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Tiroler Tageszeitung

„Digitale Inklusion als Chance für Unternehmen“, (TT Beilage), Seite 41

Digitale Inklusion als Chance
für Unternehmen

2025 wird ein neues Gesetz für digitale Barrierefreiheit in Kraft treten. Es verpflichtet größere Unternehmen,
ihre digitalen Produkte barrierefrei nutzbar zu machen. Aber auch Kleinunternehmen gewinnen dadurch.

Natascha Mair

Innsbruck —- Ein Kurzvideo
auf Youtube, eine Folge „Die
Simpsons“, eine Homepage
oder der Kartenautomat
der ÖBB. Für die Mehrheit
der Menschen ist der Konsum dieser Dinge selbstverständlich. Nicht so für die
1,9 Millionen Menschen in
Österreich mit unterschiedlichen Formen von Einschränkungen. Obwohl die
Digitalisierung Menschen
mit Behinderung zu mehr
Lebensqualität verhilft — wie
etwa durch Screenreader für
Sehbehinderte —- sind Betroffene nach wie vor vom Kon-

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‚ Die Barrieren, denen Menschen mit

Einschränkungen in der

digitalen Welt begegnen,

sind vielfältig.“

Christina Scharf

(Übersetzerin)

sum vieler digitaler Produkte
ausgeschlossen.

Ab Juni 2025 soll das anders werden: Das auf einer
EU-BRichtlinie basierende Digitale Barrierefreiheitsgesetz
verpflichtet Unternehmen
ab zehn Mitarbeitenden und
mit einem Jahresumsatz von
über zwei Millionen Euro da-

zu, ihre digitalen Inhalte und
Dienstleistungen barrierefrei zugänglich zu machen.
Websites, Apps und andere
digitale Plattformen müssen
so gestaltet sein, dass Menschen mit unterschiedlichen
Beeinträchtigungen sie problemlos nutzen können.

Digitale Barrierefreiheit
mache aber auch für kleinere Unternehmen Sinn, sagt
Christina Scharf, die als audiovisuelle Übersetzerin für
Englisch, Deutsch und Italienisch und Editorin tätig
ist. „Indem Unternehmen
die Anforderungen erfüllen, öffnen sie ihre Türen
für Menschen mit Seh- oder
Hörbeeinträchtigungen, motorischen Einschränkungen
und anderen Behinderungen und erhöhen so auch ihre Reichweite.“ Die Kosten,
um digitale Inhalte — zum
Beispiel die Homepage oder
den Onlineshop eines Unternehmens - barrierefrei zu
gestalten, seien im Vergleich
zur Erstellung der Produkte
recht gering.

„Die Barrieren, denen Menschen mit Einschränkungen
in der digitalen Welt begegnen, sind vielfältig: unlesbare Schriftgrößen, zu wenig
Kontrast zwischen Schriftfarbe und Hintergrund, unzugängliche Bedienelemente,
fehlende Audiountertitelung
oder Live-Dolmetschung und
Alternativtexte für Bilder oder
Audiodeskription sowie eine
zu komplexe Sprache“, erklärt sie. Während die einen
in den Bereich Webdesign
fallen, können andere Hindernisse von audiovisuellen
Übersetzenden wie Scharf
beseitigt werden.

Scharf selbst bietet haupt-

vr

Menschen mit Beeinträchtigungen sind nach wie vor vom Konsum vieler digitaler Produkte ausgeschlossen.

sächlich die Untertitelung
von Werbefilmen, Reels,
Online-Kursen oder anderen Videos an. Zwar könne
man automatisch generierte
Untertitel als Ausgangsbasis verwenden, jedoch seien
diese oft fehlerhaft und sollten daher auf jeden Fall von
Profis überarbeitet werden.
„Gerade in Österreich, wo
viele im Sinne des Trendthemas Authentizität in ihren

Videos Dialekt sprechen,
sind automatische Untertitel
keine gute Lösung“, sagt sie.
Außerdem erfüllten automatisierte Untertitel weder die
Regeln für die nötige Mindesteinblendedauer noch
die maximale Zeichenanzahl
pro Zeile. Professionelle Untertitel seien sehr komplex
und entsprächen selten hundertprozentig dem Gesagten.
„Bei der Setzung von Unterti-

teln time ich jeden einzelnen
möglichst genau passend
zum Gesagten, aber gleichzeitig auch so, dass er jeweils
mindestens eine Sekunde
lang eingeblendet wird, sodass dazwischen eine fürs
Auge angenehme Pause ist
und möglichst die Schnittfolge beachtet wird“, erklärt
Scharf, die unter anderem
bereits Staffel 34 von „Die
Simpsons“ untertitelt hat.

