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Jahr: 2023
/ Ausgabe: 2023_12_13_Presse_OCR
- S.16
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Kurier
„Stuhl neben Stadtchef als Schleudersitz‘, Seite 16
Stuhl neben Stadtchef als Schleudersitz
Tirol. In der Landeshauptstadt könnte es am Donnerstag den vierten Wechsel auf der Stellvertreter-Position
des grünen Bürgermeisters geben. Das Postenkarussell ist sinnbildlich für die politischen Dauerturbulenzen
VON CHRISTIAN WILLIM
Irgendwas kann immer passieren. Aber was sich seit den Gemeinderatswahlen 2018 in
Innsbruck abgespielt hat,
sucht österreichweit wie auch
in der Vergangenheit der Politgeschichte der Landeshauptstadt seinesgleichen. Morgen,
Donnerstag, könnte es die dritte Abwahl eines Vize-Bürgermeisters bzw. einer Vize-Bürgermeisterin durch den Gemeinderat geben.
Die OÖVP, die für die Wahlen im April 2024 ein Bündnis
mit ihrer einstigen Abspaltung Für Innsbruck (FI) gebildet hat, will ihren Parteirebellen Johannes Anzengruber
von der Position des zweiten
Stellvertreters von Bürgermeister Georg Willi (Grüne)
bugsieren. Anzengruber will,
wie berichtet, gemeinsam mit
einer weiteren Gemeinderätin (bisher ebenfalls ÖVP) mit
eigener Liste antreten. Beide
kostete dieses Ansinnen die
Parteimitgliedschaft.
Phantomschmerzen
Der Klub der ÖVP ist entsprechend geschrumpft. Dass ihr
nunmehriger Rivale Anzengruber weiterhin das Amt des
Bürgermeister-Stellvertreters
bekleidet und zudem als
Stadtrat Amter führt, schmerzt
die Schwarzen.
Das Abwählen von Vize-
Bürgermeistern hat sich in
Innsbruck fast schon zur Routine entwickelt. Bei der Premiere 2019 herrschte noch
große Verwirrung, was das für
Konsequenzen mit sich bringt,
wurden die Paragrafen im
Stadtrecht studiert. Damals
gingen die Grünen von Willi
bei einem Abwahlantrag der
FPO gegen Ex-Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer mit
— die Koalitionspartnerin von
Willi war damit ihr Amt als
erste Vize-Bürgermeisterin los.
Gleichzeitig verlor sie
ihren Sitz im Stadtsenat —- für _ Amtsführung erhalten
AMT DES
1. VIZE-BÜRGERMEISTERS
Christine Oppitz-Plörer
(FI), abgewählt Okt. 19
Uschi Schwarzl (Grüne),
im Dez. 20 abgewählt
Mar!tus Lassenberger
(FPO), seit Jän. 21 im Amt
Stadtsenat
Proporzsystem
Neben dem Bürgermeister
und dem ersten und dem
zweiten Bürgermeister-Stellvertreter gehören dem Stadtsenat vier weitere Mitglieder
an. Die Sitze werden nach
Mandatsstärke im Gemeinderat vergeben, derzeit haben
die Grünen zwei, die FPO
ebenfalls. Für Innsbruck (FI),
ÖVP und SPÖ haben je einen
Sitz im Stadtsenat
Ressortverantwortung
Die Mitglieder des Stadtsenats sind die Stadträte. Jene
der FPÖ haben jedoch keine
Unter Bürgermeister
Georg Willi ging es rund
den sie aber von ihrer Fraktion wieder nachnominiert
wurde — sowie ihre Amter als
Stadträtin. Willi hatte gepokert, dass Oppitz-Plörer
sich in die Politpension verabschiedet. Er sah sie als Hauptverantwortliche für das Finanzdebakel beim Bau der
Patscherkofelbahn, das mitten in den Koalitionsgesprächen zwischen den Grünen,
FI, OVP und SPO ausaperte.
Das Bündnis - das so schon
vor 2018 in anderen Machtkonstellationen gemeinsam
regierte - wurde dennoch geschmiedet. Einen Prüfbericht
zum Seilbahnbau nahm Willi
dann aber als Anlass für seinen
Coup, den er heute als Fehler
sieht. Oppitz-Plörer bekam da-
nach zwar ihre _Ressorts
zurück, die Koalition wurde
fortgeführt. Die Streitereien
nahmen aber kein Ende.
Schicksalsgenossin
Ein gutes Jahr nach Oppitz-
Plörer erlitt ihre Nachfolgerin
als erste Vize-Bürgermeisterin,
Verkehrsstadträtin Uschi
Schwarzl (Grüne), das Abwahl-Schicksal. Der Großteil
ihrer Koalitionspartner unterstütze einen Antrag der Opposition. Auch Schwarzl bekam
ihre Ressorts wieder zurück.
Im Stadtsenat wurden
aber die Optionen für die
erneut notwendige Nachbesetzung knapp. Aus der Koalition blieb nur noch SPO-
Stadträtin _ Elisabeth Mayr _teiintern dafür vorgesehenen _ Gruber auf das Amt gespitzt.
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Franz Gruber (ÖVP),
Rücktritt Feb. 2020
lohany1es Anzengruber
(nun Ex-ÖVP), vor Abwahl
übrig. Wieder mit Stimmen
aus dem Bündnis fiel die
Wahl dann aber auf einen der
beiden nicht amtsführenden
FPO-Stadträte: Klubobmann
Markus Lassenberger.
Ein blauer Vize für einen
grünen Bürgermeister. Das
war der letzte Tropfen, der das
Fass zum UÜberlaufen brachte.
Willi kündigte die Koalition
auf. Im freien Spiel der Kräfte,
dass seit Jänner 2021 regiert,
wurde es nicht ruhiger.
Nun wird um den zweiten
Stellverteter-Sessel gerungen.
Nach dem Rückzug von Langzeit-Politiker Franz Gruber
(OVP) hatte sich Anzengruber
Anfang 2020 die Position
erstritten. Den eigentlich par-
AMT DES
2. VIZE-BÜRGERMEISTERS
Andreas Wanker (ÖVP),
könnte nachfolgen
damaligen Stadtparteiobmann
Christoph Appler putschte Anzengruber vorübergehend aus
dem Gemeinderat.
Alte Gräben
Die dabei entstandenen Gräber wurden nie zugeschüttet.
Inzwischen ist OVP-Staatssekretär Florian Tursky zum
Chef der Stadtpartei gekürt
worden. Und Anzengruber
geht eigene Wege. Findet sich
eine Mehrheit für seine Abwahl, ist er auch seine Ressortführung los. Die OVP
kann dann jemand aus ihren
Reihen in den Stadtsenat entsenden. Vermutlich Gemeinderat Andreas Wanker. Der
hatte schon beim Abgang von
NSOHLER, DAMIEL LEL Q)