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Jahr: 2023

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Tiroler Tageszeitung

„Auf der Mauer, auf der Lauer“, Seite 2

LENMNAaTNUKET

Auf der Mauer, auf der Lauer

Keine konsumfreien Plätze im öffentlichen Raum, eine sterbende Clubszene, Hin und Her um ein Gitter. Innsbruck
wollte einmal „Endlich Weltstadt“ sein - und es verkommt gerade nicht nur für die Jugendlichen zur Provinz.

Von Marco Witting

er Innsbrucker Wahlkampf hat
D noch nicht einmal angefangen

(oder doch?), schon gibt es das erste
Thema, das so richtig hochkocht. Wobei
man sich schon arg wundern muss, woher
denn das plötzliche Interesse so mancher
Fraktion kommt, wenn es um die Benutzung
der Mauer am Innufer bei der Uni geht.
Denn die Schatten über dem Sonnendeck
gibt es schon lang. Nicht nur wenn es um die
Sitzmöglichkeiten und das Gitter geht, wird
der Ball hin- und hergespielt. Das Sonnendeck steht symbolisch dafür, wie man mit
konsumfreiem Raum für die Jugendlichen
in unserem Land umgeht. Den Einsatz,
den jetzt einige Politiker auf Instagram und

Facebook in dieser Causa urplötzlich zeigen,
den wünscht man sich auf höherer Ebene
für Plätze, Clubszene und die Verteilung im
öffentlichen Raum. Auf der Mauer, auf der
Lauer ... nach ein paar Stimmen.

Mit ein paar Tischen, einem DJ-Pult und
zwei Boxen startete 2013 die Veranstaltungsreihe Sonnendeck. Aus einer Handvoll
wurden 2000 Besucher, die an der Promenade bei freiem Eintritt und ohne Konsumzwang feierten. Und von der Veranstaltung
hat der Bereich irgendwie dann auch den
Namen übernommen. Je mehr Leute, desto
mehr Probleme - Lärm, Müll, Anrainerbeschwerden. Im Juni 2022 wurde dann eine
Veranstaltung abgebrochen — die Politik
blieb größtenteils stumm. Schon damals
war die Mauer das Problem bei der ange-

meldeten Veranstaltung. Eine Situation,
die sich bis heute nicht geändert hat. Und
das Sonnendeck fiel im Sommer 23 wegen
der Bauarbeiten dann ganz aus. Wieder ein
Freiraum weniger. Wieder eine Gelegenheit weniger, wo sich Jugendliche treffen
können. Das alles in einer Stadt, die gerne
Weltstadt wäre, aber in diesem Punkt tiefste
Provinz bleibt. Innsbrucks Jugend- und
Kulturszene muss gerade von der Ufermauer aus zusehen, wie ein Club nach dem
anderen den Inn hinuntergeht. Die letzten
verbliebenen Freiflächen verbarrikadiert
werden. Wundert sich angesichts dieser
Fakten noch jemand, dass regelmäßig illegal in der Sillschlucht gefeiert wird?

Diese Probleme sind alle nicht neu. Im
Gegenteil. Wenn sich heute eine Demo for-

miert, die auf den schwindenden Raum für
Junge hinweisen will, dann ist das so etwas
wie der letzte Hilfeschrei, bevor die Stadt
endgültig zu einem stillen, zubetonierten
Klotz verkommt.

Es braucht Lösungen - nicht nur für das
Sitzen am Sonnendeck. Es braucht endlich
ein klares Bekenntnis und Projekte zum öffentlichen Raum und dessen

Nutzung für die Jugend.
Auch wenn gerade keine
Wahl bevorsteht.

Lesen Sie dazu mehr
auf den Seiten 5, 12

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