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Jahr: 2023

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Tiroler Tageszeitung

„‚Es reden einfach zu viele bei der Pflege mit‘“, Seite 10

„Es reden einfach zu viele

bei der Pflege mit“

Dauerthema Pflege: Man müsste die Expertise der Pflege viel mehr in Problemlösungen
einbinden, stattdessen reden Politiker und Ärzteschaft. Das kritisieren Pflegeexpertinnen.

Von Liane Pircher

Innsbruck, Wien —- Egal ob
Pflegelehre oder Akademisierung. Politisch gesehen wird derzeit an vielen

Schrauben gedreht, um
mehr Menschen für einen
der vielen Pflegeberufe zu
gewinnen. Diplomkräfte und Lehrende an der
Basis kritisieren, dass die

Lage ihres Berufsstandes
zu sehr von anderen Professionen ausgehandelt
wird: „Die Pflege wird
nicht gehört, es wird auf
sie nicht gehört. Sie hat

Braucht neue Denkweise

Annemarie Rotter, leitende Diplom-Pflegerin Sonderstation Kardiologie/Master Public Health (MPH), Innsbruck: Für unsere
Station bräuchten wir Diplom-Kräfte, haben
im letzten Jahr aber keine einzige Bewerbung bekommen. Die Belegzahl hat sich in
den letzten Jahren verdoppelt, gleichzeitig ist
es schwieriger geworden, Personal zu finden.
Wir sind personell knapp und schaffen die
erforderliche Arbeits-Qualität nur mit dem
Sperren von Betten. Als Leitung besteht die
Schwierigkeit darin, es zu schaffen, dass das
bestehende Team nicht ausbrennt. Gleichzeitig haben wir die Station 24 Stunden an
sieben Tagen zu besetzen. Es ist schwierig,
Überstunden abzubauen oder Krankenstände zu kompensieren. Die professionelle Pflege macht heute nicht mehr dasselbe wie vor
20 Jahren. Es sind aber noch die alten Bilder

Alte Strukturen aufbrechen

der ISD-Wohnungslosenhilfe (Herberge),
Innsbruck: Da ich erst im zweiten Bildungsweg die Ausbildung zur Dipl. Psychiatrischen
Gesundheits- und Krankenpflegerin machte
und zuvor 12 Jahre lang selbstständig war,
bin ich wohl mit einem anderen Blickwinkel
in den Pflegeberuf eingestiegen und habe
gleich als erstes Credo auf meiner Station
festgelegt: „Wir machen nichts, was keinen
Sinn macht.“ Was ich häufig festgestellt
habe, ist, dass die Angst, die durch verschiedene äußere Faktoren (Vorschriften, Maßnahmen, Vorgesetzte, Angehörige, Medien,
Hierarchien etc.) „produziert“ wird, die Pflege teilweise handlungsunfähig macht bzw.
diese zu Ausführenden degradiert. Stattdessen bräuchte die professionelle Pflege mehr
Raum, der ihr ermöglicht, selbstständig zu

der Krankenschwester im Kopf. Es braucht
hier eine neue Denkweise. Man müsste die
einzeinen Berufsbilder in der Pflege besser
schärfen und gut abgrenzen. Die Akademisierung halte ich für einen guten Schritt. Es
bleibt ja noch die Pflegefach- und Pflegeassistenz. (lipi)

denken und zu handeln. Es braucht neue
Wege für das Aufbrechen alter Strukturen
sowie das Ausbrechen daraus. Auf unserer
Pflegestation für Menschen mit Sucht- und
psychischen Erkrankungen hatten wir noch
nie Personalmangel. (lipi)

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so viel Expertise und so
viel zu sagen, hat das in
der Vergangenheit auch
getan, aber die politischen Entscheidungsträger haben konsequent

‚ Mit den derzeitigen Maßnahmen wird man das
Ruder nicht herumreißen können. Es
braucht mehr.“

Margit Schäfer
(FH-Lektorin, Pflegeexpertin)

weggehört“, sagt Margit
Schäfer, FH-Lektorin und
Pflegeexpertin in Innsbruck.

Mit dieser Ansicht steht
sie nicht alleine da. Elisabeth Potzmann, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und
Krankenpflegeverbandes, sieht es ähnlich:
„Man muss sich schon
wundern, wer in der Öffentlichkeit aller zu Wort
kommt, wenn es um die
professionelle Pflege
geht.“ Neue Ausbildungen ja, aber man müsse auch darauf schauen,
wo die unbekannten Reserven liegen würden,
so Potzmann. Dass nur
ein Teil am Markt ist,
zeige allein das relativ
neue Berufsregister für
Pflegeberufe. Hier müsse sich jede(r) eintragen:
„Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass

es eine Reserve gäbe“, so
Potzmann. Und: „Viele
Strukturen sind veraltet,
es braucht flexiblere Arbeitszeitmodelle, höhere
Gehälter und die Eigenständigkeit des Berufs gehört endlich anerkannt.
Viele denken noch immer, dass der Arzt der
Chef der Pflege ist. Das ist
falsch.“

Man müsse den Trend
der Abwanderung in andere Berufe stoppen und
versuchen, „alte Kräfte“
wieder für eine Rückkehr
zu mobilisieren. Dazu
braucht es Veränderungen. Schäfer sagt: „Neues
Personal wird derzeit in
allen möglichen Ländern
der Welt gesucht. Weshalb? Viel klüger wäre es,

‚ Es ist nicht
mehr zeitgemäß, wenn Ärzte
öffentlich über die
Pflege reden. Das
funktioniert umgekehrt auch nicht.“

Elisabeth Potzmann
(Präsidentin OGKV)

die bereits ausgebildeten
Pflegerinnen und Pfleger
entsprechend zu unterstützen, damit sie gut und
gesund arbeiten können.
Das würde auch welche,
die in andere Branchen
abgewandert sind, zurückholen.“