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Jahr: 2023
/ Ausgabe: 2023_07_15_Presse_OCR
- S.3
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Tiroler Tageszeitung
TirolerseTageszeitung
„Innsbruck gibt ein fragwürdiges Vorbild ab“, Seite 2
15.7.2023
Analyse
Innsbruck gibt ein
fragwürdiges Vorbild ab
Von Michael Domanig
ass ein privater Bauträger ver-
sucht, aus einem teuer angekauf-
ten Grundstück das Maximum
herauszuholen — wie es jetzt beim heiß
umstrittenen Projekt Innstraße 115 in
Innsbruck gelungen ist —, kann man ihm
nicht zum Vorwurf machen. Das liegt
einfach in der Natur des Geschäfts. Und
so ehrlich muss man sein: Leistbares
Wohnen wäre in einer derartigen Premiumlage wohl nie entstanden.
Dennoch bleibt man als neutraler
Beobachter nach der jüngsten Sitzung
des Innsbrucker Gemeinderates einigermaßen ratlos zurück: Warum genau hat
man dem Investor per neuem Bebauungsplan gleich 80 % (!) an zusätzlicher
Nutzfläche ermöglicht? Und wieso ist es
nicht gelungen, in so einem Fall zumindest größeren öffentlichen Mehrwert
herauszuholen? Das
konnte eine Mehrheit
im Gemeinderat auch
in zig Wortmeldungen
nicht schlüssig beantworten. Denn bei
michael.domanig@tt.com
allem Respekt: Einige Räume für eine
Kinderkrippe und Vereine sowie ein paar
Quadratmeter für einen Biketrail nehmen sich im Vergleich zum gewaltigen
Plus für den Investor ganz schön mickrig
aus. Und das zentrale Argument, dass
es nun gelungen sei, eine alte Villa auf
dem Grundstück zu erhalten, erscheint
einfach nur skurril: Denn sie wird mitten
in einem künftig komplett verbauten
Hang nicht mehr sein als ein kurioser
Fremdkörper - da sind sich Tirols führende Architekturvertreter, Stadtplanung
und Gestaltungsbeirat einig. Doch deren
Warnungen wurden im nämlichen Fall ja
in den Wind geschlagen. Ob ein britischer Stararchitekt ausreicht, um diese
Kehrtwende in Sachen Baukultur wieder
vergessen zu machen?
Am schwersten wiegt aber womöglich
das Argument der Präzedenzwirkung:
Man kann davon ausgehen, dass andere Investoren aufmerksam mitverfolgt
haben, was da in Innsbruck möglich
war. Wieso sollten sie nicht versuchen,
ähnlich viel zu erreichen? Den Tiroler
BürgermeisterInnen und Bauausschüssen darf man für künftige Verhandlungen
in Sachen „Ööffentlicher Mehrwert“ schon
jetzt viel Erfolg wünschen — und viel
Glück. Sie werden es brauchen.
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