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Jahr: 2024

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Der Standard

„Kompromisse sind wieder modern“, Seite 32

Kompromisse sind wieder modern

Innsbruck zeigt, dass sich die Menschen Politiker wünschen, die mit allen gut können

Petra Stuiber

zumindest eine Lektion fürs politi-

sche Leben gelehrt, Die Menschen
haben Zank, Hader und Missgunst in der
Politik satt. Sie wollen Verbindlichkeit
und einen, der mit allen kann. Das hat
der künftige Innsbrucker Bürgermeister,
den die ausgeschlossen hat, eindrucksvoll im Wahlkampf bewiesen -
und am Wahlabend gleich weitergelebt,

Anzengruber feierte in einem „linken” Lokal, gemeinsam mit dem unterlegenen Grünen Georg Willi und der
SPÖ-Frontfrau Elisabeth Mayer. Ob daraus gleich eine Innsbrucker „Caprese-
Koalition“ wird, zeigt sich in den kommenden Tagen. Doch die Botschaft ist
klar: Gemeinsam, auf Augenhöhe, mit
Respekt füreinander, mit allen reden -
so könnte Politik künftig funktionieren,

Das dachten auch dreißig bekannte
Persönlichkeiten abseits der Politik. Sie
starteten vor kurzem eine private Initiative, um „mehr Grips“ in die Politik zu
bringen. Es geht, grob umrissen, um bessere Ideen für die Zukunft, Auch ihre Devise lautet: sich zusammensetzen, zuhören, die Ideen der anderen nicht gleich
abtun. Die Ergebnisse des Mega-Brainstormings sollen folgerichtig allen Parteien zur Verfügung gestellt werden.

je meisten Politikerinnen und

Politiker wünschen sich übrigens

nicht den Dauerkonflikt. Menschen werden Politiker, weil sie, wie sie
oft betonen, „gestalten“ wollen. So weit
die Theorie.

In der Praxis leidet das politische System an starken Fliehkräften, die ihre
Energie just daraus bezichen, dieses System auseinanderreißen zu wollen. Es
gibt Parteien und Politiker, vornehmlich
am rechten, bisweilen auch am linken
Rand, deren politischer Inhalt darin besteht, grundsätzlich dagegen zu sein. Sie
fördern negative Gefühle, freuen sich
über Zank, Hader und Spaltung der Gesellschaft - denn das belebt ihr Geschäft.

In Österreich ist es vor allem die FPÖ,
die sich am „System“, der liberalen Demokratie und dem Rechtsstaat, abarbeitet. Herbert Kickls FPÖ verachtet konkurrierende Parteien, macht deren politische Inhalte lächerlich und nennt alle,
dieihr nicht in den Kram passen, „Volksverräter“,

Umso wichtiger wäre es, wenn nicht
nur die ÖVP ihre Lektion von Innsbruck

J ohannes Anzengruber hat die ÖVP

lernt. Konstruktiv gestrickte Politikerinnen und Politiker sollten sich nicht vom
Feindbildstakkato treiben lassen. Die
Konkurrenz ausschließlich sachlich zu
kritisieren, auf die schnelle Replik, das
saftige Bonmot oder die „harte Ansage“
zu verzichten wäre eine sinnvolle Stiländerung. Konzepte gut überlegt auszuarbeiten und zu ihnen zu stehen ebenso,
Fast täglich Ideen abzufeuern, die sich am
nächsten Tag als zu kurz gegriffen oder
nicht umsetzbar erweisen — Stichwort
„Leitkultur“ —, führt nicht zum Erfolg.
Oft heißt es, man würde ja gerne
mehr Substanz liefern. Aber medial ge-

fragt seien immer nur die schnelle
Schlagzeile, die harte Kritik am politischen Gegner. Sachpolitik und hart ausgehandelte Kompromisse gälten als
langweilig, Wer so argumentiert, übersieht die Realitäten, Viele Umfragen belegen inzwischen das dramatisch sinkende Vertrauen der Bevölkerung in die
Politik, Und die schnelle Schlagzeile
trägt Medien nicht über den Tag. Inhaltlich gehaltvolle Geschichten tun dies
schr wohl.

Die Ansprüche der Menschen an die
Demokratie haben sich verändert. Es
wird Zeit, dass die Politik darauf reagiert,

‘ KOPF DES TAGES ‘
horsten Schumm Eill hin, um so etwas zu mahatte zuletzt viel zu . chen?“, fragte er seinen

„ _feiern: Sein 49. Ge” Atomphysiker Lektor. Es fielen Namen

rtstag ns Haus, .4 wie Anton Zeilinger u
am selben Tag wurde sein am Pulsder Zeit Alain Aspect - inzwischen

Sohn neun, Wenige Tage beide Physiknobelpreis-

später wurde eine wissen- träger. Schumm packte

schaftliche Arbeit publi- seine Koffer und übersieziert, auf die Schumm jah- delte an die Universität
relang hingearbeitet hatte: Innsbruck. Dort war Zei-

Mit seinem Team von der linger gerade nach Wien

Technischen Universität berufen worden. Nach

Wien ist es ihm gelungen, einem Zwischenstopp in

den Wettlauf um angereg- Heidelberg kam auch

te Kernbausteine für sich Schumm 200 nach Wien.
zu entscheiden. Die erst- Forschung und Familie
malige gezielte Verände- miteinander zu vereinba-

rung im Inneren eines
Atomkerns könnte noch

ren ist ihm wichtig. „Bei
der Betreuung unseres

präzisere Atomuhren und Kinds war ich zumindest
extrem genaue GPS-Na- zu 50 Prozent beteiligt”,
vigation ermöglichen. Thorsten Schumm istan sagt Schumm., Seine Frau
Der Durchbruch könnte _ der TU Wien ein großer ist ebenfalls promavierte
Schumm auf die Liste der Durchbruch gelungen. Physikerin, beruflich in
i ä Fonte TUWion / ila führender Position tätig.
jeren. Wie er auf das Spezial-
Wie kam es, dass dem gebürtigen Ber- gebiet Thorium gekommen ist, mit dem

liner dies am Wiener Atominstitut der
TU Wien gelang? „Ich hatte großes
Glück, weil ich durch Zufall immer in
Forschungsgruppen gelandet bin, die
sehr relevante Arbeiten geleistet haben“,
erzählt er. Er begann mit einem Maschinenbaustudium an der TU Berlin, später
wechselte er an die Freie Universität
Berlin, zu Physik und Philosophie; die
Physik gewann schließlich die Oberhand.

Ein Seminar über grundlegende Experimente der Quantenphysik zog ihn dann
völlig in den Bann. „Wo muss man denn

der aktuelle Durchbruch gelungen ist,
beantwortet Schumm mit einem Scherz;
„Nachdem ich Thorsten heiße ...“ Tatsächlich kam die Inspiration dazu durch
die „sehr besondere Situation des Atominstituts“, sagt Schumm. „Das Atominstitut betreibt Österreichs einzigen
kleinen Forschungsreaktor, deswegen
haben wir hier die Möglichkeit, Quantenmechanik mit seltenen Isotopen zu
verbinden.” Dass er ab 2008 an diesem
Thema dranbleiben konnte, sei „ein großes Privileg“, für das er den Fördergebern
sehr dankbar sei. Tanja Traxler

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