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Jahr: 2023
/ Ausgabe: 2023_02_9_Presse_OCR
- S.8
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Tiroler Tageszeitung
„Kratzen an der Oberfläche“, Seite 15
Kratzen an der Oberfläche
Anamorphes, Glas und fein Gezeichnetes: Die städtische Galerie Plattform
6020 in Innsbruck zeigt aktuelle Arbeiten von Thomas Medicus.
Von Barbara Unterthumer
Innsbruck — Etliche von Thomas Medicus’ Arbeiten sind
im öffentlichen Raum zuhause. Gerade um seine anamorphen Arbeiten ziehen auch
kunstuninteressierte BetrachterInnen ihre Runden. Aktuell
nachzuerleben bei „Human
Animal Binary“, einem Würfel, der vom Landestheater-
Vorplatz nun in den Rapoldipark wanderte. Auf seinen vier
Seiten lässt er vier Tierfiguren
aufblitzen - wenn man im
richtigen Blickwinkel auf die
Glasstreifen blickt. Dass Medicus mit Biene, Luchs, Bachforelle und Eisvogel Lebewesen listet, die selbst auf der
Liste der gefährdeten Arten in
Tirol stehen, ist eine theoretische Ebene, die hinter den
gläsernen Elementen liegt. Ein
bisschen (Klima-)Gegenwart
schwingt auch hier mit.
Ähnlich wie in seiner ersten Personale „Below the Surface Is Another Surface“ in der
Plattform 6020, wo feine Vorzeichnungen zu „Human Animal Binary“ vorbei an Skizzenbüchern hin zu reizvollen
Tierhybriden lotsen; Fische,
die sich in Endlosschleife
durch dunkle Höhlen aalen.
Ein wiederkehrendes Stilmittel des Innsbrucker Glasmeisters — sieben Jahre lang
war Medicus in der Tiroler
Glasmalerei tätig — ist die Spiegelung, jene harte Kanten, die
Motive schneiden und zusammenführen. Ein Phänomen,
das sich im Umgang mit Medicus’ präferiertem Material ergibt. Das (bemalte) Glas ist es
aber auch, das seine Skulpturen mitunter dekorativ, gar kit-
schig geraten lässt - oder wie
bei „Ebbe“, das vor Kurzem in
den Rathausgalerien installiert
wurde, weit ins Design rückt.
Diesen Eindruck hat man
beim nun ausgestellten „Crystalis V“ auch, wo Holz und
Glas zwar schön zusammenwachsen, bei dem man in
der Betrachtung aber an der
Oberfläche picken bleibt. Tiefer schürfen will ein neuer,
motorisierter Würfel, der der
Personale seinen Titel gibt.
Oberflächen durchbrochen
werden hier aber keine, das
Werk kratzt höchstens daran.
Dass Medicus anders kann,
hat er schon mehrmals bewiesen: Man denke an sein
Podium „Best Before“ (2019)
oder das freche „Nehmen Sie
Platz“ (2016), eine Bank unter
Glas - zweimal Konzeptuelles im öffentlichen Raum, das
die Interaktion mit dem Publikum klug anregte.
Sehenswert ist Medicus’ aktuelle Schau nun auch ohne
ältere Werke. Neugier stellt
sich ein, wo Naturwissenschaft und Kunst eine Symbiose eingehen; etwa im Triptychon „Fallen Tree Section“,
einer digitalen Arbeit, die aus
den bereits zitierten „surfaces“ ein komplexes Geflecht
aus Vektoren wachsen lässt.
Mit naturwissenschaftlichen
Instrumenten entsteht Kunst,
die durchaus angeregt auch
über die Grenzen von Theorie und die (neuen) Aufgaben
ihrer selbst nachdenken lässt.
Plattform 6020. Amraser Str. 2,
Innsbruck; bis 1. April, Mo-Di
14-19 Uhr, Mi-Fr 10-19 Uhr, Sa
10-17 Uhr.
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Schöne Auswüchse: Die Plattform 6020 zeigt neben „Crystalis V* weitere
(Glas-)Arbeiten von Thomas Medicus (*1988).
Fore: Th. Medioes