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Jahr: 2025

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Kurier

„‚Bei den Geldflüssen gehört aufgeräumt‘“, Seite 8

„Bei den Geldflüssen gehört aufgeräumt“

Föderalismus. Tirols ÖVP-Landeshauptmann Anton Mattle sieht die Zeit für Strukturreformen gekommen.
Sein Motto für den Weg aus der Budget-Krise ist ein alter Song: „Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt.“

Von Christian Willim

In Gesundheit und Bildung erwartet sich Mattle eine „ordentliche Bereinigung der
Strukturen“. Tirol hat er einen
rigiden Sparkurs verordnet —
und deshalb auch kein Geld
für den Song Contest.

** *
KURIER: Täuscht der Eindruck, dass Sie nicht besonders begeistert davon sind,
den Song Contest nach Innsbruck zu holen, oder besser
gesagt, als Land einen finanziellen Beitrag zu leisten?
Anton Mattle: Generell ist
der Erfolg Österreichs etwas
Tolles. Das Event selbst hat
großen Charme. Leider ist es
bei dieser derzeitigen budgetären Situation schwer, Mittel
einzubringen. Deshalb: Infrastruktur, die Stadt und Land
gemeinsam betreiben — unter
anderem die Olympiaworld —,
stellen wir gerne zur Verfügung. Aber sonst wird unser
Beitrag eher ein ideeller sein.

Interview

Mehr nicht?

Es funktioniert nicht,
wenn ich auf der einen Seite
zu Sozialvereinen oder Kultureinrichtungen sagen muss,
die Kassen sind klamm. Und
dann nimmt das Land Millionenbeträge für den Song Contest in die Hand. Wenn es gelingt, über ORF, Tourismus,
Wirtschaft und die Hostcity
Innsbruck entsprechend finanzielle Mittel aufzubringen, dann ist das großartig.

Bleiben wir bei den knappen
Kassen. Bund, Länder und
Gemeinden wollen bis
Herbst einen neuen Stabilitätspakt vereinbaren. Wo
werden denn die Länder
reinschneiden müssen?

Ich kann nicht für alle
Länder sprechen. Ich kann
nur sagen, dass es in Tirol seit
zwei Jahren einen sehr strengen Fahrplan gibt, wenn es
um die Budgetkonsolidierung geht. Der Schuldenstand darf maximal 25 Prozent der Jahreseinnahmen
ausmachen. Das einzuhalten,
ist eine große Herausforderung. Im Rahmen dessen
wird es uns aber gelingen,
keine neuen Schulden zu machen und den Beitrag zu leisten, den sich der Bund von
den Ländern erwartet.

Die Länder Westösterreichs
immer als die Sparfüchse der Republik. Wie
weh tut es denn, dass auch
hier die Schulden etwas aus
dem Ruder gelaufen sind?
Unser Budget läuft nicht
aus dem Ruder. Es ist natürlich für alle, die politisch aktiv
sind, schön, wenn man zu allem Ja sagen kann. Aber jetzt
ist die Zeit, wo man den Leuten sagen muss: Das geht im
Moment nicht. Das ist keine

angenehme Aufgabe. Aber
ich erfahre in der Gesellschaft
durchaus Verständnis für diese Maßnahmen.

Salzburg spart jetzt nachträglich 29 Millionen Euro alleine in der Gesundheit ein.
Müssen sich die Österreicher
darauf einstellen, dass sie die
Haushaltskrise nachhaltig in
der Daseinsvorsorge spüren?

Der Zugang im Land Tirol
ist ein anderer. Wir haben ein
sehr strenges Budget gemacht. Deswegen müssen wir
nicht unter dem Jahr noch
einmal Millionen einsparen,
sondern einfach konsequent
im Budgetvollzug sein. Bei
den Dingen, die sich die Bevölkerung vom Land erwartet — das sind zum Beispiel die
Spitäler -, müssen wir drauf
schauen, dass das funktioniert. Aber alleine die Komplexität in der Gesundheits-

Außer beim Bieranstich haben weder Mattie

versorgung mit Finanzierung
von Bund, Land, enhausverbänden und den verschiedenen Krankenkassen
ist sicher eine Aufgabe, die
der Bund angehen muss. Hier
braucht es eine ordentliche
Strukturbereinigung.

Da sind wir beim Unwort der
Föderalismusreform. IHS
und Wifo sagen: Verantwortung für Finanzierung und
effiziente Mittelverwendung
gehören konsequent in eine
Hand. Werden wir beide
noch erleben, dass Schulen
oder Gesundheit aus einer
Hand verwaltet werden?

In Gesprächen mit Bundespolitikern ist es schon
Thema, dass man klar zuordnet, wer für was verantwortlich ist. An unserer Universitätsklinik in Innsbruck arbeiten zum Beispiel Bundesbedienstete und Landesbediens-

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noch Bundeskanzler Stocker viel zu verteilen.

tete. Die Mitarbeiter in
Bezirkskrankenhäusern sind
wiederum Gemeindebedienstete. Das ist sehr komplex.
Eine klare Struktur zu schaffen, bedeutet ja nicht, den Föderalismus abzuschaffen, Bei
den Geldflüssen gehört aber
definitiv aufgeräumt. Bei allen Maßnahmen geht es immer darum, dass die Bevölkerung jene qualitätsvollen
Dienstleistungen erhält, die
sie erwartet.

