihr zweites Diplom in der Tasche.
Foto: Riehle
‚ Am Leben von
Emilie Hruschka
hat mich besonders
ihre Geradlinigkeit
beeindruckt.“
Klaus Riehle
(Buchautor)
Doch während Emilie damit
im Kanton Zürich zur „Ausübung der Zahnkunst“ berechtigt war, durfte sie, nach
Innsbruck zurückgekehrt, im
Habsburgerreich zunächst
nicht selbstständig arbeiten.
Vorsprache beim Kaiser
Dazu bedurfte es erst einer
Audienz bei Kaiser Franz Joseph höchstpersönlich, dem
sie, wie den Erinnerungen zu
entnehmen ist, 1890 ihr Anlie-
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gen vorbrachte. Durch einen
„Gnadenakt“ des Kaisers —
und nach einer weiteren Prüfung - erhielt Emilie Hruschka dann auch hierzulande die
zahnärztlichen Rechte: „So
war ich damit als gerade mal
21 Jahre altes Fräulein die erste wirkliche Zahnärztin in Österreich“, schrieb sie selbst.
Emilie, die 1892 den Nudelfabrikanten Alois Salcher
ehelichte, betrieb zunächst
eine eigene Praxis in Bregenz,
nach ihrer Rückkehr dann eine in der Innsbrucker Bürgerstraße. Im Ersten Weltkrieg
versorgte sie an der Innsbrucker Zahnklinik auch verwundete Soldaten, als Assistentin
von deren Gründer Bernhard
Mayrhofer (1868-1938), später Rektor der Uni Innsbruck.
Zahnarztdynastie lebt weiter
Übrigens: Die namhafte
Zahnarztdynastie besteht
über die italienische Linie der
Hruskas bis heute, Nachkommen ordinieren in Mailand
und Rom.
All das und mehr erfährt
man in Klaus Riehles 2024
erschienenem Buch, das er
schon bei mehreren Vorträgen in Tirol vorgestellt hat.
Der Autor, der selbst eine
spannende Vita mitbringt - geboren im Schwarzwald, heute
in Sardinien lebend, studierter
Islamwissenschafter, mit starkem Interesse an Tirol — kam
durch einen glücklichen Zufall
auf die Familie Hruschka und
ihre bewegte Geschichte: Anfang der 1990er-Jahre lernte er
in Mailand, wo er an der Katholischen Universität unterrichtete, Professor Artur „Aga“
Hruska (1907-2003) kennen
— Neffe von Emilie und einer
der bekanntesten Zahnärzte
seiner Zeit in Italien, der unter
anderem mehrere Päpste behandelte.
Es entstand eine Freundschaft, Riehle verfasste die
Autobiografie von „Aga“
Hruska und dessen Zwillingsbruder Kurt - und erhielt von
Artur auch das Erinnerungstagebuch von Lieblingstante
Emilie. Dieses bildet nun die
Grundlage von Riehles Buch
— und bietet, nicht nur für
zahnmedizinisch Interessierte, faszinierende Einblicke in
das Leben einer starken Frau.