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Jahr: 2023
/ Ausgabe: 2023_08_25_Presse_OCR
- S.8
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Tiroler Tageszeitung
„Kind fiel in Gulli, Stadt soll haften“, Seite 5
Kind fiel in Gulli,
Stadt soll haften
Ein ungewöhnlicher Unfall auf einem Spielplatz wird
bald das Gericht beschäftigen. Dabei geht’s um 1000
Euro Schmerzensgeld, das die Stadt nicht zahlen will.
Von Thomas Hörmann
Innsbruck - Ein teils offener
Gullischacht auf einem Innsbrucker Kinderspielplatz war
bereits im Februar der Auslöser für einen Unfall mit relativ
glimpflichem Ausgang. Dabei
erlitt ein neunjähriger Bub
leichte Verletzungen. Der Anwalt der betroffenen Familie sieht die Verantwortung
bei der Stadtverwaltung und
fordert 1000 Euro Schmerzensgeld. Die Stadtführung
ist anderer Ansicht und lehnt
die Zahlung ab. Jetzt wird geklagt.
Es war am 14. Februar, als
der neunjährige Felipe am
Spielplatz in der Freundsbergstraße im Stadtteil Reichenau mit seiner Mutter
und dem Bruder Tischtennis
spielte. Als der Schüler gegen
17.30 Uhr in der Abenddämmerung einem Ball nachlief,
übersah er einen teilweise
offenen Kanalschacht in der
Wiese. Einen Augenblick später steckte der Bub bis zu den
Oberschenkeln im Schacht.
„Er hatte großes Glück, dass
er nicht tiefer in den Kanal
gefallen ist“, sagt sein Anwalt
Thomas Praxmarer. So kam
der junge Innsbrucker mit Ab-
, ‚ Als der Bub auf
den Deckel trat,
kippte dieser und das
Kind fiel dann in den
Schacht.“
Thomas Praxmarer
(Rechtsanwalt)
schürfungen davon, die in der
Innsbrucker Klinik behandelt
wurden. Die Mutter alarmierte zudem den städtischen
Ordnungsdienst (MÜG), später nahmen auch Polizeibeamte den Unfall auf. Dabei
stellten die Einsatzkräfte fest,
dass der kreisrunde Gulli-
Hier spielte der Bub Tischtennis. Der Kanalschacht, in den das Kind stürz-
te, wurde mittlerweile mit einem neuen Deckel versehen.
Foto: Failk
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deckel verschoben war und
den Schacht nur etwa zu zwei
Dritteln abdeckte. Der Verursacher ist ungekannt. „Als der
Bub auf den Deckel trat, kippte dieser und das Kind fiel
dann in den Schacht“, fasst
Praxmarer den Unfallhergang
zusammen.
Im Auftrag der Familie
wandte sich Praxmarer mit
der Forderung von 1000 Euro Schmerzensgeld an die
Stadtführung. „Weil diese
für den Spielplatz und damit
auch den Kanaldeckel verantwortlich ist. Außerdem ist
die Stadt ja ohnehin gegen
solche Fälle versichert“, sagt
der Anwalt. Die Versicherungsanstalt war es auch, die
die Haftung ablehnte. Später
reagierte auch die Stadtverwaltung: Die widerrechtliche
Öffnung des Kanaldeckels sei
nicht vorhersehbar. „Ist es
doch“, argumentiert Praxmarer: „Zumal Kinder mit allem
spielen, auch mit Kanaldeckeln, wenn sie entsprechend
leicht sind, was hier der Fall
war.“ Von Seiten der Stadt
hieß es weiters, dass regelmäßige Deckelkontrollen nicht
umsetzbar seien. Das Abstellen einer Person für die Kontrolle der Kanalabdeckungen
wäre eine „Überspannung
der Sorgfaltspflicht“. Für
Praxmarer eine mehr als zynische Reaktion: „Wie wär’s
mit Verriegelungen?“, schlägt
er vor. Die Klage sei bereits
in Vorbereitung. Demnächst
muss sich das Gericht mit der
Haftungs- und Schadenersatzfrage beschäftigen.