Wo würde denn Landeshauptmann Mattle aufräumen und die Strukturen bereinigen, wenn er es sich aussuchen könnte?

Es sind vor allem zwei Bereiche: Gesundheit und Bildung. Als Landeshauptmann
ist man immer wieder überrascht, warum das so kompliziert sein muss. Generell werden die Lehrer vom Bund fi-

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Der seit 2022
amtierende
Landeschef
sieht durchaus

auch Grund zum

Optimismus.

nanziert. Den Bereich der
landwirtschaftlichen Schulen
zahlt das Land. Und jetzt ist
neu dazugekommen, dass pädagogische und administrative
Assistenten von den Gemeinden bezahlt werden. Aber in
der Verfassung ist klar geregelt, dass die Pädagogik Aufgabe des Bundes wäre. Das zu
bereinigen, steht jedenfalls an.

Wäre es dann nicht sinnvoll,
einfach zu sagen: Das Spitalswesen zum Beispiel organisieren die Länder, der
Bund kümmert sich um die
Bildung - oder umgekehrt?
Diese Diskussionen werden stattfinden. Ob man es
wirklich in dieser Dimension
schafft, wird man sehen. Aber
die Strukturen müssen bereinigt werden. Mut braucht es
auf jeden Fall, wenn man das
angeht. Und es braucht Partner, die aufeinander zugehen.

Zur Person

Überraschungsmann

2022 wurde Anton Mattle
(ÖVP) zum LH von Tirol
gekürt und löste damit
Günther Platter, der Mattle
vor den Landtagswahlen
überraschend als seinen
Nachfolger an der Parteispitze inthronisiert hatte, ab.

Schwarz-Rot

Der 62-Jährige regiert mit der
SPÖ und befindet sich in der
zweiten Halbzeit seiner
ersten LH-Periode.

APA/EXPANOMANN GROOE

Österreich ist in Wirtschaftsrankings abgerutscht. Wie
tief stecken wir denn tatsächlich im Schlamassel?
Dass man heuer neuerlich
mit einer Rezession rechnen
muss, erfüllt mich nicht mit
Freude. Grundlage, um öffentliche Haushalte zu sanieren, ist Sparsamkeit und das
Beenden von Doppelgleisigkeiten. Aber ohne Wirtschaftswachstum wird es
nicht gehen. Und da bin ich
optimistisch. Deutschland ist
unser Exportland Nummer
eins. Ich denke, wenn dort
500 Milliarden in die Hand
genommen werden, um die
eigene Wirtschaft anzukurbeln, wird auch bei uns ein
Wachstum entstehen.

Der Ministerpräsident des
deutschen Bundeslandes Baden-Württemberg, ein Grüner, hat zuletzt gemeint: Es
müsse wieder mehr „rangeklotzt“ werden. Ein „Mentalitätsschub“ sei nötig. Braucht
Österreich den auch?

Menschen meiner Generation können sich noch an das
Lied „Jetzt wird wieder in die
Hände gespuckt“ erinnern.
Vielleicht ist das ein gutes Bild.
Es wäre falsch zu sagen, dass
die junge Generation nicht
leistungsbereit ist. Wir haben
aber die Verantwortung, dass
junge Leute wieder eine Perspektive haben und sie nicht
das Gefühl plagt, sich keine
eigenen vier Wände leisten zu
können. Das wird die Bereitschaft, wieder in Vollzeit zu
arbeiten, erhöhen.

Wenn man nur auf die durchschnittlich geleisteten Wochenstunden in Vollzeit
schaut, liegt Österreich im
EU-Spitzenfeld. Nimmt man
die Teilzeitkräfte mit in die
Rechnung, liegen wir ganz
weit hinten. Muss man hier
den Hebel ansetzen?

Es braucht zusätzliche Anreize. Wir müssen uns zum
Beispiel die Steuerquoten in
Bezug aufs Einkommen anschauen. Wer bis 36.000 Euro
brutto pro Jahr verdient, zahlt
30 Prozent Steuer. Verdient
man mehr, wird jeder Euro
über dem Grenzwert mit 40
Prozent besteuert. Dann ist die
Frage: Tut man es sich an,
mehr zu arbeiten? Es wird ein
Bündel an Maßnahmen brauchen, damit die Bereitschaft zur
Vollzeitarbeit wieder da ist.

Geht es nicht auch darum,
zuallererst ein ausreichendes Angebot an Kinderbetreuung sicherzustellen?
Das Tiroler Modell des
Rechts auf Kinderbildung und
Kinderbetreuung ist Österreichweit vorbildlich. Damit
werden wir einen wesentlichen Beitrag leisten, damit beide
Teile einer Familie die Voraussetzungen haben, einer Arbeit
nachgehen zu können. Das
werden wir 2026 umsetzen.

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APA/ ERWIN SC