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KURIER

„320.000 Euro für ein ‚Microapartment““, Seite 17

29.7.2023

320.000 Euro für ein „Microapartment“

Tirol. Die neue Wohnanlage eines Immobilien-Investors zeigt exemplarisch, welche Preise in Innsbruck auf
dem freien Wohnmarkt aufgerufen werden. Und wie Anleger - erfolgreich — umworben werden

VON CHRISTIAN WILLIM

Das Grundbuch spricht mitunter Bände. Im Fall eines
privaten Wohnbauprojekts
am Innsbrucker Südring beim
Westbahnhof erzählt es das
vorläufige Ende einer Geschichte, die ein Jahrzehnt
die Stadtpolitik beschäftigte.

Hier zeigt sich exemplarisch, wie der knappe Grund
und Boden in der Tiroler Landeshauptstadt und darauf errichtete Immobilien zum Spekulationsobjekt werden, während der Wohnraum für die
breite Masse immer unerschwinglicher wird.

Noch wird an einigen
Ecken des aus vier Wohnblöcken bestehenden „Stadt Carre“ gewerkt, während in anderen Teilen bereits Bewohner
eingezogen sind. Laut der
Homepage des Immobilien-
Entwicklers Zima stehen von
rund 250 Wohnungen nur
noch 31 Objekte zum Verkauf.

In Bausch und Bogen

Ein Blick in das Grundbuch
zeigt: Einige Investoren haben in Bausch und Bogen zugeschlagen. Acht Käufer — darunter Stiftungen, Unternehmer aus Innsbruck oder Touristiker aus Südtirol — haben
sich drei und mehr Wohnungen gesichert. Ein Architekt
sticht besonders hervor. Er
hat als Privatperson alleine
30 der Einheiten und über
eine Gesellschaft, die ihm zu
hundert Prozent gehört, noch
einmal 15 erworben.
Immobilien nicht für den
Eigenbedarf, sondern für die
Vermietung oder als reines
Investment zu kaufen, das ist
der Inbegriff von Anlegerwohnungen. „Sichern Sie
sich jetzt Ihr Immobilieninvestment in der lebendigen
Universitätsstadt Innsbruck“,
bewirbt die Zima aktuell besonders den Verkauf von
noch verfügbaren „Microapartments“ in dem Geviert.
Die besagten Mini-Wohnungen werden vollmöbliert
angeboten. Bei einer Größe
von 28,5 Quadratmetern werden bis zu 320.000 Euro aufgerufen. Die Zima verspricht

„Das ist ein Filetstück,
das früher im
öffentlichen Eigentum
war und jetzt maximal
vergoldet wurde“

Benjamin Plach
SPÖ-Stadtparteiobmann

dennoch „beste Vermietbarkeit“ und „attraktive Rendite“.

Für _ SPO-Stadtparteiobmann Benjamin Plach ist das
Wohnquartier mit seinen vier
Blöcken „sinnbildlich für die
verfehlte Raumordnungspolitik der Stadt Innsbruck“. Er
hatte im „Stadt Carre“ stets
ein Spekulations- und Anlegerobjekt gesehen.

Plach kritisierte immer

wieder, dass der Investor
nach jahrelangem Ringen mit
der Stadt letztlich doch mit
Gemeinderatsmehrheit eine
Flächenwidmung erhalten
hat, „ohne die er nie bauen
hätte können“. Zudem wurde
ein Bebauungsplan mit einer
erheblich erhöhten Dichte im
Vergleich zum ursprünglichen Altbestand genehmigt.
Diesen Altbestand hat die Zima 2019 platt gemacht.

Mietervertreibung

Rückblende ins Jahr 2012:
Dort, wo heute, das „Stadt Carre“ steht, befindet sich eine alte Wohnanlage aus acht Häusern, die entlang von drei Straßenzügen gruppiert sind. Eine
große Fläche im Innenhof, auf
der die Mieter liebevoll Klein-

Das „Stadt Carre“ in Innsbruck stemmt sich gegenüber alten Gründerzeithäusern aus dem Boden, die für den Stadtteil typisch sind

Die Preise im
neuen Geviert
sind exklusiver, als es die
Lage am stark
befahrenen
Südring vermuten lassen
würde

gärten angelegt hatten, ist eingezäunt, das einstige Paradies
dem Verfall preisgegeben. Der
Asphalt zwischen den Gebäuden ist aufgeplatzt. „Die wollen uns hier rausekeln, weil sie
die Häuser mit Mietern nicht
loskriegen“, sind sich die Bewohner damals einig. Eigentümer sind zu jener Zeit noch die

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ÖBB, die letztlich an die Zima

verkaufen.

Das macht den Ausgang
der Geschichte, die sich nun
im Grundbuch niederschlägt,
noch brisanter. „Das ist ein
Filetstück, das früher im öffentlichen Eigentum war und
jetzt maximal vergoldet wurde“, sagt Plach dazu.

WILLIM CHRISTIAN

Der Immobilien-Entwickler hat letztlich nur gemäß
seines auf Gewinn ausgerichteten Geschäftsmodells
agiert. Die Interessen der
Stadt waren anfänglich jedoch konträr zu den Vorstellungen des Unternehmens.

Für den Gestaltungsbeirat
waren die auf den Südring
ausgerichteten gründerzeitlichen Bauten mit ihren typischen Fassaden erhaltenswert. Die vom Bauträger geforderte Erhöhung der Baumassendichte auf etwa das
Doppelte hielt die Stadtregierung für überschießend.

Leistbarer Anteil

Die Zima wollte wiederum
nichts davon wissen, dass die
Stadtplanung als Gegenleistung für die Erfüllung der
Wünsche des Investors einen
Anteil von 25 Prozent der
Wohnnutzfläche für geförderten Wohnbau für angemessen gehalten hat.
Letztlich wurde das Areal
geschliffen, das Projekt — für
das sich beide Seiten auf
einen Architekturwettbewerb
verständigt hatten — entspricht nun im Grunde den
geforderten Dimensionen.
Anders als bei einem Projekt, bei dem ein Investor
eben erst vom Gemeinderat
eine massive Erhöhung der
Wohnnutzfläche für sein

Grundstück bewilligt bekam,
legten sich die Grünen von
Bürgermeister Georg Willi
beim „Stadt Carr&“ nicht quer.
„Der Wettbewerb, in dem die
Bedingungen festgelegt wurden, war vor meiner Zeit“,
rechtfertigt sich der 2018 ins
Amt gekommene Stadtchef.
Er gesteht aber ein: „Das,
was da jetzt rausgekommen
ist, ist genau so ein Projekt,
das man politisch nicht unterstützten sollte.“ Ganz ohne öffentlichen Mehrwert ist die
Stadt aber nicht ausgestiegen.
Sie hat mit der Zima ausgehandelt, dass ein Studentenheim in der Wohnanlage zu
verträglichen Preisen 48 Garconnieren erwerben kann.
„Aber noch hakt es rechtlich“,
sagt Willi. Die Geschichte ist
also noch nicht ganz zu Ende.