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Jahr: 2023
/ Ausgabe: 2023_08_23_Presse_OCR
- S.6
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Tiroler Tageszeitung
„In Innsbruck sollen Radfahrer aufs Gleis“, Seite 6
In Innsbruck sollen
Radfahrer aufs Gleis
Eine aus den USA bekannte Art der Bodenmarkierung versucht den
Radverkehr zu lenken. Mit dieser „Notlösung“ ist niemand ganz zufrieden.
Von Matthias Christler
Innsbruck — Als Radfahrer versucht man, wo es nur geht,
Schienen zu meiden. „Sturzgefahr!” schreit eine innere
Stimme. Dieser angelernte
Instinkt sall seit wenigen Wochen in der Innsbrucker Ing.-
Etzel-Straße ignoriert werden
— neue Bodenmarkierungen
leiten Radfahrer auf die Gleisanlage der Straßenbahn. Diese so genannten „Sharrows”
kennt man bereits von der
Anichstraße. Sie haben sich
aus Sicht der Stadt offenbar
bewährt und werden nun
auch in den Haltestellenbereichen entlang der Viaduktbögen eingesetzt.
Die Logik hinter den „Sharrows” leuchtet Filipe Hauser
von der Radlobby Tirol ein. Sie
sollen gewährleisten, dass die
Radfahrer nicht zu knapp am
Randstein fahren oder parkende Autos passieren, bei denen die Gefahr besteht, dass
Türen geöffnet werden und
Radfahrer nicht mehr ausweichen können. „Danın macht es
Sinn, auch zwischen den Gleisen zu fahren.” Allerdings sei
die Situation in Innsbruck mit
schmäleren Gleisen als etwa in
Wien besonders „tricky”. Und
das könnte auch der Grund
sein, warum sich bei einem
Lokalaugenschein kaum ein
Radfahrer an den „Sharrows”
orientiert hat. Viele fuhren lieber in dem schmalen Bereich
zwischen Schiene und Randstein, anstatt die Schiene zu
kreuzen und am Gleis zu fahren. Die Gefahr, mit dem Rad
in die Schiene zu geraten und
zu stürzen, scheint zu groß.
„Für uns als Radlobby wäre
die beste Lösung, wie es auch
andere Städte machen, dort,
wo Straßenbahngleise verlaufen und es noch Parkplätze
gibt, die Parkspur aufzulassen
und zu einem Radfahrbereich
zu machen”, sagt Hauser. Die
zuständige Stadträtin Uschi
Schwarzl (Grüne) sagt zu den
„Sharrows” auf den Gleisen —
übrigens keine Innsbrucker
Erfindung —: „Klar ist das eine
Notlösung, weil wir die Gleise nicht wegtun können. Wer
Gleise meiden möchte, der
muss sich einen anderen Weg
suchen.” Zum Vorschlag der
Radlobby, die Parkplätze zu
opfern, meint die Stadträtin:
„Dort haben wir auf Wunsch
orlentieren soden. In der Innsbrucker Ing.-Etzel-Straße (oben)
wollen viele offensichtlich nicht
zwischen Schienen fahren. Auch
auf der Landstraße zwischen
Rum und Arzl gbt es „‚Shamows*.
Focox: Büter, Cheatier
der Gastronomiebetriebe den
Gehsteig verbreitert, der auch
zum Parken und als Ladezone
befahrbar ist — diesen Gehsteig werden wir sicher nicht
wieder zurückbauen.“
Wenn schon „Sharrows”“,
dann aber richtig, heißt es
vonseiten der Radlobby. Das
bedeutet, die Bodenmarkierungen müssten größer sein
und vor allem näher zur Straßenmitte rücken. Damit auch
Autofahrern signalisiert wird,
dass hier dem Radfahrer am
gemeinsamen Fahrstreifen
viel Raum eingeräumt wird
— und der Autofahrer innerorts mind. 1,5 Meter Abstand
beim Überholen einhält.
Diesbezüglich schätzt Hauser vor allem die „Sharrows”
auf der Dörferstraße zwischen
Rum und Innsbruck-Arzl als
„prekär” ein. „Da dürfen Autos teilweise mit 100 km/h
fahren, es sind Busse auf der
kurvenreichen Strecke unterwegs und durch die ‚Sharrows’
meint der Radfahrer, er ist hier
sicher unterwegs. Dabei ist es
eigentlich gefährlich.”
Verschiedene Studien haben sich bereits mit „Sharrows“ beschäftigt. Eine Untersuchung der Stadt Wien
zeigte positive Effekte, etwa
dass Radfahrer mehr Abstand
zum Randstein und parkenden Autos halten. Allerdings
würden sich die Markierungen
nur bei Straßenzügen mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h eignen. Eine
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groß angelegte US-Studie (Ferenchak/Marshall, 2019) ergab
allerdings, dass es in Gebieten,
in denen es nur „Sharrows“
gibr, einen geringeren Rückgang von Verletzten gab als in
jenen mit Fahrradspuren oder
ganz ohne Maßnahmen.
Wie in Innsbruck bei den
Gleisen würde Radlobby-
Sprecher Hauser auch für die
Dörferstraße zwischen Rum
und Arzl andere Lösungen be-
Vorzugen - von denen es einige geben würde (siehe unten).
„Sharrows” sind die schnelle
und billige Lösung, oft aber
eben nur eine Notlösung.
Lesen Sie zu diesem Thema das
Pro & Contra auf Saite 2 und den
Artikel auf Seite 21