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Jahr: 2023

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Der Standard

„Wenn Parteifreunde zu guten Jobs kommen“, Seite 6
10.5.2023

Wenn Parteifreunde zu guten Jobs kommen

Der pinke Wiener Vizebürgermeister lässt sich vom
Neos-Gründer beraten, in Tirol gelangt ein ÖVP-Mann
mit schwarzer Hilfe zu hohem Posten. Die Betroffenen

wehren sich gegen das Etikett der „Freunderlwirtschaft“,

Theo Anders, Martin Putschögl

er Rücktritt des einen kata-

pultierte den anderen nach

oben. Matthias Strolz und
Christoph Wiederkehr sind langjährige politische Weggefährten, Als
Parteigründer Strolz die Neos 2013
erstmals ins Parlament führte, wurde Wiederkehr Chef der pinken Studierenden, wenig später stieg er in
der Wiener Gemeinderat auf, 2018
schienen sich ihre Wege dann zu
trennen: Strolz verließ die Politik
und übergab den Parteivorsitz an die
Wiener Landeschefin Beate Meinl-
Reisinger, auf deren freigewordenen
Posten Wiederkehr aufrückte,

Strolz machte sich als Organisationsberater selbstständig und verfasste Lebensratgeber, Wiederkehr
wurde Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat in der rot-pink regierten Hauptstadt. Am Montag strahlten die beiden plötzlich wieder gemeinsam in die Kameras. Wiederkehr will in Wien ein „Zentrum für
Bildungsinnovation“ aufbauen und
im Herbst ein Bildungsfestival ausrichten. Beraten soll ihn dabei Matthias Strolz, Bis zu 30.000 Euro lukriert dessen Beratungsagentur dafür
im kommenden halben Jahr aus der
städtischen Kasse.

Keine Kritik an Strolz

Für FPÖ und ÖVP steht fest: Ein
typischer Fall von „Freunderlwirtschaft“ sei das. Die Beauftragung
von Strolz sei „an Dreistigkeit kaum
zu überbieten“, zürnte gar der türkise Generalsekretär Christian Stocker in einer Aussendung.

Dabei war es mit Heinz Faßmann
just ein ÖVP-Minister, der Strolz
2021 die hierzulande erste große Beraterfunktion nach dessen Politikerkarriere verschafft hatte. Insgesamt
120,000 Euro war Faßmann die Begleitung und Kommunikation der
neuen Schullehrpläne durch Strolz’
Agentur wert — damals freilich ohne

Kritik aus der ÖVP-Zentrale, Darauf
vom STANDARD angesprochen,
sagte Stocker am Dienstag: „Die Kritik richtet sich nicht gegen die Person Matthias Strolz.“ Er sehe aber
eine „Doppelmoral“ der Neos, weil
diese selbst stets öffentliche Postenbesetzungen durch parteinahe Personen anprangerten.

Recherche über Experten

Im Büro von Wiederkehr sieht
man in der Kooperation mit dem
alten Parteifreund hingegen nichts
Anstößiges. Die Rolle von Strolz als
parteiübergreifender Bildungsexperte sei „unumstritten“, und nur
deswegen sei er geholt worden,
Strolz sagt zum STANDARD: „Ich
bin im Bildungsbereich engagiert,
seit ich 1990 zum Landesschulsprecher gewählt wurde.” Später habe
er als Unternehmer auch beruflich
häufig mit Behörden, Institutionen
und Politikern des Bildungssystems
zu tun gehabt, wodurch er viel Erfahrung gesammelt habe. Mit Wiederkehr sei er seit dessen Amtsantritt im Austausch, über den Auswahlprozess zur Vergabe des Beraterauftrags habe er aber keinen Einblick, erklärt Strolz.

Wie aber erklärt der Bildungsstadtrat, dass ausgerechnet Strolz
auserkoren wurde, zumal es ja wohl
auch zahlreiche andere Expertinnen
und Experten für Bildungsprojekte
gibt? Wiederkehrs Büro schreibt, es
sei im Vorfeld eine „Recherche nach
einer geeigneten Agenturleistung“
betrieben worden. Dabei habe sich
der Ex-Neos-Chef als derjenige he-
Tausgestellt, der am besten zum geplanten Projekt passe, Ein Bild von
Freunderlwirtschaft vermag auch
Strolz selbst nicht zu erkennen:
Nach einer zweijährigen Coolingoff-Phase nach seinem Rücktritt
habe er aktuell etliche Verträge im
In- und Ausland: „Dass hier von der

Wiens Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr kooperiert zum Preis von 30.000 Euro mit der Agentur von
Ex-Neos-Chef Matthias Strolz, der beim Aufbau eines Wiener Zentrums für Bildungsinnovationen hilft,

Stadt Wien auch ein kleiner Auftrag
kommt, halte ich für stimmig.”

Versorgung in Tirol

Vorwürfe der Parteibuchwirtschaft unter umgekehrten Vorzeichen gibt es derzeit auch in Tirol. Die
dortige Opposition, darunter die
Neos, kritisieren die Bestellung von
Johannes Tratter zum neuen technischen Geschäftsführer des gemeinnützigen Bauträgers Neue Heimat
Tirol. Tratter ist ÖVP-Landtagsabgeordneter und war bis 2022 Wohnbaulandesrat.

Der Auswahlprozess sei „von
einer renommierten, international
tätigen Pı Ib gsagentur“
begleitet worden, Tratter habe sich
in einem Hearing gegen 14 Mitbewerberinnen und Mitbewerber
durchgesetzt, heißt es vonseiten des
Bauträgers. Die Letztentscheidung
fällten die Eigentümervertreter —
also der ÖVP-Wirtschaftslandesrat

Mario Gerber und Innsbrucks grüner Bürgermeister Georg Willi.

Zweifellos dürfte Tratter als
ehemaliger Wohnbaulandesrat geeignet sein. Nicht nur aufgrund der
großen Nähe der gemeinnützigen
Wohnungswirtschaft zur Politik
bekommen solche Besetzungen
aber schnell den Geruch von Versorgungsposten. Schon Hannes
Gschwentner, Tratters Vorgänger in
der Chefetage der Neuen Heimat,
war davor Mitglied der Landesregierung, in seinem Fall für die SPÖ.

Tratter hatte zuletzt auch Kritik
der Opposition einstecken müssen,
weil er nach dem Ausscheiden aus
der Regierung neben seinem Landtagsmandat als Beamter in den Landesdienst zurückkehrte, zunächst
aber längere Zeit — rechtmäßig —
Urlaub konsumierte. Das Landtagsmandat muss er nun zurücklegen,
das wollen die Eigentümervertreter
der Neuen Heimat Tirol so.

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