Pressespiegel seit 2021
Jahr: 2024
/ Ausgabe: 2024_04_4_Presse_OCR
- S.4
Suchen und Blättern in über 500 PDFs und 44.000 Seiten.
Gesamter Text dieser Seite:
Tiroler Tageszeitung
„Das Löcherstopfen gehört nicht gepflegt“, Seite 4
Das Löcherstopfen
gehört nicht gepflegt
Über 150 Pensionierungen müssten die ISD bis 2034
mit neuem Pflegepersonal ausgleichen. 65 Betten sind
gesperrt, der Ausblick ist ein „beinharter Kampf“.
Von Manfred Mitterwachauer
Innsbruck - Der Demografie
ist nur schwer ein Schnippchen zu schlagen. Der Arbeitsmarkt dünnt nicht nur im Pflegebereich immer mehr aus.
Viele Branchen klagen über
Facharbeitermangel. Hubert
Innerebner weiß das. Trotzdem ist er beinahe gezwungen, das Unmögliche möglich
zu machen. Wenn nicht, hat
nicht nur der Geschäftsführer der Innsbrucker Soziale
Dienste GmbH (ISD) und damit des größten Pflegeheimanbieters Westösterreichs ein
massives Problem. Sondern
auch die Gesellschaft.
Nach wie vor kämpft der
Pflegebereich mit einem
massiven Personalmangel.
Allen Anstrengungen der Politik in den vergangenen Jahren - wie neuen Ausbildungsschienen, Image-Kampagnen
und monetären Verbesserungen - zum Trotz. Neben der
Demografie seien die zentralen Personalfehler in den
2000er-Jahren gemacht worden, sagt Innerebner. Damals
sei der Bedarf (politisch) nahezu i ich angegangen worden. Aus heutiger
Sicht ein Fehler. Seither präge
das Löcherstopfen im Personalbereich den Pflegealltag.
Das offensichtlichste Zeichen, dass zu wenig Pflegepersonal vorhanden ist, sind
Bettensperren. Egal, ob im
Heim- oder Klinikbereich.
Aktuell hat sich der Stand
bei den ISD bei 65 (von rund
1000 in Summe) eingependelt. 30 bis 40 Pflegekräfte
(Vollzeitäquivalente) wären
nötig, um diese Betten zu reaktivieren. Man habe sich in
den vergangenen Jahren aber
auch schon einmal der Zehn-
Prozent-Marke angenähert,
warnt Innerebner vor allzu
viel Optimismus: „Die Situ-
ter Kampf um das
ausgebrochen.
Abwerbungen bringen
aber dem System nichts.“
Hubdert Innerebner
(Geschäftsführer 1SD)
ation kann sich auch wieder
verschlimmern.“ Mit Blick in
die nahe Zukunft droht eher
Letzteres.
In den nächsten fünf Jahren stünden ISD-intern an
die 100, bis 2034 gar über 330
Pensionierungen an. Jeweils
die Hälfte davon betreffe das
Innsbrucker Soziale Dienste GmbH
Pfiege: Die Stadt-Tochter ISD Kriterium ist aber die jewedige
Ist der größte Pflegedienst- Dringlichkeit der Pfiegebedürf-
Anbieter in Westösterreich. tigkeit.
Sie verfügt aktuell über 1000
stationäre Betten und rund 860 FEssen: Die ISD bereiten für den
Beschäftigte in der stationären Dienst „Essen auf Rädem“ rund
und mobilen Pfiege. 700 Mahizeiten pro Tag zu. Parallel dazu werden an die 3500
Aufnahmen: Tells werden in Essen für die Versorgung der
‚den ISD-Heimen inzwischen nur Städtischen Schulen, Kindergärnoch Personen ab der Pflege- ten und Horte produziert und
stufe 4 aufgenommen. Zentrales ausgeliefert.
Pflegepersonal. Woher nehmen? Innerebner spricht von
einem „beinharten Kampf”
um jede Fachkraft. Teils würden sich Betriebe auch innerhalb Tirols mit gegenseitigen
Abwerbungen konkurrenzieren. Was gut für die ArbeitnehmerlInnen ist, helfe dem
System und dessen strukturellem Personalproblem indes nichts. Denn es brauche
schlichtweg neue Leute.
Die Pflegelehre ist eine Option, aber „nur eine Schraube“, wie Innerebner sagt. 16
Lehrlinge seien bei den ISD
aktuell beschäftigt, mit Herbst
hofft man auf weitere 10 bis
15. Tirol und Vorarlberg seien hier - österreichweit — am
besten gestartet. Der Bund
— weiter säumig, spricht der
ISD-Chef u.a. die eigentlich
per Verordnung vorgeschriebene Schaffung eines Ausbildungshandbuchs sowie einer
Ausbildungsdokumentation
an. Tirol habe sich diese beiden Tools somit vorerst selbst
Eine zweite wichtige Personalrekrutierungsschiene führt ins Ausland. Ohne
Drittstaatsangehörige gehe
es nicht. Mit Personalagenturen würden auch Länder wie
Kolumbien oder Bosnien gezielt nach Pflegekräften abgeklopft. Mittlerweile beschäftigen die ISD MitarbeiterInnen
aus 59 Nationen. Dass die
Minister Martin Kocher (Arbeit) und Martin Polaschek
(Bildung) vor wenigen Tagen
eine leichtere, weil standardisierte Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse
(Nostrifizierung) angekündigt hätten, sei überfällig, so
Innerebner: „Da ist bis dato
maßlos übertrieben worden.
Dieser politischen Ansage
folgen hoffentlich auch Taten.” Immer wieder würden
interessierte Pflegefachkräfte
beispielsweise nach Deutschland abwandern, weil dort die
Berufsanerkennung rascher
vonstattengehe.
Seite 4 von 20