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Jahr: 2025
/ Ausgabe: 2025_02_8_Presse_OCR
- S.8
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Tiroler Tageszeitung
„Form ist eindeutig, Raum vieldeutig“, (Beilage: Wohnen) Seite 5
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Leopold Gerstel: ein Mann mit Haltung und
A
M
Visionen.
Foto: Cohen Gerstel
Form ist eindeutig, Raum vieldeutig
Im Innsbrucker aut wurde der 100. Geburtstag von Architekt Leopold Gerstel gefeiert.
Innsbruck - Mathieu Wellner
ist sich sicher, dass Innsbruck
heute wesentlich urbaner und
interessanter wäre, wenn Leopold Gerstel in den 1980er-
Jahren seine Pläne etwa für
den Neubau des Innsbrucker
Rathauses bzw. eines Hotels
am Hauptbahnhof hätte realisieren können. Aber leider war
Gerstel, der zwischen 1982 und
1993 neben Josef Lackner und
Othmar Barth einer der charismatischsten Architekturlehrer
an der damals jungen Innsbrucker Baufakultät war, ein
Architekt der „zweiten Preise“
und utopisch anmutenden
theoretischen Konzepte.
Der am 30. Jänner 1925 in
Rumänien geborene Gerstel
hat am Technion von Haifa
Architektur studiert, um nach
Gastprofessuren in Wien, New
York und London als Vorstand
des Instituts für Gebäudelehre und Wohnbau nach Innsbruck berufen zu werden. Auf
Anregung von Rainer Köberl,
einem seiner Schüler bzw. Assistenten, wurde im Innsbrucker aut exakt an Gerstels 100.
Geburtstag an den Menschen
und Architekten erinnert, dessen Haltung in Sachen Baukunst nichts von ihrer Aktualität verloren hat.
Mit Mathieu Wellner, der
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gerade dabei ist, eine Ausstellung über Gerstel und seinen
Antipoden Othmar Barth im
Innsbrucker Archiv für Baukunst vorzubereiten, war ein
Berufener am Podium. Der besonders den Menschen in den
Mittelpunkt seines Erinnerns
stellte, den Zeichner und Maler, als der sich Gerstel letztlich verstand, den Flaneur und
Menschenfreund, den Mann
mit unerschütterlicher Haltung und viel Humor,
Von dem viele seiner SchülerInnen nichts Geringeres als
ein interdisziplinäres Denken
gelernt hätten, so Wellner. Von
einem, der in einer Zeit, in der
verdichtetes Bauen noch kein
Thema war, utopische Projekte, etwa in der Form von Wohnpyramiden, entwickelt hat. Mit
dem Ziel, auf diese Weise möglichst wenig Bauland zu versiegeln. Das Neudenken von
Urbanität war Gerstels zentrales Anliegen, der Stadtraum
das von Licht und Luft erfüllte
Foyer für kollektives Wohnen.
Die „Form ist eindeutig, Raum
vieldeutig“, war Leopold Gerstels Credo als Architekt, der
in Innsbruck mit der HBLA in
der Technikerstraße leider nur
ein einziges Bauwerk realisieren konnte. Leopold Gerstel ist
2010 in Haifa gestorben. (schlo)