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Jahr: 2023

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- S.12

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Kurier

Nachwuchs. Im überparteilichen Lehrgang „Love Politics“ sollen Quereinsteiger Fähigkeiten lernen, um in der
Politik bestehen zu können. Was treibt diese jungen Menschen an? Der KURIER sprach mit drei Teilnehmern

VON CHRISTIAN BÖHMER

Auf der Liste aller Dinge, die
sich Yvonne Heubers Vater
für seine Tochter gewünscht
hat, war eines nicht zu finden: die Politik. „Mein Vater
hat immer versucht, mich davon fernzuhalten“, sagt die
Niederösterreicherin, und
das ist doch auffallend, denn:
Der Vater war selbst Bürgermeister. „Du hast wenig Zeit
für die Familie, gerade am
Wochenende. Im Gegenzug
musst du Anfeindungen und
Kritik für Dinge aushalten, für
die du mitunter gar nicht verantwortlich bist“, beschreibt
die Niederösterreicherin
mögliche Motive ihres Vaters.

Nach Jahren in der Privatwirtschaft heuerte die heute
38-Jährige als Öffentlichkeitsarbeiterin bei einer Gewerkschaft an. Und irgendwie war er plötzlich ganz
stark, der Wunsch etwas tun.
„Das kollektive Raunzen
bringt uns ja nicht weiter“,
sagt sie. Und allein der Umstand, dass sich jemand dazu
entschließt, politisch aktiv zu
werden, ist in Zeiten wie diesen alles andere als selbstverständlich.

Warum? Nun, das Image
der institutionalisierten Politik ist desaströs, wie der
OGM-APA-Vertrauensindex

„Das Ansehen der Politik
ist schlecht, insbesondere
auf kommunaler Ebene

haben wir ein
Nachwuchsproblem“

Sonja Jöcht!
Gründerin „Love Politics“

vom Juni zeigt: De facto alle
Bundespolitiker leiden unter
einem deutlich negativen Vertrauenssaldo.

„Das Ansehen der Politik
ist einfach schlecht, insbesondere auf kommunaler Ebene
haben wir ein Nachwuchsproblem“, sagt Sonja Jöchtl!.

Gemeinsam mit Experten
aus Deutschland und Österreich hat die frühere Ge-

äftsführerin der Europäischen Forum Alpbach Stiftung den Lehrgang „Love Politics“ entwickelt. Es ist eine
Art Crashkurs für Quereinsteiger und politische Talente.
Resilienz gegen Druck ist ein
Thema; Kommunikation und
In-der-Öffentlichkeit-Stehen
ein anderes.

Die Frage „Wer tut sich
Politik noch an?“ scheint sich
bei „Love Politics“ nicht zu
stellen, im Gegenteil: Für die
35 Ausbildungsplätze gab es
mehr als 1.200 Bewerber aus
Österreich, der Schweiz und
Deutschland. „Unsere Kandidaten verbindet, dass sie
nichts werden, sondern etwas
tun wollen“, sagt Jöchtl. Eben
Menschen wie Yvonne Heuber. Oder Alexander Auer.
Oder Lorenzo Ramani.

Gemeinsam mit Initiatorin Jöchtl sitzen die drei in
einem Wiener Gastgarten
und erzählen, warum sie sich
engagieren und Politik machen wollen.

Heuber interessiert die
Kommunalpolitik. Sie will
mithelfen, „dass der Zusammenhalt stärker wird“.

Der 29-jährige Start-up-
Unternehmer Alex Auer über-

STELLENMARKT

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„Das kollektive Raunzen

legt noch, welche Idee er umsetzen will. „Das kann eine
Kandidatur auf kommunaler
Ebene sein, oder es wird ein
wirtschaftspolitisches Projekt.“ Wichtig ist ihm, dass
Politik keine Erzählungen verbreitet, die sie nicht halten
kann. „Wenn ich behaupte,
dass in Österreich Leistung etwas wert ist, und es aber
gleichzeitig für ein junges
Akademiker-Paar mit gutem
Job in einer Stadt wie Innsbruck unmöglich ist, sich etwas aufzubauen, dann verliere ich die Menschen —- vor allem die jungen.“

Ist die Jugend grundsätzlich politisch desinteressiert?

