Pressespiegel seit 2021

Jahr: 2023

/ Ausgabe: 2023_07_1_Presse_OCR

- S.3

Suchen und Blättern in über 500 PDFs und 44.000 Seiten.





vorhergehende ||| nächste Seite im Dokument

Zur letzten Suche
Diese Ausgabe – 2023_07_1_Presse_OCR
Ausgaben dieses Jahres – 2023
Alle Ausgaben

Dieses Bild anzeigen/herunterladen
Gesamter Text dieser Seite:
Tiroler Tageszeitung

TirolerseTageszeitung

„‚Nur gefördertes Wohnen widmen‘“‘“, Seite 3

2.7.2023

Von Max Strozzi

Innsbruck - Noch mehr Bauland widmen und einfach
mehr bauen, dann sinken die
Immobilienpreise von alleine.
Diese Rechnung ist in Tirol so
nicht aufgegangen und wird
auch künftig nicht so einfach
aufgehen, fürchtet Arthur Kanonier. Der Raumordnungsund Baulandexperte an der
TU Wien hat unter anderem
auch an der Österreichischen
Bodenstrategie mitgearbeitet. „Der automatische Reflex,
dass man gegen die steigenden Immobilienpreise immer
mehr widmet und baut, geht
in die falsche Richtung“, sagt
Kanonier: „Viele Tiroler Regionen sind derart attraktiv, dass
halb Europa darum konkurriert.“ Das „immer mehr bauen“ stoße an seine Grenzen.
„Man kann nicht die ganze
Landschaft zupflastern.“

Nur für geförderten Wohn-

bau widmen. Tirol sei mit
den Widmungen „langsam
am Ende angelangt“, meint
Kanonier: „Man sollte neues Bauland nur noch für den
geförderten Wohnbau widmen“, meint der Fachmann.
Das würde sich dämpfend auf
die Bodenpreise auswirken.
Entsprechend sollte auch eine eigene Sonderwidmung

44 %

Foto: Aka Falk

„Nur für gefördertes Wohnen widmen“

Großer Kampf um wenig Platz: Raumordnungsexperte Arthur Kanonier (TU Wien) plädiert dafür, Bauland nur noch
für geförderten Wohnbau zu widmen, gehortetes Bauland rückzuwidmen und überörtliche Planung zu stärken.

338.700

gibt es in Tirol. Mehr

Hauptsitzwohnungen
als 754.000 Menschen wohnen darin.

24,7 Prozent

eingeführt werden. Denkbar
wäre für ihn auch, Widmungsgewinne abzuschöpfen. „Ich
würde aber den Fokus voll auf
den geförderten Wohnbau legen“, sagt Kanonier. In Tirol
können Gemeinden derzeit
Vorbehaltsflächen für geförderten Wohnbau ausweisen.

Gleichzeitig müssten Baulandüberhänge aktiviert werden,
worüber in Tirol seit Jahren
heftig diskutiert wird. In Tirol
sind 35 Mio. Quadratmeter
Bauland ungenutzt. Das Land
will eine Baulandabgabe einführen in der Hoffnung, dass

9,9 Euro

Quadratmeter-Miete
samt Betriebskosten
zahlt der durchschnittliche

in Tirol. Nur Vorarlberg ist knapp teurer.

brach liegende Baureserven
bebaut werden. Die Ausgestaltung der Abgabe ist noch un-
Klar.

Mobilisieren oder rück-

widmen. Auch für altes,
immer noch brach liegendes
Bauland sei eine strikte Baubefristung nötig. „Entweder
mobilisieren oder rückwidmen“, sagt Kanonier. Das sei
eine haarige Angelegenheit,
räumt er ein: „Mich schmerzt
es aber, dass man reflexartig
sagt, bei altem Bauland könne
man nichts tun. Das ist zwar
ein heikles Thema, aber ich

finde, das muss man rechtlich
ausloten.“
Kompetenzen. Soll die Widmungskompetenz in den
Gemeindestuben verbleiben?
„Ich finde es nicht ideal, dass
über Widmungen, bei denen
es sich zu 80 bis 85 Prozent
um rechtliche Fragen dreht, in
erster Linie politisch entschieden wird“, sagt Kanonier. Die
Kompetenz könnte etwa von
Beginn an zur Bezirkshauptmannschaft wandern. „Das
wäre nicht ganz verkehrt, weil
die BH kein politisches Gremium ist“, meint der Experte. Problematisch dabei wäre
aber eine möglicherweise geringere Einbindung der Bürger. Denn diesbezüglich seien
die Gemeinden „schon sehr
stark“. Gleichzeitig aber sei gerade diese Nähe ebenfalls problematisch, meint Kanonier,
weil in den Gemeinden rasch
einmal jeder jeden kenne.
„Mein Hauptansatz wäre es,
den Ermessensspielraum der
Gemeinden zu verringern und
die überörtliche Planung zu
stärken.“ Bedarfsprüfungen,
ob und wo es überhaupt Bauland benötigt, müssten stärker
überregional abgestimmt sein.
ADie Stadt Innsbruckhatdas
ie Stadt Innsbruck hat das
Bodenbeschaffungsgesetz aus
der Kreisky-Ära im Vorjahr

5568
wurden

Wohnungen

im vergangenen Jahr

in Tirol neu bewilligt.
Das ist der niedrigste g"
Wert seit mehr als i
zehn Jahren. 3

Seite 3 von 5

wiederentdeckt. In diesem
bislang „toten Recht“ aus den
1970er-Jahren sieht Kanonier
einen möglichen Hebel für
viele Gemeinden, um Bauland
zu aktivieren. Sinn des Bodenbeschaffungsgesetzes ist es,
den Gemeinden die Beschaffung von unbebauten Baugrundstücken für die Wohnraumschaffung zu erleichtern.
Und zwar über Vorkaufsrecht
der Gemeinde bis hin zur Enteignung des Grundbesitzers.
„Wenn das Bodenbeschaffungsgesetz aktiviert wird, ist
es gleichzeitig auch ein Signal,
dass man nicht untätig zuschaut“, sagt Kanonier. „Aktivieren“ müsste es laut Gesetzestext die Landesregierung
auf Antrag der Gemeinde.
‚weitwohnsitze, Ferientze etc.: „Die verfügbaren Flächen müssen dem
dauerhaften Wohnen vorbehalten sein“, betont Kanonier.
Als Beispiel nennt er auch die
umstrittenen Investorenmodelle im Tourismus, bei denen

Anleger Wohnungen kaufen,
die über einen Hotelbetreiber
an Urlauber vermietet werden.
„Wir hätten ein Parifizierungsverbot für solche Objekte
empfohlen“, schildert Kanonier. Denn sollte sich ein Hotelbetrieb nicht rentieren, sei
die Frage, was mit den Wohnungen passiert.

Fota: TU Wien

Arthur Kanonier ist Professor an
der TU Wien. Seine Schwerpunkte
sind Boden- und Raumordnungsrecht bzw. -politik, Wechselwirkung
zwischen Planungsrecht und raumordnerischer Praxis, Baulandmobilisierung, leistbares Wohnen.