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Tiroler Tageszeitung

TirolerseTageszeitung

„Eine neue Stadt wächst“, (Beilage „Magazin“, Nachtrag vom 28. Juli

2024) Seite 8-11
1.8.2024

EINE
NEUE
STADT

Passanten konnten zuletzt am Innsbrucker Hauptbahnhof beobachten, wie Tausende Pflanzen in eine Fassade
getopft wurden, Begrünung lautet das Ziel vieler Städte.
Text: Sabine Strobi Fotos: Aita Falk, Axei Springer

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agelang fuhr die Rampe auf
und ab, Schwindelfreie „Gärtner” setzten 7500 Pflanzen
Der Firmensitz von Tiroler Wohnbau
am Südtiroler Platz ist das
bislang größte Projekt einer
Fassadenbegrünung in der
Landeshauptstadt. Das neue
Hauskleid steht für die Klimaanpassung, die in vielen
europäischen Städten schon vorangetrieben wir«

500 Pflanzen täglich setzen

Damit die im Kühltransporter angeliefer
ten Pflanzen nicht verwelken, müssen sie
rasch ins Substrat, „Eine Person schafft
es, am Tag bis zu 500 Pflanzen einzuset
zen“, sagt Projektleiter Rainer Sebal von
Grünkonzept, während der Aufzug höher-

rattert, ‚Man merkt den Temperaturunterschied schon“”, freut sich ein Industriekletterer, der bereit ist, künftig Pflanzenpflege
am Kletterseil zu übernehmen.

Auf der Fassade gedeihen zwölf verschiedene Pflanzen wie Bergminze und
Polster-Thymian. Hinter der Fassade
spielt sich die Technik ab: Die hinterlüftete Konstruktion ist auf 50 Jahre angelegt. Auf eine wasserfeste Platte folgen
drei Lagen Vlies. Im mittleren Taschen-
Vlies mit Substrat wurzeln die Pflanzen.
Am Dach befindet sich die sensorgesteuerte Bewässerungsanlage, die auch
Nährstoffe zu den Pflanzen bringt. Die
Tropfschläuche schlängeln sich nach
unten, Fallrohre dienen bei Bedarf der
Entwässerung. Wasser- und Nährstoffzuführ werden mit dem Handy gesteuert.
Unverzichtbar für die Anlage sind ferner
der Brandschutz und ein Taubenschutz

Mit der Begrünung sollen mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen
werden. Sebal rechnet damit, dass durch
Fassadenbegrünungen die Raumtemperatur in beißen Sommern um einige Grad
gesenkt werden kann. Im Winter funktioniert die lebende Wand als Dämmung,
um Heizkosten zu senken. Für Privatpersonen ist der Aufwand eines vertikalen
Gartens mit w indenen Pflanzen
wohl zu hoch. Sie werden eher Kombilösungen von Photovoltaik und Begrünung
am Dach oder indene Lösungen für Kletterpflanzen am Rankgitter
‚wählen. 1000 bis 2500 Euro pro Quadratmeter kostet die Errichtung einer wand-

‚bundı v ü derzeil

Weniger Energiekosten

Anlass für die Begrünung war die sanie

rungsbedürftige Steinfassade des Hau

ses. Zumal es am Südtiroler Platz nur einen einzigen Baum gebe. bemerkt Fabtan
Schrems, Bauleiter der gemeinnützigen
Tiroler Wohnbau GmbH. Er rechnet mit
einem Einsparpotenzial bei den Energiekosten von bis zu 60 Prozent, „Vor dem
begrünten Gebäude könnte es auch an
heißen Sommertagen künftig um 5 Grad
kühler sein als in der Umgebung.®

19 Grad kühler

Vom Beitrag zur Artenvielfalt in Städten bis zur Feinstaubabwehr gibt es viele
Argumente für die Fassadenbegrünung,
„Bei Vertikalbegrünungen kann eine Verringerung der Oberfläch

Ahom im Park? „Es gibt zwei Mechanismen von Pflanzen, die für den städtischen Raum wichtig sind. Erstens spenden Bäume Schatten. Zweitens können
Pflanzen Wasser transpirieren”, erklärt
Georg Wohlfahrt, Ökologe an der Universität Innsbruck. Bäume nehmen Wasser in der Wurzel auf und verdunsten es
über die Blätter, ein kühlender Effekt tritt
ein.

Oberflächen nicht.

Die Stadt als Labor
Wohlfahrt nennt ein Beispiel: Studierende haben bereits im Mai 2016 Aufnah
men mit einer Wärmebildkamera von der
Seegrube aus gemacht. Die Grünflächen
im Hofgarten und beim Sanatorium waren um 10 Grad kühler als der Gebäudekomplex um das Kongresszentrum.
Innsbruck setzt bei der Begrünung vor
allem auf Bäume. Dazu gibt es umfangreiches Datenmaterial. Man weiß, dass
Stadtbäume eine etwas längere Wachs:
tumsphase haben als Bäume im Umland.
Besonderes Augenmerk verlangt die
Auswahl der Bäume. Schwarzpappeln,
die Nummer zehn auf der Liste der häufigsten Bäume in Innsbruck, sollten nicht
im städtischen Raum gepflanzt werden.
Der Grund: Diese Baumart gibt in hohem
Maße die gasförmige Verbindung Isopren ab, die zusammen mit Stickoxiden
etwa aus dem Verkehr bei der Entstehung
von bodennahem Ozon eine gewichtige
Rolle spielt. Dieser sckundäre Schadstoff kann Atmungsfunktion und das
Herz-Kreislauf-S: inträchti|

von bis zu 19 Grad Celsius im Vergleich
zu nicht begrünten Wandoberflächen
festgestellt werden”, betonen die Land

und Verkehrsplanerin Bente
Knoll und der Bauwerkbegrüner Ralf
Dopheide, Sie begleiten das Innsbrucker
Projekt mit weiteren Messungen, um
neue Daten über Hitzeinseln in den Städten zu bekommen. Dopheide hat die Fassadenbegrünung am Haus des Meeres in
Wien in der Ausführung der Bewässerungstechnik und Bepflanzung betreut
und etwa Pergolen für Freiluftklassen
gestaltet. Die Begrüner schen Bäume als
„lebendigen Baustoff, der eine jahrzehn

telange Lebensdauer hat, wenn sie richtig gepflegt werden”. Ihrer Ansicht nach
haben Städte in Sachen Klimaschutz und
Kl dı Vorhil

und laut den Experten wirklich noch viel
Luft nach oben.

Was bringt all das Grünzeug von der
Glockenblume in der Fassade bis zum

Der Vorzug sollte nach Untersuchungen
anderen Bäumen auf der Liste wie Spitzaborn oder Winterlinde gegeben werden.

Hitzetage nehmen noch zu

Die Hitze steigt in Europas Städten. Von
1961 bis 1990 wurden in Innsbruck 9
Hitzetage (über 30 Grad gemessen). Bis
2020 waren es durchschnittlich 23, letztes Jahr 35 Hitzetage, berichtet Umwelttechniker Manfred Kleidorfer von der
Uni Innsbruck. Die Prognose ohne Klimaschutz liegt bei 56 Tagen. Begrünung,
in welcher Form auch immer, hilft, die
Hitzeinseln in der Stadt einzudämmen.
Pflanzen haben einen Vorteilk: Ihre Temperatur steigt nicht über Lufttemperatur.
Beton und Asphalt können aber 50 bis 70
Grad heiß sein. Den Kopf hänz lassen
müssen Stadıbewohner nicht. ‚In zehn
Jahren kann man viele Verbesserungen
erreichen”, sagt Kleidorfer

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