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Jahr: 2023

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Tiroler Tageszeitung

„‚Respektlos, übergriffig und ganz klar Sexismus““, Seite 23

„Respektlos, übergriffig
und ganz klar Sexismus“

BM Willi ist entsetzt ob des „Alkfreies Bier und Baby“-Skandals. In der
Gemeindeordnung ist nur von Sitte, nicht von Alkoholverbot die Rede.

Von Denise Daum und
Matthias Reichle

Innsbruck —- Bier oder Baby?
Es ist nicht ganz eindeutig,
was für mehr Aufregung bei
der Gemeinderatssitzung am
Dienstag in Innsbruck gesorgt
hat. Wie berichtet, wurde die
grüne Gemeinderätin Janine
Bex massiv attackiert, weil sie
während der Sitzung ein - alkoholfreies — Bier aus der Flasche trank, mit ihrem zweieinhalb Monate alten Sohn
im Arm. GR Gerald Depaoli
zeigte Bex sogar beim Jugendamt an, weil sie das Baby während der elfstündigen Sitzung
dabeihatte.

Für Bürgermeister Georg
Willi (Grüne), der während
des Eklats den langjährigen
Obmann des Verschönerungsvereins in den Ruhestand verabschiedete, ist die
Lage klar: „Es ist die normalste
Sache der Welt, dass eine stillende Frau ihr Baby bei sich
hat. Das Kind ist glücklich,
zufrieden und stört niemanden während des Gemeinderats.“ Wenn eine Mutter ein
alkoholfreies Bier trinkt, gehe das niemanden etwas an.
Der aus diesem Grund produzierte Skandal ist für Willi
„respektlos, übergriffig, frauenfeindlich und unter der
Gürtellinie —- ganz klar Sexismus“, Willi spricht auch von
Scheinheiligkeit, schließlich
genehmigen sich immer wieder Gemeinderatsmitglieder
am Buffet vor dem Sitzungssaal das ein oder andere Glas
Wein oder ein — alkoholhaltiges - Bier.

Alkoholverbote kennt weder
die Tiroler Gemeindeordnung
noch die Geschäftsordnung
des Innsbrucker Gemeinde-

Deutliche Worte findet Bürgermeister Georg Willi zur vergangenen Gemeinderatssitzung am Dienstagabend:

„Respektlos, übergriffig, frauenfeindlich und unter der Gürtellinie“.

rats. Aber „Sitte und Anstand“
müssen gewahrt werden. Die
verstorbene Bürgermeisterin
Hilde Zach führte einmal ein
Alkoholverbot ein, nachdem
sie sich über Gemeinderäte
ärgern musste, die draußen
an der Theke ein Gläschen
tranken, statt drinnen in der
Sitzung zu arbeiten.

Auch zu Babys findet sich
kein Passus in der Geschäftsordnung. ZuhörerInnen dürfen nur nicht in Abordnungen
kommen, Altersbeschränkung gibt es keine.

Während des Baby-Bier-Eklats hatte Vizebürgermeister
Hannes Anzengruber (ÖVP)
den Vorsitz inne. Er stellt klar,
dass „die Schreiduelle des
Hauses nicht würdig sind“.

Dazu, dass Janine Bex ihr Baby mit in den Gemeinderat
nimmt, will er nicht groß was
sagen. Nur so viel: „Ich glaube nicht, dass das jede Frau
so machen würde.“ Angriffe
auf Personen seien zu unterlassen. „Die Frage ist, wie weit
man das provoziert“, sagt Anzengruber.

Was in Innsbruck Sitzungsunterbrechungen auslöst,
sorgt bei Gemeindeverbandspräsident Ernst Schöpf für ein
Schulterzucken. „Alkoholfreies Bier ist auf der Stufe eines
Mineralwassers anzusehen.
Ich trinke das immer wieder.“ Er sieht da nichts dabei.
„Wenn du den ganzen Tag
nur Wasser saufst, wirst du ja
narrisch“, erklärt Schöpf.

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Foto: Falk

Ist das mit der Würde des
Hauses vereinbar, wenn man
während der Sitzung aus der
Bierflasche trinkt? Schöpf,
der in Sölden Bürgermeister
ist, kann Bedenken hier zwar
schon verstehen. Aber: „Im
Hinterötztal sind wir da nicht
so zimperlich.“ Er hätte das
als Bürgermeister wohl „gelten lassen“.

In Sölden gibt es während
der Sitzung übrigens nur Wasser und Fruchtsäfte. „Wein
schenken wir keinen aus.“
Den gibt es bei der Nachbesprechung im Wirtshaus.

Für Schöpf hätte der Innsbrucker Gemeinderat dringendere Herausforderungen
als ein Bier. „Mir scheint die
Aufregung recht übertrieben.“