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Jahr: 2024

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Der Standard

„Ein Wien-Geeichter zurück am Inn“, Seite
12.4.2024

Ein Wien-Geeichter zurück am Inn

Der Ex-Staatssekretär Florian Tursky soll der ÖVP im traditionell bürgerlichen Innsbruck den
Bürgermeistersessel holen. Eine schwierige Aufgabe — auch aufgrund konservativer Konkurrenz,

Iso angenehm ist das alles nicht. Da

wird man nach langem Hin und Her

zum Spitzenkandidaten einer neuen,
einer geeinten ÖVP-Liste im notorisch zerstrittenen Innsbruck gekürt. Da gibt man dafür extra einen prestigeträchtigen Sprungbrett-Posten als Digitalisierungsstaatssekretär in Wien auf. Und dann kommt just nach
der Entscheidung schon wieder dieser Querulant aus den eigenen Reihen daher und
gründet eine eigene Liste. Und dann macht
einem genau an diesem einen Tag auch noch
das Sauwetter einen Strich durch die Rechnung!

Florian Tursky von der Volkspartei hat es
derzeit wirklich nicht leicht. Eigentlich hätte
an d1esem M|thm)(hnachmmag sein Wahl-

finden sollen. Mit Wursteln und Frühlingsbl als Wahlk
Goodies. Natürlich vor dem Goldenen Dachl
Innsbrucks Wahrzeichen Nummer eins.
Schließlich ist man ja die ÖVP, die die bürgerliche Stadt am Inn jahrzehntelang geprägt und
dominiert hat. Wenn auch seit langer Zeit
unter wechselnden Decknamen. Aber dann
ist genau dieser Mittwoch der einzige Tag der
Woche, an dem es nach einem Temperatursturz schüttet wie aus Kübeln - während für
Dienstag, Donnerstag und jeden anderen Wochentag strahlender Sonnenschein angesagt
ist.

Viel Wien für Tiroler Geschmack

Das Team Tursky schmeißt deshalb noch
einmal alles um. Den von langer Hand geplanten Wahlkampfabschluss verlegt man kurzerhand auf den Freitag. Und an diesem kalten
Mittwochnachmittag steht Florian Tursky
statt auf der Bühne vor dem Goldenen Dachl
jetzt auf dem Gehsteig vor dem Spar in der
Höttinger Au. „Du willst also der neue Bürgermeister werden“, sagt ein Mann mit bunter
Brille und Innsbruck-typischer Funktionsjacke zum ÖVP-Kandidaten. „Das ist der Plan“,
erwidert Tursky, pflichtbewusst lächelnd.

Hier im Innsbrucker Wohnbezirk verteilt
der Politiker mit seinen Helferinnen und Helfern orange Umhängetaschen, auf denen „Auf
geht’s“ steht, Und darunter: „Das neue Innsbruck“. Denn Orange ist hier an der Nordket-

Martin Tschiderer

Der ÖVP-Kandidat Florian Tursky kämpft in seiner alten, neuen

Heimatstadt um das Amt des Bürgermeisters. Am Inn tritt die ÖVP
als „Das neue Innsbruck“ an und ist statt türkis orange. Am

Sonntag entscheidet die Bevölkerung.

Fotas- Fibian Mirdeder

te nicht die Farbe des weitgehend ausgestorbenen Polit-Projekts BZÖ, sondern der ÖVP.
Und die ÖVP ist hier nicht die ÖVP, sondern
„Das neue Innsbruck“. Zwar hat sich die Volkspartei nach beachtlichen drei Jahrzehnten
endlich mit der abtrünnigen bürgerlichen Liste „Für Innsbruck“ unter Ex-Bürgermeisterin
Christine Oppitz-Plörer versöhnt. Mit der
Volkspartei will man aber zumindest namentlich offenbar trotzdem nicht so direkt in Verbindung gebracht werden. Vielleicht ja doch
etwas zu viel Wien für Tiroler Geschmacksnerven.

Werken im Gemeinderat?