Lorenzo Ramani unterrichtet selbst Mittelschüler
und widerspricht der These.

Ramanis Mutter musste
nach Österreich flüchten. Der
in Tirol geborene 25-Jährige
sieht viele Gründe, warum
sich junge Menschen, insbesondere mit Migrationshintergrund, nicht von der Politik vertreten fühlen. „Ich
wuchs am Rande des Alpbachtals auf und hab mit meiner Schuhplattlergruppe
stolz für den Bundespräsidenten geschuhplattelt. Trotzdem hat man mir gesagt ‚Du
bist kein echter Österreicher‘.
Das macht etwas mit einem
Kind.“

bringt uns ja nicht weiter“

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ERHÖHUNG DER POLITIKERBEZÜGE 2024

IM Unveränderter Bezug WAnp g um 4,85 Prozent
Bundespräsident ] 26.707
Bundeskanzler D 23.840
Vizekanzler D 20.979
Landeshauptleute D 20.703
NR-Präsident A 20.026
Ministerin/Minister D 19.072
Landesrätin/-rat ] 18.633
Staatssekretärin/-sekretär F 17.165
Klubobleute aa 16.211
NR-Abgeordnete D 10.351
LT-Abgeordnete D 8281
Bundesratsmitglieder I 5176

] Grafik: MPO, APA, Quelle: Statistik Austria/APA

(li.) hat die
neue
Ausbildung
„Love Politics“ mit entwickelt.
Yvonne
Heuber,
Alexander
Auer und
Lorenzo
Ramani
gehören zu
den ersten
35, die den
Kurs machen
dürfen

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Love Politics

Mehr als 1.200 Menschen aus
Deutschland, Österreich und
der Schweiz haben sich für den
berufsbegleitenden Lehrgang
„Love Politics“ beworben. Beim
Assessment wurde darauf
geachtet, dass die Teilnehmer
die Vielfalt der Gesellschaft
abbilden. Neun Monate lang
werden Grundlagen vermittelt
(politische Leadership, Kommunikation etc.).

Kosten

Die Teilnehmer tragen einen
Selbstbehalt (1.000 €). Den
Rest leisten Bildungsstiftungen,
EU, Republik und Sponsoren.

GILBERT NOWY

„Den trainierten
Politikertypus haben
viele satt. Ich will

Politiker mit Ecken
und Kanten“

Lorenzo Ramani
Teilnehmer „Love Politics“

Ramani will sich für politische Bildung in den Schulen
und Fragen der Chancengleichheit engagieren. Und er
weiß, was er nicht will, nämlich: aalglatt sein. „Den trainierten Politikertypus haben
viele satt. Ich will Politiker
mit Ecken und Kanten.“

Dass es Ausbildungsschienen wie „Love Politics“ dringend braucht, dafür besteht
für Politikanalyst Peter Filzmaier kein Zweifel. „Bis auf
die Jahre unmittelbar nach
dem Zweiten Weltkrieg war
Politik noch nie so schwierig
wie heute.“ Gesellschaft und
internationale Vernetzung
seien komplex. Gleichzeitig
gelte es, multiple Krisen zu
bewältigen. „Wir würden viel
mehr Aus- und Fortbildung in
der und für die Politik brauchen“, sagt Filzmaier. „Und
das wäre keine Konkurrenz,
sondern eine Ergänzung zu
den _ Parteiakademien.“ Und
im Ubrigen bestehe eine der
größten Unkulturen Österreichs darin, dass Menschen
ihr ganzes Leben in der Politik verbringen, man könnte
auch sagen: verharren.

Bei den drei Erwähnten
besteht diese Gefahr wohl
kaum. „Ich sehe jetzt einfach
ein Fenster, in dem ich Energie und Zeit habe, mich zu engagieren“, sagt Alexander Auer stellvertretend für alle. Der
Gemeinderat in Innsbruck
wäre eine Perspektive, wo er
sich einbringen, etwas ändern könnte. Aber eines sei
völlig klar: „Ich muss und will
nicht mein ganzes Leben in
der Politik verbringen.“