Pressespiegel seit 2021
Jahr: 2024
/ Ausgabe: 2024_07_31_Presse_OCR
- S.16
Suchen und Blättern in über 500 PDFs und 44.000 Seiten.
Gesamter Text dieser Seite:
Kurier
„Land sieht keine Wohnungsnot“, Seite 19
Innsbruck ist in
allen Preiserhebungen zu Mietund Kaufpreisen
an der absoluten
Spitze zu finden
Land sieht keine Wohnungsnot
Innsbruck. Ohne Verordnung kann Stadt keine Vorkaufsrechte auf Baugründe durchsetzen
VON CHRISTIAN WILLIM
Es dauerte zwei Jahre, bis das
Land Tirol zu einer Entscheidung
gefunden hat. Im Juli 2022 hielt
der Gemeinderat in Innsbruck in
einem Beschluss fest, dass in der
Landeshauptstadt Wohnungsnotstand herrscht. Das war kein symbolischer Akt. Vielmehr ging mit
der Entscheidung eine Aufforderung an das Land einher, die Notlage in einer Verordnung zu bestätigen. Damit sollte die Anwendung
des Bodenbeschaffı Sg Ze!
ermöglicht werden — und zwar österreichweit erstmals seit seiner
Einführung 1974.
Die Stadt hätte damit unter
anderem Vorkaufsrechte für
sämtliche unbebaute, als Bauland
gewidmete Grundstücke mit über
2.000 Quadratmetern Fläche anmelden können. In letzter Konsequenz wären sogar Enteignungen
möglich. Doch wie die Tiroler Tageszeitung am Dienstag berichtet,
wird daraus nichts. Das Land
sieht nämlich keinen ausreichend
großen „Wohnungsfehlbestand“
zur Ausrufung des Notstands.
Kritik an Berechnung
Der ist erreicht, wenn zwei Prozent
der Bevölkerung auf Wohnungssuche sind. Die Landesabteilung für
Bau- und Raumordnung sieht nach
einer Erhebung aber nur bei 1,74
Prozent der Innsbrucker Wohnbedarf. Für Vizebürgermeister Georg
Willi (Grüne) ist „die Berechnungsmethode des Landes nicht
nachvollziehbar“. Aus seiner Sicht
„drückt sich das Land Tirol vor
einer Verordnung zum Wohnungsnotstand und rechnet sich die Zahlen schön“.
Die Landeshauptstadt gilt österreichweit als der Brennpunkt
für unleistbares Wohnen schlechthin. Erst am Montag hat dies eine
Erhebung zu den Kaufpreisen von
Eigentumswohnungen durch
Raiffeisen Immobilien bestätigt.
Demnach ist Innsbruck hierbei die
teuerste Landeshauptstadt Osterreichs. Der gemeinnützige Wohnbau wiederum kann beim Kauf
von Grundstücken mit privaten
Spekulanten praktisch nicht mithalten.
Angemessener Preis
Bei Anwendung des Bodenbeschaffungsgesetzes könnte die
Preisspirale zumindest gebremst
werden, hoffen die Befürworter.
Die Stadt müsste aber Eigentümern jedenfalls angemessene
Entschädigungen bzw. Preise
zahlen. Die Grundstücke würden
also nicht automatisch günstiger
werden, überzogene Forderungen durch den Eigentümer wären
aber auch nicht möglich.
Das Bodenbeschaffungsgesetz
ist ein Relikt aus einer Ara, in der
Bruno Kreisky Bundeskanzler
war und die SPO mit absoluter
Mehrheit regierte. Ausgegraben
hat es vor drei Jahren der Innsbrucker SPÖ-Chef Benjamin
Plach. Auch er stößt sich daran,
wie der Wohnbedarf in Innsbruck
berechnet wurde: „Es ist völlig inakzeptabel, wie das Land Tirol die
„Das Land Tirol
drückt sich vor einer
Verordnung und
rechnet sich die
Zahlen schön“
Georg Willi
Vize-Bürgermeister
APA / EXPA/JOHANN GRODER
APA/HARALD SCHNEIDER
Seite 16 von 40
tatsächliche Zahl der Wohnungssuchenden in Innsbruck verzerrt
und somit verfälschend nach
unten korrigiert.“
Tatsächlich sieht das Land
den Bedarf der Wohnungssuchenden durch erst zu bauende,
aber bereits geplante geförderte
Wohnungen bereits reduziert und
kommt somit auf eine geringere
Quote als die Stadt in ihren Berechnungen. „Niemand kann in
einer Wohnung leben, die bisher
nur am Papier existiert und wo
noch kein Kubikmeter Baugrube
ausgehoben wurde“, so Plach dazu. Im Gemeinder hlkampf
vor wenigen Monaten ortete er
aufgrund der langen Entscheidungsdauer des Landes eine Blockadehaltung der ÖVP, mit der
die SPO auf dieser Ebene regiert.
Ein Präzedenzfall
Die Stadt-Roten wären deshalb
gerne vor den Verfassungsgerichtshof gezogen. Für Plach ist es nämlich überhaupt „system- und verfassungswidrig“, dass das Land für
die Anwendung des Bodenbeschaffungsgesetzes eine Verordnungsermächtigung hat. Er sieht
hier eine Kompetenzüberschreitung gegenüber der Stadt. Denn
einerseits sei die Raumordnung
den Gemeinden zugewiesen. Und
andererseits widerspreche diese
Regelung dem Recht auf Gemeindeselbstverwaltung.
Mit entsprechendem Interesse
wird der Versuch der erstmaligen
Anwendung des Bodenbeschaffungsgesetzes österreichweit verfolgt. In der Stadt Salzburg gab es
etwa ebenfalls bereits Vorstöße
von SPÖ und KPÖ zur Ausrufung
des Wohnungsnotstands. Auch
hier gibt die ÖVP in der Landesregierung den Ton an.
"WIHIM CHRISTIAN