Nicht leicht hat es der wacker wahlkämpfende Tursky jedenfalls nicht nur wegen des
und der Q aus den
eigenen Reihen - kaum hat man Oppitz-Plörer im Boot und das konservative Lager
scheinbar wiedervereint, tritt nämlich der
bisherige ÖVP-Vizebürgermeister Johannes
Anzengruber bei der Bürgermeisterwahl am
Sonntag mit einer eigenen Liste an; was Tursky die sonst wohl sichere Stichwahl kosten
könnte.

Schwer machen es dem 35-Jährigen noch
zumindest zwei andere Gründe, Erstens: Dass
der frühere Büroleiter des einstigen Tiroler
Landeshauptmanns Günther Platter einst
nach Wien auszog, gefällt nicht allen in Innsbruck. Vor allem, weil er jetzt wieder zurückwill. Und noch mehr, weil ihm viele nicht
glauben, dass er lange bleiben wird. Im Vorfeld hatte Tursky zwar zugesichert, auch im
Gemeinderat werken zu wollen, wenn er es
nicht zum Bürgermeister schafft. Aber dass
das wirklich stimmt, können sich so manche
in der Tiroler Landeshauptstadt nicht so recht
vorstellen.

Und zweitens: Seine Partei ist in einem für
viele ÖVPler beunruhigenden Zustand. Ob
EU- oder Nationalratswahl, just im Superwahljahr schwächelt die Volkspartei massiv in
Umfragen. Selbst in der Festspielstadt Salzburg verlor man jüngst nicht nur den Bürgermeistersessel wieder an einen Roten; man
verpasste auch die Stichwahl deutlich, und
mit gerade 20 Prozent setzte es für den
schwarzen Spitzenkandidaten Florian Krei-

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bich ein handfestes Debakel. Oder wie es
Tursky formuliert: „Rückenwind hast du da
keinen.“ Da soll der Ex-5taatssekretar die
Konser im tradi| 1l bürgerlichen Innsbruck vor der nächsten Watsche retten. So muss sich Druck anfühlen für
einen Neo-Kommunalpolitiker. Wie entspannt kann man da sein?

„Der persönliche Druck wiegt schwerer auf
mir als der parteipolitische”, sagt Tursky,
beige Chino, blaues Sakko, Anstecknadel mit
seinem Listenlogo, wie sie amerikanische Präsidenten mit der US-Flagge tragen. Denn mit
seinem Antritt in Innsbruck und Rückzug aus
Wien habe er schon „alles auf eine Karte gesetzt“, wie er sagt. Warum eigentlich? Innsbruck sei für ihn als seine alte Heimatstadt
schon ein besonderes Pflaster. In seiner persönlichen Lebensplanung habe er bereits öfter mit einer Rückkehr an den Inn kokettiert.
„Ich hätte es aber wahrscheinlich in einer späteren Lebensphase gemacht.“ Nur: Alternative ÖVP-Kandidaten für Tirols Hauptstadt waren nicht wirklich da. Der Ruf der Partei kam.
Und Tursky folgte.

„Innsbruck an den Inn bringen“

Mit den Olympischen Winterspielen 1976
habe Innsbruck eine internationale Bedeutung erlangt, die weit über die eigentliche Größe der Stadt hinausgehe, sagt Tursky auch.
„Dafür hat es enorme Erneuerung gebraucht.”
Die sei unter dem amtierenden Bürgermeister
Georg Willi von den Grünen zum Erliegen gekommen. In der nächsten Legislaturperiode
brauche die Stadt aber wieder viel davon. Vor
allem bei den Themen, die man in Innsbruck
eigentlich überall und von allen hört: „Wohnen, Verkehr‚ Sandor1 Und das se|‚ sagt
Tursky, ein
den Inn bringen.“ Heißt: Eine Belebung des i mnerstädtischen Flussufers mit Gastronomie,
Sitzgelegenheiten und Stufen. „Wie in Lienz
oder Meran.“

Und dass der Ex-Staatssekretär auch ohne
Bürgermeistersessel in Innsbruck bleiben
will, stimmt das wirklich? „Absolut“, sagt
Tursky. „Wenn es kein voll ausfüllender Job
in Innsbruck wird, arbeite ich daneben eben
wieder in der Privatwirtschaft.“