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Jahr: 2023

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Kurier

„Sperrstunde in Innsbruck“, Seite 14

VON CHRISTIAN WILLIM

Mir Freunden auf einer Mauer sitzen, Füße und Seele baumeln lassen. Und dabei die
Sanne im Gesicht. Auf einem
350 Meter langen Abschnitt
der Innpromenade hinter der
Innsbrucker Uni hat sich in
den vergangenen Jahren gezeigt, wie wenig es eigentlich
braucht, damit sich junge
Stadtbewohner wohlfühlen.

Unter dem Titel Sonnendeck har sich hier ein Treffpunkt ohne Konsumzwang
etabliert. Mirtunter kamen
Hundertschaften, um auf der
Innmauer abzuhängen. Die
war den ganzen Sommer
über gesperrt, nachdem ein
Unbekannter eine Abdeckplatte des Bauwerks in den
Inn gekippt hatte.

Sitzen unmöglich

Dass im Zuge der Sanierung
auch eine Absturzsicherung
errichtet werden sollte, ließ
schon Böses erahnen. Inzwischen ist ein erster Abschnitt
fertiggestellt. Ein unansehnlicher Metallzaun ragr dort
nun aus der Mitte der Mauerkrone heraus. Sitzen — offiziell schon immer verboten —
nun unmöglich.

Die Stadrt zahlt zwar mit,
die Verantwortung liege aber
bei der Bundeswasserbauverwaltung, heißt es. Mehrere
Protagonisten der Jugendkulturszene und des Innsbrucker
Nachtlebens überzeugt das
nicht. Unter dem Titel „Reclaim your city“ rufen sie zu
einer Protestveranstaltung
am Sonnendeck am heutigen
Dienstagabend.

Dass der Zaun aus Haftungsgründen unumgänglich
ist, wie es von Behördenseite
dargestellt wird, will Daniel
Seiler nicht gelten lassen. Er
har das Sonnendeck gewissermaßen miterfunden. „Wir haben vor zehn Jahren eine musikalische Lehrveranstaltung
im Freien angemeldet, dafür

Sperrstunde in Innsbruck

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einen Biertisch aufgestellt und
aufgelegt“, erzählt der DJ von
den Anfängen. Daraus hat sich
eine lose Serie kostenloser
Musikevents entwickelt — mir
bis zu 3.000 Besuchern.

„Die Sicherheit der Sonnendeck-Besucher ist uns natürlich wichtig“, sagt Seiler zu
den Behördenargumenten
für den Zaun. „Aber man darf
schon auch ein bisschen an

die Eigenverantwortung appellieren.“ Der 36-Jährige erhofft sich, dass das Absperrgitter zumindest so positioniert wird, dass man weiter
auf der Mauer sitzen kann.

Schneise der Zerstörung

„So ist es uns auch eigentlich
versprochen worden“, sagt er.
Dass man numn stattdessen viel
Geld ausgibt, „um diesen Ort

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zu verschandeln, ist widersinnig.“ Bei der Protestveranstaltung am Sonnendeck geht es
aber um mehr. „Quer durch
Innsbruck ziehr sich eine
Schneise der Zerstörung junger Kultur“, schreiben die Organisatoren. Exemplarisch
nennen sie den Hafen. Das
Veranstaltungszentrum wurde 2019 abgerissen, weil die
Grundbesitzer andere Pläne

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für das Areal hatten. Eine von
der Politik versprochene Ersatzlösung ist nie gekommen.
Zwei Jahre zuvor gab es
mit dem „Weekender“ ein
weiteres prominentes Opfer
in der Club- und Konzertszene, in der es immer dünner
wird. Am vergangenen Samstag hat der „Dachsbau“ nach
einer letzten Party für immer
seine Pforten geschlossen.

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Tirol. Das Clubsterben in der Landeshauptstadt geht weiter. Der beliebteste Treffpunkt ohne Konsumzwang —
das Sonnendeck —- wird durch einen Zaun zerstört. Dem Stadtleben droht ein Rückfall in die 1990er-Jahre

Betreiber Frederik Lordick hat als Sprecher der
I k Club Commission,
die bei der Sonnendeck-Demo ebenfalls mit an Bord ist,
schan in der Coronazeit immer wieder vor einem Betriebssterben gewarnt.

„Der After-Corona-Hype
hat nur kurz gedauert. Dann
ist die Teuerung gekommen“,
erklärt er, zur wirtschaftlichen Entwicklung, die sich
auf Besucherzahlen und Konsum ausgewirkt hat. „Das
Hauptprobliem ist, dass die
Leute sich die Stadt nicht
mehr leisten können“, sagt
Lordick, der davon ausgehrt,
dass weitere Clubs abseits des
Mainstreams in naher Zukunft aufgeben müssen.

Der schleichende Kahlschlag im Nachtleben einer
Studentenstadt ist bedenklich. Denn ältere Semester
wissen, wie trist Innsbruck
noch Anfang der 1990er-Jahre war, als es nach ein Uhr
kaum noch Möglichkeiten
zum Ausgehen gab.

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