Foto: iStock

Die Unternehmen sollten
die Umsetzung von Barrierefreiheit nicht als Last, sondern als Gewinn sehen, sagt
Scharf abschließend. Ein
Unternehmen, das barrierefreie digitale Lösungen bereitstellt, stärke sein Image
und schaffe positive Nutzererfahrungen für alle Nutzenden, und dies unabhängig
von ihren individuellen Fähigkeiten.“

Übersetzer für barrierefreie Kommunikation

Bei der Verwendung von digitalen Übersetzungstools geht es meistens um die Reduzierung von Kosten.

Wien - Im TT-Interview erklärt Ass.-Prof. Marco Agnetta
vom Institut für Translationswissenschaft der Universität Innsbruck, inwiefern der
Translatorenausbildung eine
zentrale Rolle bei der Schaffung barrierefreier Web-Angebote zukommen kann.
Wird der Bedarf an Sprachdienstleistenden mit dem
neuen Barrierefreiheitsgesetz steigen?
Marco Agnetta: Prognosen
über den Bedarf von Weblokalisierungen und -übersetzungen sind schwer zu
treffen. Öffentliche Akteure
greifen bei der Gestaltung
ihres Webauftritts und ihrer
Kommunikation immer häufiger auf maschinelle Übersetzungen zurück.
Wie steht es hier um die
Qualität?

Agnetta: Bei der Verwendung
von Übersetzungstools geht
es meistens um die Reduzierung von Kosten. Häufig
ist bei diesen Produkten die
Qualität nicht gewährleistet oder wird erst durch das
kaum aufwandsärmere Postediting eines Humanübersetzers garantiert.

Worin liegt der Unter-

schied?
Agnetta: Häufig ist es nötig,
die Form zu übermittelnder
Inhalte zu ändern, um deren
Akzeptanz und Nachvollziehbarkeit für bestimmte
Rezipientengruppen zu gewährleisten. Angebote in
leichter oder einfacher Sprache oder die Überführung
von Aussagen vom Mündlichen ins Schriftliche, vom
sprachlichen ins bildliche
Medium und umgekehrt —

das so genannte intersemiotische Übersetzen —- tragen
maßgeblich dazu bei, das
ursprüngliche Kommunikationsangebot zu ergänzen,

diverser zu machen und somit möglichst alle in gesellschaftlich relevanten Kommunikationssituationen zu
inkludieren.

Ass.-Prof. Marco Agnetta kritisiert häufig mangelnde Qualität von Überset-

zungstools.

Foto: privat

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Wie werden Studierende
der Translationswissenschaften in Innsbruck auf
die Schaffung barrierefreier Web-Angebote vorbereitet?
Agnetta: Nach einer Sensibilisierung für die Bedeutung
von Barrierefreiheit, nicht
zuletzt in digitalen Räumen,
lernen unsere Studierenden,
wie sie Web-Inhalte nicht
nur sprachlich, sondern auch
hinsichtlich der Zugänglichkeit optimieren können.
Leichte Sprache, Audiodeskription und Audiountertitelung, Untertitelung für
Hörgeschädigte - diese und
weitere Formen der barrierefreien Kommunikation
werden in wiederkehrendem
Rhythmus schwerpunktmäßig aufgegriffen.

Wird die Nutzung von

einschlägiger Software ge-

lehrt?
Agnetta: Die Studierenden
profitieren von Kooperationen mit den Entwicklern
von barrierefreien und Barrierefreiheit anstrebenden
Tools, etwa im Bereich der
Audiodeskription für Blinde und Sehbehinderte. Es
werden Konzepte und spezielle Softwarelösungen für
die Kompensation einer jedweden Beeinträchtigung im
Laufe des Studiums kennen
gelernt, z.B. Programme zur
Bildbeschreibung oder die
Audiountertitelung. Auch die
Fortschritte in der maschinellen Übersetzung und im
maschinellen Lernen werden
im Detail besprochen.

Das Interview führte
Natascha Mair