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Jahr: 2023
/ Ausgabe: 2023_04_27_Presse_OCR
- S.18
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Kurier
KURIER
„Wohn-Brennpunkte liegen im Westen“, Seite 18
27.4.2023
Wohn-Brennpunkte liegen im Westen
Wahlkampfschlager. In Salzburg hat das Thema (un)leistbares Wohnen die KPÖ beflügelt. Es brennt aber
der Bevölkerung in ganz Westösterreich unter den Nägeln. Mit der Teuerung spitzt sich die Lage nun zu
VONCHRISTIAN WILLIM
Ohne Baugrund kein Haus.
Und je teurer der Boden, umso
teurer der Wohnraum — egal
ob im Eigentum oder in der
Miete. Darum sind die Grundstückpreise in Österreich ein
Indikator dafür, wo das Dach
über dem Kopf zunehmend
zum Luxus wird. Eine Visualisierung im eben erschienenen
Statistikbericht des Städtebunds führt vor Augen, wie
brennend dieses Thema in den
westlichen Bundesländern ist
(siehe Grafik).
Die Grundvoraussetzungen in Vorarlberg, Tirol und
Salzburg ähneln sich: Zwischen den Bergen ist der Siedlungsraum begrenzt, die Bevölkerung ballt sich in den
Tälern. Das rare Gut Boden
wird hoch gehandelt.
Goldgräberstimmung
Nach der Finanzkrise 2008
hat die langjährige Niedrigzinsphase Kredite billig und
gleichzeitig Anlagen am
Kapitalmarkt unattraktiv gemacht. Das Geld floss im großen Stil in Betongold — ein
Brandbeschleuniger am Wohnungsmarkt. Das trifft Städte
im Besonderen: Salzburg und
Innsbruck gelten als die teuersten Mietbezirke OÖsterreichs. Der Effekt strahlt aber
auch auf die Speckgürtel und
darüber hinaus aus.
Vor diesem Hintergrund
hat die KPO Plus in Salzburg
mit Spitzenkandidat Kay-
Michael Dankl mit dem Thema
Wohnen einen Nerv getroffen.
Im Wahlkampf rechnete er vor:
„Im Jahr 2010 waren für eine
70-Quadratmeter-Wohnung
inklusive Betriebskosten in der
Stadt Salzburg im Schnitt 748
Euro fällig. 2022 waren es
1.225 Euro.“
In der Landeshauptstadt
kam die KPO mit 21,5 Prozent auf Platz zwei. Landes-
Analyse
BRENNPUNKTE AM ÖSTERREICHISCHEN WOHNMARKT
Regionale Unterschiede bei Mietkosten 2021
pro m? Wohnnutzfläche in Euro
Bundesland Monatliche Mietkosten pro m?
ohne mit
Betriebskosten _Betriebskosten
v v
Salzburg 10,1
Vorarlberg 98
Tirol 93
Wien 163
Österreich A 83
Steiermark | 59 II 7,9
Oberösterreich N 7,6
Niederösterreich 7,4
Burgenland 6,3
Kärnten 6,4
D3 Grafik: K. A Künz
weit gelang mit sensationellen 11,7 Prozent der Einzug
in den Landtag. Das (un)leistbare Wohnen ist in den westlichen Bundesländern kein
urbanes Phänomen. Die Kostenspirale dreht sich auch in
weiten Teilen des ländlichen
Raums auf hohem Niveau.
Das ist in Tourismusregionen besonders spürbar. Sie leiden unter der Kauflust von
Interessenten aus dem Ausland — etwa dem Raum München —, die sich ihren Traum
vom Urlaubsdomizil oder
Zweitwohnsitz realisieren wollen. Auch das ist an Grundstückspreisen abzulesen.
Ferienorte an der Spitze
Das Preis-Spitzentrio bilden
laut Städtebund-Analyse die
Ferienorte Kirchberg und Kitzbühel sowie Lech in Vorarlberg. Hier werden weit über
„2010 waren für eine
70-m*-Wohnung in der
Stadt Salzburg im Schnitt
748 Euro fällig. 2022
waren es 1.225 Euro“
Kay-Michael Dank!
KPÖ Plus Salzburg
1.700 Euro pro Quadratmeter
Baugrund gezahlt, der Bundesschnitt liegt bei 84 Euro.
Auf weiteren Spitzenplätzen
folgen Innsbruck und Salzburg. Nur Wiener Innenbezirke spielen noch in dieser Liga.
APAMBARBARA GINDL
Durchschnittliche Baugrundstückspreise 2017-2021
Preise in Euro pro m?
[ bis unter 25
I 25 bis unter 75
IM 75 bis unter 175
M 175 bis unter 375
M 375 und mehr
Anmerkung: Alle Ergebnisse sind
geometrische Mittel auf Basis von
Transaktionsdaten 2017-2021. Transaktionen vor 2021 wurden an das Preisniveau angepasst.
In Tirol warnen Bauträger
bereits seit einigen Jahren,
dass sie beim Kauf von Grundstücken zunehmend nicht
mehr mit privaten Bietern mithalten können bzw. die Preise
derart hoch wären, dass sich
schlicht kein günstiger Wohnraum damit schaffen ließe.
Ein Bundesländervergleich der Statistik Austria zu
den Durchschnittsmieten aus
dem Jahr 2021 spricht eine
klare Sprache und zeigt das
West-Ost-Gefälle eindrücklich. Salzburg steht mit 10,1
Euro inklusive Betriebskosten
auf Platz eins. Es folgen Vorarlberg (9,8 Euro) und Tirol
(9,3 Euro) — siehe Grafik.
Ohne das Thema kommt
seit Jahren kein Wahlkampf
im Westen aus. Immer wieder
wird von der Landespolitik
auch an Stellschrauben gedreht — etwa mit Leerstands-
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Quelle: Statistik Austria, Mikrozensus 2021 — Arithmetisches Mittel, KDZ
oder Freizeitwohnsitz-Abgaben. Eine Trendumkehr ist
aber nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Statistik Austria vermeldete im Dezember für das
dritte Quartal 2022 Öösterreichweit den höchsten Anstieg der Quartalsmieten seit
Beginn der Zeitreihe 2004.
Zuspitzung der Lage
Die Teuerung verschärft die
Lage am Wohnungsmarkt. In
Innsbruck hat der Gemeinderat am Dienstag eine Mietpreisbremse für 2.500 Stadtwohnungen beschlossen, in
denen per 1. Mai die Richtwerterhöhung angestanden
wäre. Sozialstadtrat Johannes Anzengruber (ÖVP) verteidigte die Lösung gegenüber Kritikern — auch aus den
eigenen Reihen: „Bei uns und
den Sozialinstitutionen stehen die Leute Schlange. Die
Teuerung ist so extrem wie
noch nie.“
Höhere Kosten beim Wohnen, aber auch bei Energie
und Lebensmitteln treffen in
Tirol und Salzburg auf eine
Bevölkerung, in der Arbeitnehmer österreichweit die geringsten Netto-Durchschnittsbezüge erhalten. Die schon
bisher bestehende Schere
zwischen den höchsten Lebenshaltungskosten und den
geringsten Einkommen geht
derzeit noch weiter auf.
Eine Gemengelage, die guter Nährboden für Proteststimmen ist. Bei den Landtagswahlen in Tirol holte die unter anderem die Liste Fritz ab, die
sich beinahe verdoppelte und
mit 9,9 Prozent nur knapp die
Zweistelligkeit verfehlte. Eines
ihrer Hauptthemen: „Ausverkauf der Heimat stoppen und
Wohnen leistbar machen.“